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Der Mathematische Monatskalender: Albrecht Dürer (1471–1528): Künstler und Mathematiker

Seine Kunstwerke machten ihn berühmt, doch Albrecht Dürer war auch ein herausragender Mathematiker. Einige seiner Werke zeugen von seiner mathematischen Schaffenskraft.
Ausschnitt aus einer Himmelskarte von Albrecht Dürer (koloriert)

Albrecht Ajtos (Ajtos = Tür), aus Ungarn nach Nürnberg kommend, erlernt dort bei Hieronymus Hofer den Beruf eines Goldschmieds; er nimmt den Namen Türer an und heiratet die Tochter seines Lehrherrn. Das dritte Kind (von insgesamt 18) aus dieser Ehe wird auf den Vornamen des Vaters getauft. Mit 13 Jahren tritt der junge Albrecht Dürer in die Werkstatt seines Vaters ein, beginnt dann aber mit 15 eine Lehre beim Nürnberger Maler Michael Wolgemut. Am Ende der Lehrzeit erkennt der »Meister«, dass er seinem »Lehrling« nichts mehr beibringen kann, und empfiehlt ihm die »Wanderschaft« nach Basel, Colmar und Straßburg – so wie dies auch in anderen Handwerksberufen üblich ist. Nach seiner Rückkehr heiratet Albrecht Dürer – vermutlich auf Wunsch seiner Eltern – Agnes Frey, Tochter eines befreundeten Handwerkers. Obwohl gerade erst verheiratet, bricht er nur wenige Monate später zu einer ersten Italienreise auf, um vor Ort mehr über die neue dramatische Entwicklung der Kunst und der Wissenschaften zu erfahren. Zwar besucht er nur die Städte Verona und Venedig und lernt weder Luca Pacioli noch Leonardo da Vinci persönlich kennen, erfährt aber so viel von der neuen, besonderen Bedeutung der Mathematik für die Kunst, dass er sich nach seiner Rückkehr intensiv mit den »Elementen« des Euklid, mit der »Architectura« des Römers Vitruv sowie mit der »Summa« von Pacioli beschäftigt.

Dürer ist ein begnadeter, vielseitiger Künstler – sein Ruf verbreitet sich schnell. Er richtet eine eigene Werkstatt ein und erhält eine Reihe von Aufträgen. Obwohl sein Einkommen anfangs nicht immer gesichert ist (er ist teilweise gezwungen, eigene Drucke auf regionalen Märkten zum Kauf anzubieten), möchte er Nürnberg nicht verlassen; er lehnt das Angebot ab, Hofmaler des sächsischen Kurfürsten Friedrich des Weisen in Weimar zu werden.

1505 bricht er erneut nach Italien auf – unter anderem, um von Luca Pacioli und Jacopo de Barbari mehr über das perspektivische Zeichnen zu lernen, das von italienischen Malern wie ein Geheimnis gehütet wird. Nach seiner Rückkehr beginnt er, systematisch Material über Mathematik und ihre Anwendung in der Kunst zu sammeln.

1514 entsteht der Kupferstich »Melencolia« (Melancholie), eines der rätselhaftesten Werke Dürers. Neben einer Fülle von symbolischen Andeutungen enthält es das erste in Europa gezeigte magische Quadrat, das in vier Zeilen und vier Spalten die natürlichen Zahlen von 1 bis 16 enthält und in dem die Summe 34 in vielfältiger Weise zu entdecken ist, außerdem die Jahreszahl 1514 in unteren Zeile des Quadrats. Auch ist das abgebildete Polyeder, dessen Oberfläche aus zwei gleichseitigen Dreiecken und sechs unregelmäßigen Fünfecken besteht, von mathematischem Interesse – es handelt sich um ein abgeschrägtes Rhomboeder, entstanden aus einem – längs einer Diagonalen – gestreckten Würfel. Ist der über mathematische Probleme nachdenkende »Engel« vielleicht Dürer selbst?

Von 1509 an ist Dürer Mitglied des Rates der Stadt Nürnberg; 1518 vertritt er seine Heimatstadt auf dem Reichstag in Augsburg. 1520 unternimmt er eine triumphale, aber beschwerliche Reise in die Niederlande; die Stadt Antwerpen bietet ihm vergeblich ein Haus und ein festes Jahresgehalt an, um ihn zum Bleiben zu bewegen. Dürer nimmt die Mühen der Reise auf sich, weil er – aus Prestigegründen – vom neu gewählten Kaiser Karl V. die Privilegien bestätigt haben möchte, die ihm von dessen Vorgänger, Kaiser Maximilian I., im Jahr 1510 gewährt worden sind.

1525 endlich erscheint die vierbändige »Underweysung der messung mit dem Zirckel un richtscheyt in Linien ebenen und gantzen corporen durch Albrecht Dürer zusammen gezogen und zu nutz allen kunstliebhabenden mit zugehörigen figuren in truck gebracht im jar MDXXV« – das erste Geometriebuch in deutscher Sprache. Dürer bemüht sich, die in der bisherigen lateinisch-sprachigen Fachwissenschaft verwendeten Begriffe durch angemessene, selbst erfundene deutsche zu ersetzen: »messung« steht für Konstruktion, »messkunst« für Geometrie, »richtscheyt« für das Lineal, »zirckel lini« für Kreis, »brenlini« für Parabel, »gabellini« für Hyperbel; eine Kreisfläche ist eine »runde ebene«, ein Quadrat eine »gefierte ebene«.

Im ersten Band beschäftigt sich Dürer mit der Geometrie der »Linien«: von Geraden bis hin zu algebraischen Kurven, Spiralen und Schraubenlinien; er beschreibt die Konstruktion von Ellipse, Parabel und Hyperbel als Kegelschnitte unter Verwendung des Grundriss-Aufriss-Verfahrens. Er entdeckt die nach ihm benannte »Muschellinie« und die »Spinnenlinie« (eine Epizykloide); er konstruiert die ersten Splines-Kurven durch knickfreies Aneinandersetzen von Kreisbögen.

Im zweiten Band präsentiert er eine Fülle von Näherungskonstruktionen für regelmäßige n-Ecke und für die Quadratur des Kreises sowie eine auch in späterer Zeit nicht übertroffene Näherungskonstruktion zur Dreiteilung eines Winkels. Bemerkenswert ist seine Unterscheidung, ob eine Konstruktion »demonstrative« (exakt) oder »mechanice« (näherungsweise) erfolgt. Der Band enthält auch eine Vielzahl von Parkettierungen mit regulären n-Ecken.

Das dritte Buch beschäftigt sich mit Fragen der Architektur sowie mit der Konstruktion von Schriftzeichen nach geometrischen Regeln –Dürer wird so der Begründer der Typographie. Bei der Lösung des Problems, wie man die Höhe von Buchstaben auf einem Gebäude wählt, damit alle gleich hoch erscheinen, wendet er die Tangensfunktion an.

Das vierte Buch enthält die Darstellung der platonischen und einiger archimedischer Körper in Grund- und Aufriss und deren Netze sowie praktische Hinweise zur Zentralperspektive (unter anderem die Konstruktion der Würfelansicht mit Schatten).

1528 folgen außer einem Buch über Festungsbau noch vier Bücher von menschlicher Proportion, in denen er verschiedene Typen männlicher und weiblicher Körper und deren Proportionen vorstellt sowie Typen von Kopfformen – Letzteres wirkt wie ein Vorgriff auf die moderne Computergrafik.

Von der Reise in die Niederlande kehrt er geschwächt zurück; eine Malaria-Erkrankung führt schließlich zu seinem frühen Tod im Jahr 1528. Er hinterlässt ein gewaltiges Lebenswerk: 9 Lehrbücher in deutscher Sprache, 50 Aquarelle, 70 Gemälde, 350 Holzschnitte, über 100 Kupferstiche und 1000 Zeichnungen.

Albrecht Dürer (1471-1528)

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