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Animation von Sars-CoV-2: Wie das Coronavirus angreift

Seit einem Jahr hat Sars-CoV-2 die Welt fest im Griff. Wie das Pandemievirus aussieht, wie es sich mit der Immunabwehr duelliert und wie die Medizin es bekämpft, zeigen diese Animationen.

Viren leben nicht. Man mag sie als bloße biologische Maschinen betrachten, in denen molekulare Bauteile vorgeplante Bewegungen ablaufen lassen. Doch kein von Menschen geschaffenes Konstrukt vereint auf engstem Raum so viele Funktionen. Dabei sind Viren überraschend einfach aufgebaut – selbst das Pandemievirus Sars-CoV-2, das seit gut einem Jahr die Welt fest im Griff hat.

Bis heute gibt der Erreger von Covid-19 Rätsel auf. Doch in beeindruckend kurzer Zeit haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine unglaubliche Menge über den Erreger herausgefunden.

Das ist entscheidend für den Kampf gegen die Seuche. Denn der Blick ins Innere verrät die Schwächen.

Sars-CoV-2 – ein königliches Virus

Welche Farbe das Pandemievirus hat, ist unbekannt. Mit einer Größe von 100 Nanometern ist es deutlich kleiner als die Wellenlänge sichtbaren Lichts. Seine Strukturen aber lassen sich mit einem Elektronenmikroskop sichtbar machen. Auf Bildern gut zu erkennen: Das Viruspartikel ähnelt einer Krone, daher kommt der Name Corona. Es besteht aus einer Fettmembran, die eine Proteinkugel umhüllt. In dieser liegt gut geschützt der gewundene RNA-Strang, der den genetischen Code des Virus enthält. Nur wenige weitere Biomoleküle sind in der Membran eingebettet oder an die RNA angelagert. Doch diese minimalistische Ausstattung reicht, um nicht nur in Zellen einzudringen und sie zu kapern, sondern auch um die Verteidigungssysteme des Körpers mit ausgefeilten Tricks zu unterlaufen.

Mit einem Klick können Sie das interaktive Modell starten und in die einzelnen Bestandteile des Virus zoomen.

Interaktives 3-D-Modell | Mit wenigen Klicks können Sie in die einzelnen Bestandteile des Coronavirus zoomen.

Von der ersten Attacke bis zur Eroberung des menschlichen Körpers braucht Sars-CoV-2 nur wenige Minuten. Die darauf folgenden Stunden und Tage entscheiden über Sieg oder Niederlage gegen die Immunabwehr.

Zum Angriff!

Sars-CoV-2-Partikel dringen in die Nase oder den Mund einer Person ein und schweben in den Atemwegen, bis sie auf geeignete Lungenzellen stoßen. Die Coronaviren docken an, schlüpfen ins Innere und stellen Kopien von sich her. Diese lassen die Zellen letztlich sterbend zurück und suchen sich ein neues Ziel.

Für die feindliche Übernahme sind Details entscheidend, wie die Grafik zeigt:

© Veronica Falconieri Hays / Scientific American Juli 2020
Wie Sars-CoV-2 die Zelle kapert
Trifft das Virus auf seine Zielzelle, setzt es eine raffinierte Abfolge von Ereignissen in Gang. Zuerst verschafft es sich Zutritt, dann kapert Sars-CoV-2 die biochemische Maschinerie seines Wirts.

Sars-CoV-2 trägt an seiner Oberfläche Spike-Proteine. Mit diesen kann sich das Virus an Zellen mit einem passenden ACE2-Rezeptor hängen. Dazu zählen insbesondere Schleimhautzellen der Atemwege und der Lunge. Damit das Virus in die Zelle eindringen kann, muss diese an ihrer Außenseite ein weiteres Enzym tragen: eine Protease, die den als S1 bezeichneten Vorderteil des Spike-Proteins nach der Bindung abtrennt.

Dadurch liegt das Spike-Segment S2 frei, das die Maschinerie zur Verschmelzung birgt. Die Teile der Fusionsmaschine entfalten sich und dringen in die Membran der Zielzelle ein. Damit überwindet das Virus die Abstoßungskräfte zwischen den beiden Hüllen, so dass sie sich verbinden und die Virus-RNA samt an sie gebundenes N-Protein in die Zelle eindringen lassen.

Verstrichene Zeit seit dem Angriff: etwa zehn Minuten

Ist die Virus-RNA erst einmal in der Zelle, bringt sie deren Ribosomen dazu, Virusproteine herzustellen. Das geschieht vor allem im Endoplasmatischen Retikulum (ER), einer verzweigten Struktur aus Röhren und Bläschen, an deren Wand die meisten Ribosomen sitzen. Außerdem zwingt das Virus das ER dazu, schützende Bläschen zu bilden, auch Vesikel genannt. In diesen vervielfältigt ein viruseigenes Protein das Coronavirus-Genom, wie das Bild zeigt:

Insgesamt werden zweimal Bläschen abgeschnürt. Zuerst vom ER mit den Virusproteinen innen. Anschließend von diesen erneut, so dass die neuen Vesikel im Inneren der Bläschen und die Virusproteine außen liegen.

In einem ersten Schritt gelangen dafür Spike-, M- und E-Proteine vom Endoplasmatischen Retikulum in den Golgi-Apparat der Zelle. Dort versammeln sie sich in der Schutzhülle und schnüren diese als eigene Bläschen ab. An der Innenwand liegen die Membranproteine des Virus, darunter neu gebildete Spikes.

In einem zweiten Schritt bildet die Virus-RNA mit einem N-Protein einen Komplex. Dieser bindet an die zuvor geschaffenen Bläschen, stülpt ihre Hülle ein und schnürt sie ab. Dadurch umhüllt sich die RNA mit einem kleinen Membranbläschen, an dessen Außenseite nun die Virusproteine abstehen: Fertig ist das neue Coronavirus.

Nach einer Weile wandern die mit unzähligen frischen Viruspartikeln gefüllten Membranbläschen zur Außenhülle der Zelle, verschmelzen mit der Membran und ergießen ihre Virusfracht in den Körper, wo sie weitere Zellen infizieren können.

Verstrichene Zeit seit dem Angriff: etwa zehn Stunden

Fremdkörper wehren sich vehement gegen die Armee des Körpers

Das Immunsystem des Menschen soll solche Eindringlinge bekämpfen. Es besteht aus der angeborenen Abwehr und der erworbenen Abwehr, auch adaptives System genannt. Sobald Coronaviren in den Körper eingedrungen sind, versucht das angeborene Immunsystem, die befallenen Zellen zu schützen. Das adaptive Immunsystem hingegen braucht länger, um zu reagieren – dafür geht es sehr gezielt gegen das Virus vor.

Die Herausforderung: Die Viren können Signale stören und so Zeit gewinnen, sich auf breiter Basis zu vermehren, bevor eine infizierte Person Symptome zeigt.

Üblicherweise melden Sensorproteine rasch fremdes Erbgut. Die Mustererkennungsrezeptoren reagieren auf RNA am falschen Ort sowie auf verschiedene chemische Merkmale, die virales Erbgut von zelleigener RNA unterscheiden. Entdecken die Wächter verdächtiges Material, aktivieren sie im Zellkern die Gene für eine besondere Klasse von Signalproteinen: die Typ-1-Interferone, wie das Video unten zeigt.

© Veronica Falconieri Hays / Scientific American Juli 2020
Wie das Immunsystem reagiert
Freie Bahn hat Sars-CoV-2 im Körper keineswegs: Befallene Zellen rufen um Hilfe, und draußen machen sich die Armeen des Immunsystems bereit, den Eindringling abzufangen.

Die Moleküle sind das erste Alarmsignal des Immunsystems. Sie gelangen aus der Zelle und aktivieren verschiedene Komponenten der Immunabwehr. Makrophagen zum Beispiel sind Teil der angeborenen Immunabwehr. Sie erkennen Zellen, die schadhafte oder körperfremde Proteine herstellen und zerstören sie. Dazu müssen sie, anders als T-Zellen, nicht auf dieses Virus-Antigen spezialisiert sein und reagieren deswegen schneller als die erlernte Immunabwehr.

Verstrichene Zeit seit dem Angriff: null bis drei Tage

Hat das Immunsystem die Oberflächenproteine des Virus identifiziert, bilden sich mehrere Zelltypen, die den Eindringling angreifen. B-Zellen beispielsweise produzieren Antikörper, die an Virusproteine andocken und idealerweise Bindungsstellen für den ACE2-Rezeptor blockieren. So kann das Virus nicht mehr in Zellen eindringen. Außerdem benachrichtigen Antikörper Fresszellen, die Viren einsammeln und unschädlich machen. Und Antikörper binden an infizierte Zellen; zum einen können sie dadurch verhindern, dass fertige Viren die Zelle verlassen, zum anderen können sie mit anderen Immunmolekülen die Zelle direkt zerstören. Auch spezielle T-Zellen vernichten infizierte Zellen, die Teile von Virusproteinen an ihrer Oberfläche präsentieren.

Verstrichene Zeit seit dem Angriff: sechs bis elf Tage

Gegen die Truppen des Immunsystems wehrt sich Sars-CoV-2 mit verschiedenen Strategien. Um Antikörpern standzuhalten, dient zum Beispiel das Spike-Protein als Schutzschild. Es ist mit Bäumchen aus aneinandergehängten Zuckermolekülen besetzt. Diese Glykane erschweren den Immunmolekülen den Zugang zu den eigentlichen Virusproteinen, während sie selbst nicht von Antikörpern angegriffen werden, weil sie zur Grundausstattung des Körpers gehören.

© Veronica Falconieri Hays / Scientific American Juli 2020
Die Tricks des Sars-CoV-2
Um gegen die Abwehr des Körpers überhaupt eine Chance zu haben, narrt Sars-CoV-2 das Immunsystem mit diversen Täuschungsmanövern.

Allerdings stört das Coronavirus die Immunreaktion schon zu einem viel früheren Zeitpunkt. Es stoppt die Produktion von Interferonen in der befallenen Zelle. Die virale RNA trägt eine Art Tarnkappe, die sie für die zellulären Sensoren schwerer zu entdecken macht. Außerdem gelangen mit dem Erbgut auch Virusproteine in die Zelle, die ganz gezielt die Mustererkennungsrezeptoren stören. Das Ergebnis: Es sind weniger Interferon-Gene alarmiert als sonst.

Gleichzeitig greift Sars-CoV-2 am anderen Ende der Alarmkette an. Es verhindert nämlich, dass die aktivierten Gene in Proteine übersetzt werden, indem es die Boten-RNA abbaut.

Manche Fachleute vermuten, dass die schwächere Interferon-Antwort nicht nur die Ausbreitung des Virus begünstigt, sondern der Ursprung eines sich selbst verstärkenden Ungleichgewichts in der Immunreaktion ist. Dieses könnte bei einem schweren Verlauf wesentlich zur Zerstörung der Lunge beitragen.

Mission »Den Mensch erobern« erfolgreich beendet.

Die Schwachstellen des Virus zu kennen hilft, Medikamente zu finden

Seit mehr als einem Jahr suchen Forscherinnen und Foscher nach wirksamen Medikamenten gegen Covid-19. Doch bisher hilft nachweislich lediglich Dexamethason. Das Steroidhormon wirkt unter anderem entzündungshemmend und immununterdrückend. Es senkt bei bereits beatmeten Patienten die Sterblichkeit, da es die überschießende Immunreaktion bremst, wie das Bild zeigt.

Einen ähnlichen Effekt vermuten Fachleute für andere Glukokortikoide. Deswegen empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation bei beatmeten Patientinnen und Patienten auch eine Behandlung mit Methylprednisolon oder Hydrocortison. Allerdings haben diese Wirkstoffe bei nur moderat erkrankten Menschen den gegenteiligen Effekt – indem sie das Immunsystem bremsen, verstärken sie die Ausbreitung des Virus im Körper.

Ebenfalls als zeitweise wirksam haben sich künstlich hergestellte Antikörper bei mild oder moderat erkrankten Patientinnen und Patienten erwiesen. Sie haben denselben Effekt wie die vom Körper selbst gebildeten natürlichen Antikörper und hindern das Virus daran, in die Zelle einzudringen, indem sie das Spike-Protein oder den ACE-Rezeptor blockieren:

Bleibt das Mittel Remdesivir. Theoretisch verhindert es, dass sich die Virus-RNA vervielfältigt, weil Remdesivir einem Baustein des RNA-Kettenmoleküls ähnelt – mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass ihm der chemische Baustein fehlt, an den sich das nächste Kettenglied anhängt. Baut die RNA-Polymerase also zufällig ein Molekül Remdesivir in das Viruserbgut ein, bleibt das Genom unvollständig. Alle Gene, die danach kommen, fehlen dem entstehenden Virus, weshalb es dann meist keine Gefahr mehr darstellt. Besonders in den USA wird Remdesivir eingesetzt. In der Praxis zeigte sich jedoch, dass der Wirkstoff nur selten einen Vorteil bringt.

Mit Impfstoffen das Immunsystem vorbereiten

Es gibt verschiedene Impfstofftypen, aber alle haben dasselbe Ziel: die Körperabwehr über Sars-CoV-2 briefen, damit diese im Fall eines Angriffs den Feind sofort erkennen und unschädlich machen kann. Dafür gilt es, den Truppen einen Teil des Virus zu präsentieren.

Meist handelt es sich bei diesem Fragment um ein Spike-Protein, das in die antigenpräsentierenden Zellen gelangen muss. Die nämlich liefern, was in populären Beschreibungen meist als »Steckbrief« des Virus bezeichnet wird: ein von den antigenpräsentierenden Zellen herumgezeigtes Antigen ist »Wanted – Dead or Alive«.

© Veronica Falconieri Hays / Scientific American Juli 2020
Wie Impfstoffe funktionieren
Unterstützung für die Körperabwehr: Impfstoffe liefern dem Immunsystem eine Art Steckbrief des Coronavirus. Allerdings gibt es mehrere Wege, die Immunzellen auf den Feind vorzubereiten.

Entscheidend dafür sind die T-Helferzellen, die »andere« Sorte von T-Zellen. Sie tragen den CD4-Oberflächenrezeptor, während die besser bekannten zytotoxischen T-Zellen den CD8-Rezeptor tragen. Beiden gemeinsam ist der T-Zell-Rezeptor, dessen Struktur in jeder Zelle zufällig zusammengewürfelt ist, so dass die T-Zellen des Körpers auf unzählige Antigene reagieren können.

Auch B-Zellen gehören zu den antigenpräsentierenden Zellen. Doch sie reagieren nur auf Proteine, die zu ihren B-Zell-Rezeptoren passen. Die Kombination aus Rezeptor und Antigen präsentieren sie dann den aktivierten T-Helferzellen, die ihnen das Signal geben, sich zu vermehren und in Plasmablasten zu verwandeln, die Antikörper nach dem Vorbild ihrer B-Zell-Rezeptoren produzieren. Ein Teil der so entstandenen B-Zellen entwickelt sich außerdem zu extrem langlebigen Gedächtniszellen, die eine Art Immunerinnerung des Antigens bewahren – und reagieren, wenn es wieder auftaucht.

Die Aktivierung der zytotoxischen T-Zellen funktioniert ähnlich. Sie findet statt, wenn eine antigenpräsentierende Zelle gleichzeitig eine CD8-tragende T-Zelle und eine aktivierte T-Helferzelle bindet, die für das Virus-Antigen spezifisch sind.

In klassischen Impfstoffen stecken das vollständige Virus oder Bestandteile davon, die von Fresszellen aufgenommen und zerlegt werden. Die bislang zugelassenen Impfstoffe gegen Sars-CoV-2 allerdings schleusen den genetischen Code für das Spike-Protein in Körperzellen ein und lassen diese das Virusprotein herstellen. Dadurch lösen sie erstens sehr effektiv das Interferon-Alarmsignal der Zelle aus und damit eine heftige – und teilweise schmerzhafte – Immunreaktion auf die Impfung. Zweitens werden die Körperzellen selbst zu antigenpräsentierenden Zellen.

Wenn das passiert, stürmt die Körperabwehr los. T-Zellen reichen das fremde Antigen an den Rest des Immunsystems weiter, während Zellen der angeborenen Immunantwort die fremdgesteuerten Körperzellen zerstören. Dadurch verteilt sich das von der Zelle produzierte Spike-Protein im Körper – inmitten einer Wolke von Alarmstoffen, die allen Immunzellen mitteilt, dass hier ein Feind am Werk war.

Wie entwickelt sich die Pandemie? Welche Varianten sind warum Besorgnis erregend? Und wie wirksam sind die verfügbaren Impfstoffe? Mehr zum Thema »Wie das Coronavirus die Welt verändert« finden Sie auf unserer Schwerpunktseite. Die weltweite Berichterstattung von »Scientific American«, »Spektrum der Wissenschaft« und anderen internationalen Ausgaben haben wir zudem auf einer Seite zusammengefasst.

Mitarbeit: Dennis Dirdjaja und Florida.

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