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Der Mathematische Monatskalender: Claude Gaspar Bachet de Méziriac (1581–1638)

Eigentlich ist Bachet ein Literat. Aber heute kennen wir ihn als Übersetzer des Werkes von Diophant ins Lateinische. Andererseits hat Bachet eine Fülle von unterhaltsamen Aufgaben zusammengestellt.
Claude Gaspar Bachet de Méziriac (1581 – 1638)

Die wechselhafte Geschichte des Herzogtums Savoyen spiegelt sich auch in der Familiengeschichte der Bachets wieder. Claude Gaspar Bachets Großvater väterlicherseits war als Berater am Hofe des französischen Königs Henri II tätig, sein Vater Jean Bachet, Seigneur de Meyzeriac, arbeitete für den Herzog von Savoyen. Dieser hatte nach der wiederholten Besetzung des Landes durch französische Truppen Turin als Hauptstadt gewählt und Italienisch als offizielle Landessprache festgelegt.

Claude Gaspar Bachet wächst auf dem Stammsitz der Familie in Bourg-en-Bresse auf (auf halbem Wege zwischen Mâcon und der Grenze zur Schweiz gelegen). Als er sechs Jahre alt ist, sterben beide Eltern kurz nacheinander; die Erziehung übernehmen Mitglieder des Ordens der Jesuiten. Im Alter von 20 Jahren tritt Bachet vorübergehend in den Orden ein, zieht sich dann aber auf den Familien-Stammsitz in Bourg-en-Bresse zurück, das inzwischen endgültig zu Frankreich gehört. Mit Ausnahme von vorübergehenden Studienaufenthalten in Paris und Rom bleibt er dort bis zu seinem Tod. Die Einnahmen aus den geerbten Gütern ermöglichen ihm ein ruhiges und angenehmes Leben. Mit seiner Frau Philiberte de Chabeu, die er 1620 heiratet, hat er sieben Kinder.

Zusammen mit einem Freund, Claude Favre Vaugelas, widmet sich Bachet vor allem der Literatur, verfasst eine Anthologie französischer Gedichte, schreibt selbst Gedichte und übersetzt Psalmen und Ovids fiktive Briefe (Epistulae Heroidum). Um 1630 verschlimmert sich ein Rheuma- und Gichtleiden, sodass es ihm nicht vergönnt ist, an der Gründungsfeier der Académie Française durch Kardinal Richelieu teilzunehmen. Gleichwohl gehört Bachet zu den 1635 auf Lebenszeit berufenen 40 Mitgliedern, die sich die Unsterblichen nennen dürfen. Vaugelas ist einer der Hauptverantwortlichen des ersten Wörterbuchs für die französische Sprache, dem Dictionnaire de l’Académie (1637).

Dass uns der Name Bachet im Rahmen der Mathematik – auch heute noch – immer wieder begegnet, hat mit zwei Aktivitäten des französischen Gelehrten zu tun: Die eine ist seine kommentierte Übersetzung von Diophants Arithmetica (1621) ins Lateinische. Diese wurde vor allem deshalb so berühmt, weil Pierre de Fermat auf seinem Exemplar der Bachet'schen Übersetzung jene berühmte Randbemerkung notierte, die eine große Zahl von Mathematikern Zeit ihres Lebens beschäftigte.

Bereits vor Bachet hatte Rafael Bombelli das Werk Diophants übersetzt, dies aber nicht veröffentlicht, wohl aber dessen Aufgaben in seinem eigenen Algebra-Buch (ohne Quellenangabe) verwendet. Der Heidelberger Gelehrte Wilhelm Holtzman, der unter dem gräzisierten Namen Xylander publizierte, hatte 1575 eine lateinische Übersetzung erstellt, die Bachet ebenso vorlag wie die französische Fassung der ersten vier Bücher Diophants von Simon Stevin (1585).

Die andere Aktivität Bachets hat mit einer Sammlung zu tun, die er im Jahr 1612 veröffentlichte: Problèmes plaisants et délectables qui se font par les nombres (Unterhaltsame und köstliche Probleme, die sich aus Zahlen ergeben). Der Untertitel des Werks, das bis ins 20. Jahrhundert hinein zahlreiche Auflagen erfuhr, lautet: Très utiles pour toutes sortes de personnes curieuses qui se servent d’arithmétique (Sehr nützlich für alle neugierigen Personen, die sich der Arithmetik bedienen), was bescheiden andeutet, dass Bachet teilweise raffinierte algebraisch-arithmetische Methoden nutzt, um die gestellten Aufgaben zu lösen, die Funktionsweise eines Tricks zu erklären oder die Möglichkeit der Verallgemeinerung einer Aufgabenstellung darzulegen. In der erweiterten Ausgabe von 1624 (also nach der Veröffentlichung der Diophant-Übersetzung) beschreibt er beispielsweise als Erster die Anwendung des Euklidischen Algorithmus mithilfe einer Kettenbruchentwicklung.

Einige der Probleme in Bachets Sammlung findet man bereits in Werken von Mathematikern aus früheren Jahrhunderten (zum Beispiel bei Alkuin, Fibonacci und Tartaglia). Nach Bachet gab es kaum einen Herausgeber einer Aufgabensammlung zur Unterhaltungsmathematik, der sich nicht bei Bachets Aufgaben bediente.

Hier eine kleine Auswahl seiner mittlerweile "klassischen" Aufgaben:

  • Zahlenraten: Person A denkt sich eine Zahl aus und Person B gibt Anweisungen, welche Rechenoperationen A vornehmen soll. Wie kann B aus den Rückmeldungen von A die ursprüngliche Zahl erschließen?
    • A denkt sich eine Zahl aus, verdreifacht sie und multipliziert dies mit der ursprünglichen Zahl. Wenn das Ergebnis gerade ist, soll A das Produkt halbieren, wenn ungerade, zuerst 1 addieren und dann halbieren. Dann soll A das Zwischenergebnis der Rechnung mit 3 multiplizieren und schließlich mitteilen, wie oft die Zahl 9 in dem Ergebnis enthalten ist (ohne Berücksichtigung des Rests).
    • A denkt sich eine Zahl aus, die kleiner ist als 60, und teilt B mit, welche Reste übrig bleiben, wenn die Zahl durch 3, 4 beziehungsweise 5 dividiert wird.
    • Ein Mann vererbt seinem ältesten Kind 1 Ecu und ein Siebtel des restlichen Vermögens, das zweitälteste Kind erhält 2 Ecu und ein Siebtel des restlichen Vermögens und so weiter. Es stellt sich heraus, dass alle Kinder gleich viel geerbt haben. Wie viele Kinder hatte der Mann? Welchen Betrag hat er hinterlassen?
    • A denkt sich eine ungerade Anzahl von Zahlen aus, zum Beispiel fünf. A soll dann B mitteilen, welche Summen sich aus je zwei Nachbar-Zahlen (1. + 2., 2. + 3., ..., 4. + 5., 5. + 1.) ergeben. B ist dann in der Lage auszurechnen, welches diese fünf Zahlen sind. (Der Trick funktioniert auch mit einer geraden Anzahl; allerdings muss A am Schluss nicht die letzte Zahl wieder zur ersten addieren, sondern zur zweiten.)
    • Gesucht ist eine Zahl, die bei Division durch 2 den Rest 1 lässt, bei Division durch 3 den Rest 2, bei Division durch 4 den Rest 3, ..., bei Division durch 6 den Rest 5 und bei der die Division durch 7 keinen Rest lässt.
  • Wägeproblem: Welches ist die kleinste Anzahl an Gewichtsstücken, die man zum Auswiegen von Gegenständen mit einem ganzzahligem Gewicht zwischen einem und vierzig Pfund (einschließlich) benötigt, wenn man nur eine beziehungsweise wenn man beide Waagschalen einer Waage benutzen darf?
  • Umfüllen von Flüssigkeiten: Eine Flüssigkeitsmenge von 24 Volumen-Einheiten (VE) soll in drei gleich große Teile aufgeteilt werden; es stehen aber nur Behälter zum Abfüllen von 5, 11 und 13 VE zur Verfügung.
  • Josephus-Problem (benannt nach dem jüdischen Historiker Flavius Josephus): Ein Schiff, dessen Besatzung aus 15 Christen und 15 Türken besteht, gerät in einen Sturm, aus dem es nur ein Entrinnen gibt, wenn die Schiffsladung und die Hälfte der Besatzung über Bord geworfen wird. Die 30 Besatzungsmitglieder stellen sich in einem Kreis auf, und von einem bestimmten Platz an wird bei fortlaufendem Abzählen jeder neunte für den sicheren Tod im Meer ausgewählt. Wie müssen sich die 15 Christen im Kreis aufstellen, damit keiner von ihnen auf diese Weise ums Leben kommt?
  • Anordnen von Spielkarten: Lege in vier Reihen jeweils ein Ass, einen König, eine Dame und einen Buben, sodass in jeder Reihe und jeder Spalte sowie in den Diagonalen keine zwei Karten gleichen Typs oder gleichen Werts liegen. Zusatzfrage: Auf wie viele Arten ist dies möglich?
  • Raten eines Paars von Spielkarten: Spieler A soll eines von zehn Kartenpaaren auswählen. Spieler B legt dann die Karten aus wie unten abgebildet. Wenn Spieler A die eine Reihe oder die beiden Reihen nennt, in denen die Karten des Paars jetzt liegen, kann Spieler B das ausgewählte Kartenpaar bestimmen.
  • Strategiespiel: Beginnend bei einer Startzahl, die kleiner als 30 ist, addieren die beiden Spieler abwechselnd eine natürliche Zahl zwischen 1 und 10. Gewonnen hat der Spieler, der als Erster 100 erreicht.
  • Magische Quadrate: Bachet beschreibt eine einfache Methode, um magische Quadrate ungerader Ordnung zu erstellen: Die Zahlen in den oberen und unteren äußeren Feldern (gelb hinterlegt) wandern in die entfernteren freien Felder nach unten bzw. oben, dann entsprechend die Zahlen aus den äußeren Feldern links und rechts.

Claude Gaspar Bachet de Méziriac (1581 – 1638)

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