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Feuer am Mittelmeer: Was steckt hinter den heftigen Waldbränden?

Von Algerien bis in die Türkei brannten in den letzten Wochen Wälder rund um das Mittelmeer. Welche Rolle spielte die extreme Hitze dabei? Und werden die Waldbrände durch den Klimawandel wirklich häufiger? Ein Überblick.
Ein Strand wird evakuiert, während hinter den Dünen im Hintergrund bereits dunkler Rauch eines Waldbrands aufsteigt.

Aus Urlaubsregionen in Europa kamen in den letzten Wochen Bilder, die man bisher eigentlich eher aus Kalifornien oder Australien kannte. Heftige Waldbrände, die enorme Flächen vernichteten, abgebrannte Gebäude und tote Feuerwehrleute. Auch jetzt noch brennt es in einigen Regionen. Am heftigsten aber tobten die Feuer während einer Hitzewelle, die in vielen Ländern neue Temperaturrekorde setzte. Eine Verbindung zwischen den beiden Ereignissen liegt nahe, und damit auch eine Verbindung zum globalen Klimawandel. Tatsächlich aber sind die Zusammenhänge komplizierter – denn auch andere Faktoren beeinflussen, wie oft und heftig es brennt.

Wieso brennt im Mittelmeerraum so viel Wald?

Wald- und Buschbrände sind im Mittelmeerraum ein natürlicher Teil des Ökosystems. Die Region erhält den größten Teil ihrer Regenfälle im Winter, während sie im Sommer heiß und trocken ist – ideal für Feuer. Pflanzen und Tiere in der Region haben sich ans Feuer angepasst und brauchen es sogar zum Überleben. Dass es brennt, ist also nicht ungewöhnlich oder per se schädlich.

In manchen Jahren allerdings brennen besonders viele und große Feuer, die auch Orte und Infrastruktur bedrohen. Dieses Jahr entzündeten sich weit mehr Brände als im langjährigen Mittel, berichtete das Europäische Waldbrandinformationssystem EFFIS. Feuerwehrleute bekämpften Brände in Griechenland, Frankreich, Italien und der Türkei, aber auch in mehreren Balkanländern, der Levante und Staaten Nordafrikas.

Einer der Hauptgründe dafür ist anhaltende Trockenheit, besonders im östlichen Mittelmeerraum und in Zentralasien. Sie führte dort bereits zu Ernteausfällen besonders beim Weizen, ließ die Vegetation austrocknen und befördert nun ausgedehnte Wald- und Buschbrände. Im westlichen und zentralen Mittelmeerraum trug außerdem die extreme Hitze der letzten Wochen zu Trockenheit und Feuern in den Wäldern bei. Sowohl extreme Hitze als auch extreme Trockenheit nehmen in der Region durch den Klimawandel zu.

Im Gesamtbild spielen menschliches Verhalten und Landnutzung bisher aber eine größere Rolle für Feuertrends im Mittelmeerraum als das Klima – ganz ähnlich wie in anderen von Feuern bedrohten Regionen der Welt. Allerdings ist im Mittelmeerraum das Problem ein anderes als zum Beispiel in Kalifornien. Während dort immer mehr Menschen aufs Land und in feuergefährliche Regionen ziehen, wanderten aus dem Mittelmeerraum in den letzten Jahrzehnten enorm viele Menschen ab. Das hat Folgen für Waldbrände.

In Spanien zum Beispiel lebte kurz nach dem Zweiten Weltkrieg noch die Hälfte der Bevölkerung im ländlichen Raum. Nun ist es nur noch ein Viertel. Diese Landflucht begünstigt große Feuer. Wo die Landschaft einst von einem kleinteiligen Mosaik aus Ackerflächen, Weiden und Baumbestand bedeckt war, erstrecken sich heute ausgedehnte junge Wälder, in denen sich Brände viel besser ausbreiten können. Gleichzeitig wachsen Bevölkerung und Mobilität im Mittelmeerraum, und mit dem menschlichen Einfluss steigt auch die Zahl der Brände: etwa 90 Prozent aller Feuer gehen nach Schätzungen auf nicht natürliche Zündquellen zurück.

Dennoch sinken die Zahl der Feuer und auch die verbrannte Fläche in vielen Regionen ums Mittelmeer derzeit. Ursache ist effektive Brandbekämpfung: Man hat sie vielerorts eingeführt, nachdem in den 80er und frühen 90er Jahren des 20. Jahrhunderts in mehreren Ländern riesige Feuer gigantische Flächen vernichteten. Die Effizienz hat nun jedoch den großen Nachteil, dass sich auf den unverbrannten Flächen viel Brennstoff anreichert: Vegetation, die sich in den regenreichen Wintern anreichert und nun zukünftigen Feuern Nahrung geben kann.

Wie entscheidend war die Hitzewelle?

Obwohl die anhaltende Dürre vermutlich mehr Schaden anrichtete, schrieb die Hitze von bis zu 50 Grad in den klassischen Urlaubsländern größere Schlagzeilen im Zusammenhang mit den Waldbränden. Tatsächlich spielte auch die »Hitzekuppel«, wie man so eine Wetterlage nennt, eine Rolle bei der intensiven Feuersaison. Denn hinter den hohen Temperaturen steckt eine meteorologische Situation, die Austrocknung besonders begünstigt.

Ein Faktor war das Hochdruckgebiet über dem Mittelmeerraum, das für sich genommen nicht außergewöhnlich war. Die Hitzekuppel entstand, weil eine Höhenströmung bereits sehr warme Luft aus der Sahara und vom Atlantik in den Mittelmeerraum trieb. Dort sank sie ab und wurde durch den steigenden Druck noch wärmer. Am Boden angelangt, driftet die heiße und trockene Luft nach außen und drückt feuchte Luft und Wolken weg, so dass der Himmel klar ist und die Luft am Boden weiter aufheizen kann.

Doch wenn die Höhenluft absinkt, heizt sie sich durch den steigenden Druck nicht nur auf. Die Menge Wasserdampf, die Luft aufnehmen kann, steigt exponentiell mit der Temperatur – und damit fällt die relative Luftfeuchtigkeit beim Absinken dramatisch. Die Kombination aus Trockenheit und Hitze lässt Boden und Vegetation sehr schnell Wasser verlieren.

Dabei bedingen sich Hitze und Trockenheit zum Teil gegenseitig. Nicht nur verstärkt Hitze die Verdunstung, umgekehrt sind Luft und Boden nach einer Weile zu trocken, um noch durch Verdunstung gekühlt zu werden – und werden dadurch erst recht heißer. Weht dann auch noch Wind, sind die Bedingungen ideal für verheerende Waldbrände, die sich schnell ausbreiten können und schwer zu löschen sind.

Was hat der Klimawandel damit zu tun?

Der Mittelmeerraum gilt als vom Klimawandel besonders bedroht. Klimamodelle sagen voraus, dass sich die Region stärker erwärmt als der Rest der Welt – ein Effekt, der als mediterrane Verstärkung bezeichnet wird. Und das wird auch dazu führen, dass immer mehr Wald- und Buschland während der trockenen Sommermonate in Flammen aufgeht. Die Ursache sind höhere Temperaturen und zunehmende Trockenheit, die beide eng miteinander verbunden sind.

Weltweit hat der Klimawandel schon heute dazu geführt, dass starke Hitzewellen häufiger werden. Analysen deuten darauf hin, dass das auch für den Mittelmeerraum gilt und dass sich dieser Trend in der Region besonders drastisch fortsetzen könnte. Zu diesem Schluss kam auch der Weltklimarat IPCC. Demnach könnten bis zum Jahr 2050 im nördlichen Mittelmeerraum bis zu 93 Millionen Menschen zusätzlich von Hitzewellen wie der aktuellen betroffen sein.

Die höheren Temperaturen fördern Feuer in der Region sehr direkt. Zum Beispiel kommt eine Analyse anhand von Klimamodellen zum Ergebnis, dass zwei Typen von »Feuerwetter« im Mittelmeerraum öfter vorkommen. Zum einen betrifft das Hitzewellen wie jene der letzten Wochen, die Boden und Vegetation besonders zügig austrocknet und so die Brandgefahr erhöht. Zum anderen beschreibt die Arbeitsgruppe eine Kombination von anhaltender Trockenheit und hohen Temperaturen, die sie als »heiße Dürre« bezeichnet. Insgesamt werde dadurch hitzebedingtes »Feuerwetter« über die nächsten Jahrzehnte je nach Klimaszenario um ein Sechstel bis ein Drittel häufiger.

Hinzu kommt zunehmende Trockenheit, die direkter mit Waldbränden in Verbindung steht als Hitze allein. Der Mittelmeerraum gehört in fast allen Klimamodellen zu den wenigen Regionen, in denen die jährlichen Niederschlagsmengen mit höheren Temperaturen nicht steigen, sondern sinken – und seit Jahren schon zeigen die Rechnungen, dass der Trend hier am stärksten ist. Laut Wetterdaten aus der Vergangenheit wird der Mittelmeerraum bereits seit etwa Mitte des 20. Jahrhunderts trockener.

Dürre ist allerdings ein deutlich komplexeres Wetterphänomen als Hitze, deswegen ist noch nicht vollständig klar, welche Auswirkungen die insgesamt sinkenden Niederschläge auf Vegetation und Feuer haben. Salopp gesagt sind Brände in den trockensten Regionen der Welt extrem selten – weil dort nichts wächst. So können im Mittelmeerraum reichliche Regenfälle im Winter auch Brände verschlimmern, indem sie Pflanzen nähren, die dann im Sommer austrocknen und als Brennstoff dienen. Fachleute diskutieren außerdem, ob die gängigen Maßzahlen für Dürre unter den Bedingungen des Klimawandels angepasst werden müssen.

Warum der Mittelmeerraum so empfindlich gegenüber dem Klimawandel ist, darauf gibt es bisher keine abschließende Antwort. Die mediterrane Verstärkung könnte verschiedene Ursachen haben; so spielt vermutlich die stärkere Erwärmung der Landflächen gegenüber dem Meer eine Rolle sowie eine Veränderung der regionalen Luftzirkulation, die sich im Temperaturprofil der Atmosphäre und damit der Wahrscheinlichkeit von Hitzekuppeln niederschlägt. Klimamodellen zufolge spielt dabei eine Fernwirkung mit den asiatischen Monsunregen die Hauptrolle. Während diese im Klimawandel zunehmen, verstärken sie gleichzeitig das Absinken von Luftmassen über dem Mittelmeerraum – ebenjenen Prozess, der 2021 Hitze und Trockenheit antrieb.

Was kann man gegen die Waldbrände tun?

Waldbrände sind im Mittelmeerraum ein normaler Teil des Ökosystems, deswegen kann man solche Feuer nicht vollständig verhindern. Es gibt allerdings Strategien, mit denen man Brände in jahreszeitlich heißen und trockenen Klimazonen unter Kontrolle bringen kann. In den meisten Regionen rund ums Mittelmeer beschränkt man sich derzeit darauf, Feuer schnell zu erkennen und effektiv unter Kontrolle zu bringen. Diese Strategie war in den letzten Jahrzehnten durchaus erfolgreich, wie die insgesamt sinkende jährlich verbrannte Fläche zeigt.

Gleichzeitig werden die verbleibenden Feuer immer häufiger und immer schneller sehr groß – und das unabhängig davon, welche Ressourcen zu ihrer Bekämpfung zur Verfügung stehen. Fachleute sehen das als Indiz dafür, dass die bisherige Strategie an ihre Grenzen gelangt. Dafür gibt es mehrere Erklärungen, von denen der Klimawandel, zunehmende Trockenheit und »Feuerwetter« eine von mehreren Komponenten sind. Eine wesentliche Rolle spielt auch veränderte Landnutzung.

So wachsen zum Beispiel viele der einst als Weideflächen genutzten lichten Wälder mit Büschen zu. Dadurch nimmt nicht nur die im Sommer brennbare Biomasse zu, der Bewuchs macht die Gebiete auch trockener, denn die Vegetation verdunstet mehr Wasser. Dadurch werden gerade diese einstigen Nutzwälder empfindlicher für den Klimawandel – und zu einer erheblichen Waldbrandgefahr. Daneben entstehen auf einst landwirtschaftlich genutzten Flächen neue Wälder, in denen sich Brennstoff ansammelt.

Gleichzeitig wird die neue Vegetation durch den Klimawandel immer häufiger sehr trocken. Fachleute warnen deswegen inzwischen, dass der bisherige Ansatz, die Waldbrände im mediterranen Klima unter Kontrolle zu halten, in eine »Brandbekämpfungs-Falle« führt. Dabei sammelt sich immer mehr Brennstoff an, und die Wälder werden immer feuergefährlicher. Immer mehr Feuer geraten außer Kontrolle und richten große Schäden an, so dass man keine Wahl hat, als möglichst viel möglichst schnell zu löschen und so das Problem weiter zu verschärfen.

Ein Ausweg aus diesem Teufelskreis bieten Strategien, die an mehreren Komponenten der Feuergefahr ansetzen. So kann man durch effektive Waldbewirtschaftung Brennstoff entfernen, der Feuer heftiger macht, gleichzeitig lassen sich manche Arten von Zündquellen eindämmen. Dabei muss man aber akzeptieren, dass es manchmal brennt – und Infrastruktur und Siedlungen entsprechend planen. Tatsächlich ist eine der aussichtsreichsten Strategien sogar, die Feuer selbst zu legen.

Geplante, kontrollierte Feuer vernichten nicht nur regelmäßig Brennstoff, die im Wald verteilten abgebrannten Flächen dienen zusätzlich als Brandschneisen. Derartige Strategien diskutieren Fachleute auch in anderen regelmäßig von Feuern betroffenen Regionen wie Australien und dem Westen der USA. Allerdings hat sich dort gezeigt, dass sich die etablierten Praktiken nur schwer verändern lassen – ob das im Mittelmeerraum besser funktioniert, muss sich zeigen.

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