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Insektensterben: 10 Tipps, wie Sie Insekten helfen können

Kornblumen statt Geranien, Grün statt Kies - und pestizidfrei sowieso. Jeder Garten- oder Balkonbesitzer kann seinen kleinen Anteil zum Schutz unserer Insekten leisten.
Widderchen auf einer Distel

Kornblumen statt Geranien, Grün statt Kies, seltener Rasen mähen – und pestizidfrei sowieso. Jeder Garten- oder Balkonbesitzer kann seinen kleinen Anteil zum Schutz unserer Insekten leisten. Die Natur dankt es mit Vielfalt und spannenden Beobachtungen selbst am Blumenkübel. Wir haben zehn Vorschläge, die meist einfach umzusetzen sind.

Wildblumenwiese statt Zierrasen (oder Geranien)

1. Rund 550 Wildbienenspezies wurden in Deutschland nachgewiesen – und fast zwei Drittel davon gelten als bedroht oder ausgestorben. Viele dieser Arten sind Spezialisten, die sich nicht unbedingt in den Garten verirren, weil sie beispielsweise auf bestimmte Pflanzen wie Orchideen angewiesen sind. Aber für den immer noch großen Rest können wir etwas tun. Eine Ackerhummel zum Beispiel besucht in der gleichen Zeit die drei- bis fünffache Zahl an Blüten wie eine Honigbiene. Rund 150 Nutzpflanzensorten und etwa 80 Prozent aller Wildpflanzen hier zu Lande sind auf wilde Bestäuber wie Wildbienen, Schwebfliegen, Schmetterlinge oder andere Insekten angewiesen. Und diese können Sie am besten mit einheimischen Blütenpflanzen fördern. Doch auch manche Zierpflanze leistet gute Dienste: In vielen Gartenbaumärkten können Sie mittlerweile Blumenwiesenmischungen kaufen, die sich statt des eigenen Rasens oder auch im Balkonkasten eignen. Wer sich an der Umgebung orientieren will, kann selbst Samen auf Brachflächen und an Wegrändern sammeln. Diese Pflanzen sind dann mit hoher Wahrscheinlichkeit an die lokalen Bedingungen angepasst. Wer dennoch nicht auf Zierpflanzen verzichten möchte, sollte im Gartencenter die Augen aufhalten, welche Arten dort besonders eifrig von Bienen und Hummeln angeflogen werden. Eine Liste guter Pflanzen bietet der BUND zum Download an.

Einheimische Sträucher statt exotischer Ziergehölze

2. Das Gleiche wie bei den Blumen gilt auch für Sträucher: Viele in Baumärkten und Gartencentern angebotene Büsche sind für unsere Insekten wertlos, weil es sich um Exoten handelt. Türkische Kirschlorbeeren oder chinesische Glanzmispeln werden kaum von einheimischen Insekten aufgesucht, sieht man vielleicht von Blattläusen ab. Dagegen nutzen Dutzende Insekten- und rund 60 Vogelarten den Holunder als Nahrungspflanze: Sie fressen Blätter oder Beeren und nutzen die Blüten als Nektarspender. Optimal für Tiere ist eine Mischhecke aus verschiedenen Pflanzenarten, in denen neben Holunder zum Beispiel Haselnuss, Weißdorn, Schlehen, wilde Rosen oder Felsenbirnen wachsen. Davon profitiert nicht nur die Fauna – Sie ziehen ebenfalls Nutzen daraus, wenn Sie Früchte ernten wollen. Selbst wenn Sie eine Schnitthecke wollen, die regelmäßig getrimmt wird, bietet die heimische Natur Alternativen: Hainbuchen, Liguster oder Weißdorn bieten Vögeln und Insekten (oder Igeln) Unterschlupf oder zumindest die Blätter zum Fressen. Heimische Wildsträucher bieten zudem den Vorteil, dass sie an unsere Klimaverhältnisse angepasst und daher deutlich robuster und pflegeleichter sind als Exoten. Eine Liste geeigneter Sträucher bietet der NABU auf seiner Seite an.

Lieber seltener mähen

3. Ein kurz geschnittener, sattgrüner englischer Rasen ist für viele Gartenbesitzer das höchste der Gefühle: Jedes Gänseblümchen, jeder Löwenzahn gilt als persönliche Beleidigung und wird rigoros bekämpft. Für einheimische Wildtiere ist das gestutzte Gras jedoch praktisch wertlos, sieht man vielleicht von Wurm suchenden Amseln ab. Dabei könnten schon kleine Maßnahmen die Vielfalt und Anzahl beispielsweise von Wildbienen dramatisch erhöhen. Das zeigt eine Studie aus den USA. Die Wissenschaftler wollten wissen, wie sich unterschiedliche Rasenmähintervalle auf Bestäuber in Gärten auswirken. Sie ließen dazu 16 Rasenflächen in Springfield entweder wöchentlich, alle zwei oder alle drei Wochen trimmen und zählten die Arten und Individuen von Wildbienen, welche diese Testareale aufsuchten. Dabei wurde sichergestellt, dass keiner der Gärten zur Vernichtung so genannter Unkräuter mit Pestiziden eingenebelt wurde. Wie zu erwarten, schnitt der englische Rasen mit Abstand am schlechtesten ab. Bei einem Intervall von drei Wochen wiederum war die Anzahl der Blumen – vor allem von Löwenzahn und Klee – am höchsten, was auch die größte Bienenvielfalt anlockte. Die größte Individuenzahl wiederum stellte sich ein, wenn alle zwei Wochen gemäht wurde. Wer also nicht unbedingt daheim Wimbledon-Tennis spielen möchte, könnte vielleicht doch ab und an den Rasenmäher in der Garage lassen. Die mittlerweile häufig eingesetzten Mähroboter stellen zudem eine Gefahr für Amphibien, Reptilien und sogar Igel dar, wie Naturschutzverbände mahnen. Die Tiere werden nicht als Hindernisse erkannt und erleiden schwere Schnittverletzungen durch das Mähwerk.

Kiesgarten Vielfalt
Kiesgarten versus bunte Vielfalt |

4. Der neueste Trend in der Gartengestaltung ist vielleicht sogar der bislang naturfeindlichste: Statt Gehölzen und Rasen dominieren auf der gesamten Fläche nur Steine. Kiesgärten bieten jedoch praktisch keinem Tier mehr einen Lebensraum – auch nicht, wenn sich darin einzelne immergrüne Zierpflanzen finden. Die Schotterwüsten gelten als pflegeleicht; dem widersprechen jedoch viele Gartenbauer: Nach ein paar Jahren sorge eingetragenes Erdmaterial oder Laub dafür, dass sich Wildkräuter ansiedeln. Sie sind oft mit Pfahlwurzeln ausgestattet und lassen sich im Gestein nur schwer entfernen. Bis dahin bieten diese »Gärten« Insekten und Vögeln keine Nahrung, keinen Unterschlupf und kaum Nistmöglichkeiten. Es handelt sich um eine ökologische Wüste. Selbst ein Ziergarten mit vorwiegend exotischen Pflanzen schneidet hier noch besser ab. Wer sich dagegen einen richtigen Schmetterlingsgarten zulegen möchte, findet im Internet zahlreiche Anregungen. Zudem spricht noch ein persönlicher Wohlfühlfaktor gegen die Schottergärten: Im Sommer heizen sich die Steine deutlich stärker auf als ein Rasen oder ein Garten mit vielen Gehölzen und erhöhen damit zusätzlich die Temperatur rund ums Haus.

Jäten statt spritzen

5. Was tun, wenn sich der Löwenzahn im Schotterbett breitmacht, Blattläuse die Rosen befallen oder Schnecken den Salat plündern? Für viele Gärtner liegt der Griff zu Pestiziden nahe, die dann nach dem Motto »Viel hilft viel« ausgebracht werden. Wie im landwirtschaftlich geprägten Kulturraum hat das aber Konsequenzen über die unerwünschten Arten hinaus: Eine britische Studie beispielsweise hat gezeigt, dass in Gärten teilweise immer noch Pestizide eingesetzt werden, die aus der Landwirtschaft bereits verbannt sind. Gebräuchlich sind neben dem Herbizid Glyphosat etwa Neonikotinoide, die unter starkem Verdacht stehen, Bienen und Hummeln zu schädigen. Exponierte Kolonien wachsen demnach langsamer; in ihnen entwickeln sich weniger neue Königinnen. Außerdem zeigten Studien, dass belastete Tiere schlechter Nahrung sammeln und navigieren. Dadurch werde ihr Immunsystem geschwächt, und mehr Arbeiterinnen würden sterben. Dabei lassen sich viele »Probleme« durch giftfreie Maßnahmen vorbeugen oder lösen. Das Umweltbundesamt hat dazu zehn ausführliche Tipps zusammengestellt. Auf Robustheit gezüchtete Sorten sind beispielsweise weniger anfällig für Krankheiten oder Pilze; Blattläuse oder Weiße Fliegen lassen sich mit Nützlingen wie Marienkäfern, Florfliegen oder Schlupfwespen in den Griff bekommen – die man mit Vielfalt im Garten gut anlocken kann.

Ein Sandarium für Spezialisten

6. Diese Möglichkeit, Insekten zu helfen, ist eher etwas für Besitzer größerer Gärten. Dafür bietet ein so genanntes Sandarium einer ganzen Reihe an Spezialisten einen Lebensraum, die sich sonst eher selten in Gärten verirren. Viele Wildbienen nisten tatsächlich im Boden, wo sie Röhren anlegen, in denen ihre Brut heranreift. Auch viele Käferarten und Schmetterlinge schätzen schüttere Vegetation auf mageren Standorten. Dazu müssen Sie eine mindestens 30 mal 30 Zentimeter große und 50 Zentimeter tiefe Grube an einem gut besonnten Standort ausheben und mit ungewaschenem, nicht zu feinem Sand füllen – die gröbere Körnung soll verhindern, dass die Brutröhren später einstürzen. Mit Totholz und Steinen schaffen Sie noch mehr Strukturen. Einzelne Pflanzen wie Grasnelken hübschen das Ensemble auf und dienen als Nahrungslieferanten. Wenn Sie noch etwas mehr Platz haben, können Sie daneben einen Lesesteinhaufen anlegen, den Eidechsen als Unterschlupf und Sonnenplatz nutzen.

Nistplätze für Bestäuber

7. Wer einen kleinen Garten oder einen Balkon hat, kann zumindest einem kleinen Teil der Wildbienen eine Nistmöglichkeit schaffen: mit einem Insektenhotel. Diese gibt es in großer Zahl im Handel oder in den Onlineshops von Naturschutzverbänden. Sie lassen sich aber problemlos selbst herstellen, was angesichts der Qualität vieler Insektenhotels in Baumärkten ohnehin die bessere Alternative ist – die Bauanleitungen gibt es ebenfalls online. Wichtig sind zum Beispiel Materialien, die Wasserdampf durchlassen. In Nisthilfen aus (altem, abgelagertem) Holz sollten Sie ins Längsholz bohren, um Risse zu vermeiden. Und besonders gut geeignet sind Stängel vom Holunder, die im Herbst geschnitten und im Frühling weiterverarbeitet werden. Hier können Sie mit geeigneten Bohrern Löcher vorfertigen. Auf entsprechende Länge gekürzt, können sie dann in einer Konservendose an einem sonnigen, geschützten Platz aufgehängt werden.

Futter im Herbst

8.Viele Menschen denken wahrscheinlich, dass Insekten vor allem im Frühling und Sommer Nahrung benötigen – was auch stimmt. Doch den Herbst sollten Sie dabei bitte nicht vergessen. Überwinternde Arten tanken nun noch einmal Energie, ziehende Spezies benötigen Kraft für ihre Reise nach Süden. Für sie ist Efeu die optimale Nahrungspflanze: Er blüht unscheinbar, lockt jedoch zahlreiche Bestäuber (und Vögel) an. Hier tummeln sich im Herbst ab Ende August bis November oder Dezember Bienen, Hummeln, Schwebfliegen, Schmetterlinge wie der Admiral und andere Insekten, wenn viele andere Quellen bereits versiegt sind. Auch nach der Blüte bleibt der Efeu eine wichtige Nahrungsquelle. Die im Winter heranreifenden dunklen Früchte werden vor allem von Staren, Amseln und anderen Drosseln gerne gefressen. Bis Efeu allerdings blüht, dauert es acht bis zehn Jahre. Als Fassadenbegrünung bietet er zudem Nistplätze für verschiedene Vogelarten.

Laub liegen lassen statt wegblasen

9. An Laubbläsern und -saugern scheiden sich die Geister: Eine Minderheit schätzt sie als Arbeitserleichterung und bequeme Art, Hof und Garten von Laub und Staub zu befreien. Eine Mehrheit hasst sie dagegen als lärmende Monster, die neben Blättern beispielsweise auch Schimmelpilze oder trockenen Kot aufwirbeln, wie ein Allergologe der TU München herausgefunden hat. Aus ökologischer Sicht spricht eigentlich alles gegen die Geräte. Sie verbrauchen nicht nur Energie und dröhnen in ohrenschädigender Lautstärke (zumindest in der Variante mit Benzinmotor), sie sind auch eine tödliche Gefahr für Insekten und andere wirbellose Tiere, wie das Umweltbundesamt mahnt. Wenn man seinen Garten sogar unter Hecken und Bäumen »besenrein« bläst, entzieht man seinen Pflanzen zudem wichtige Nährstoffe, die sie sonst aus dem Laub recyceln. Zudem fehlen zahlreichen kleinen Tieren dann die Überwinterungsmöglichkeiten im Streu. Im doch meist eher feuchten Herbst bedeutet der Laubbläser auch selten einen zeitlichen Gewinn, denn trotz des Dröhnens reicht seine Kraft nicht aus, das schwere Blattwerk zu bewegen – bis dieses trocken geföhnt wurde. Mit dem Rechen dauert es nicht unbedingt länger. Und ein Laubhaufen in einem Winkel des Gartens lockt vielleicht sogar einen Igel zum Überwintern an.

Ein Feuchtbiotop als Krönung

10. Die Krönung der Biotope im eigenen Garten ist wahrscheinlich ein schöner Gartenteich. Er lockt noch einmal ein ganz eigenes Set unterschiedlicher Insektenarten an, etwa Wasserläufer, Gelbrandkäfer, Wasserskorpione und natürlich Libellen. Mit etwas Glück stellen sich auch Lurche ein. Vögel und Insekten nutzen das Gewässer als Tränke und Bad, weshalb Sie unbedingt Flachwasserbereiche schaffen sollten. Um Algen kleinzuhalten, müssen Schwimmblattpflanzen hinein, die mit ihrem Schatten den Algenwuchs eindämmen. Wer unbedingt Fische einsetzen will, sollte auf heimische Moderlieschen setzen, die ebenfalls Algen fressen. Goldfische müssen dagegen gefüttert werden, und der daraus folgende Nährstoffeintrag lässt das Biotop vielleicht kippen. Wer keinen Platz für ein Gewässer hat, kann zumindest eine flache Schale mit Steinen und etwas Wasser aufstellen: Bienen und Hummeln nutzen diese ebenfalls gerne als Quelle.

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