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Der Mathematische Monatskalender: Karl B. Mollweide (1774–1825): Auf der Jagd nach der besten Karte

Als Lehrender ist er sehr beliebt. Doch die Inhalte der Analysis vermittelt er ungern – zu umfangreich fallen die Tafelanschriften dafür aus.
Karl B. Mollweide

Obwohl Karl Brandan Mollweide über zwei Jahrzehnte lang als Hochschullehrer tätig war, existiert kein Porträt von ihm, und die meisten unter uns werden seinen Namen noch nie gehört haben. Gibt man den Namen in eine Suchmaschine ein, dann findet man zwei Begriffe, die fest mit seiner Person verbunden sind: in der Kartografie die Mollweide-Projektion, die in der Mathematica-Briefmarke dargestellt ist, und in trigonometrischen Formeln.

Karl Brandan Mollweide wächst in Wolfenbüttel auf, zunächst ohne dass er ein besonderes Interesse an Mathematik zeigt, bis er im Alter von 12 Jahren zu Hause Bücher über Algebra und Differenzialrechnung entdeckt und beginnt, diese durchzuarbeiten. Als er mit 14 Jahren selbstständig den Zeitpunkt der nächsten Sonnenfinsternis berechnet, wird man auf seine mathematische Begabung aufmerksam.

Wie gestaltet man die beste Weltkarte?

Von 1793 an studiert er Mathematik bei Johann Friedrich Pfaff an der Universität von Helmstedt und wird dort 1796 von diesem promoviert. Pfaff bietet ihm einen Lehrauftrag an, den er aber wegen gesundheitlicher Probleme nur ein Jahr lang wahrnehmen kann. Nach einer längeren Phase der Regeneration nimmt Mollweide eine Stelle am Pädagogium in Halle an; diese Tätigkeit als Ausbilder von Lehrern übt er elf Jahre lang aus. In jener Zeit beschäftigt er sich unter anderem mit dem Problem, wie eine Weltkarte angemessen gestaltet werden kann.

Wie Carl Friedrich Gauß 1827 beweisen wird, ist es grundsätzlich nicht möglich, eine Karte der Erde zu erstellen, die sowohl längentreu (äquidistante Abbildung), flächentreu (äquivalente Abbildung) als auch winkeltreu (konforme Abbildung) ist. Karten haben stets Verzerrungen. Die von Gerardus Mercator um 1569 entwickelte (und nach ihm benannte) Projektion ist winkeltreu. Die Bilder der Längenkreise sind dabei zueinander parallele vertikale Geraden. Damit Schifffahrtsrouten als Geraden eingetragen werden können, müssen die Abstände zwischen den Breitenkreisen mit zunehmender geografischer Breite kontinuierlich vergrößert werden.

Durch die Mercator-Projektion werden Entfernungen und Flächengrößen umso stärker verzerrt, je weiter man sich vom Äquator entfernt.

Mercator-Projektion

Mollweides Idee ist es, die Erdkugel als Ellipse abzubilden (was der runden Form der Erde eher gerecht wird als eine Karte in Form eines Rechtecks). In der Karte gemäß einer flächentreuen Mollweide-Projektion bilden der maßstabsgetreu eingetragene Äquator und der Nullmeridian die Hauptachsen der Ellipse; die Achsenlängen verhalten sich wie 2 zu 1. Die 90°-Meridiane östlicher und westlicher Länge bilden einen Kreis, der 180°-Meridian den Außenrand der Karte. Die übrigen Meridiane ergänzen sich paarweise zu Ellipsen. Der Flächeninhalt 4πR2 einer Mollweide-Ellipse entspricht der Oberfläche einer Kugel mit Radius R; für die Punktkoordinaten gilt: -2√2·R ≤ x ≤2√2·R und -√2·R ≤ y ≤√2·R.

Die Darstellung der Erde in der Mollweide-Projektion wird auch heute noch verwendet, insbesondere wenn Übersichten hinsichtlich der Vegetation oder des Klimas erfolgen sollen.

Mollweide-Projektion

Mollweide verfasst in Halle auch zahlreiche Schriften zur Verteidigung des Newtonschen Farbsystems und erweist sich so als einer der entschiedensten Gegner der goetheschen Farbenlehre.

Ein herausragender Lehrer

1811 nimmt er dann einen Ruf auf eine Astronomieprofessur an der Universität Leipzig an; zu seinem Aufgabenbereich gehört auch der Ausbau des Observatoriums. Allerdings sind die Bedingungen zu Beginn seiner Tätigkeit extrem ungünstig: Napoleons Truppen kehren gerade aus Russland zurück und treffen in der Nähe von Leipzig auf die Truppen der verbündeten Heere aus Preußen, Österreich und Schweden.

Nach der so genannten Völkerschlacht wird ausgerechnet das Schloss, in dem das Observatorium untergebracht ist, über lange Zeit als Lazarett und als Krankenhaus benötigt, so dass keine praktische astronomische Arbeit möglich ist. Als Mollweide 1814 der frei gewordene Lehrstuhl für Mathematik angeboten wird, übernimmt er diesen zusätzlich, in der Hoffnung, den Lehrstuhl für Astronomie bald abgeben zu können.

Zu Mollweides ersten Studenten gehört August Möbius, der parallel auch Vorlesungen bei Carl Friedrich Gauß in Göttingen besucht. Nach seiner Promotion bei Pfaff, der jetzt in Halle tätig ist, wird Möbius dann auf den Astronomielehrstuhl in Leipzig berufen und Mollweide so entlastet.

Mollweides Vorlesungen umfassen das gesamte Spektrum der damals üblicherweise gelehrten Themen: Arithmetik, Algebra und insbesondere Geometrie (Trigonometrie, Stereometrie einschließlich geografischer Ortsbestimmungen, analytische Geometrie); seine Studenten bewundern seine Fähigkeit, einen Kreis ohne Hilfsmittel an die Tafel zeichnen zu können. Als Lehrender ist er seinen Studenten zugewandt, als Rezensent von wissenschaftlichen Beiträgen wegen seiner Genauigkeit gefürchtet. Er selbst veröffentlicht zahlreiche Beiträge in verschiedenen Fachzeitschriften, darunter auch über Themen der Analysis, die er aber selten in seinen Vorlesungen anbietet, weil dies – wie er sagt – mit zu umfangreichen Tafelanschriften verbunden sei. Als der bisherige Herausgeber stirbt, übernimmt er die Herausgabe des mehrbändigen klügelschen Mathematiklexikons, kann diese Arbeit aber wegen seines frühen Tods nicht beenden.

Ein weiterer Schwerpunkt seiner Forschungsarbeit liegt in der Auswertung von eher schwer verständlichen Schriften der Antike; er ist Herausgeber einer Neuauflage der »Elemente« des Euklid, wobei er als erster Mathematiker das heute noch übliche »≌«-Symbol für das Vorliegen einer Kongruenz verwendet.

Ein früher Tod

Mollweide heiratet erst im Alter von 40 Jahren, seine Ehe bleibt kinderlos. Der eher kränkliche, zur Hypochondrie neigende Mann ergraut schon in jungen Jahren, stirbt dennoch überraschend im Alter von 51 Jahren an – wie es heißt – trockenem Husten.

Wie bereits erwähnt, wird Mollweide heute auch mit den folgenden trigonometrischen Formeln in Verbindung gebracht, die er 1808 in einem Beitrag veröffentlichte:

\[ \frac{ \sin\left( \frac{1}{2}(\alpha-\beta) \right) }{\cos\left( \frac{1}{2} \gamma \right)} = \frac{a-b}{c} \] und \[ \frac{\cos\left( \frac{1}{2}(\alpha-\beta)\right)}{\sin\left(\frac{1}{2}\gamma\right)} = \frac{a+b}{c} \] sowie entsprechende Formeln mit zyklisch vertauschten Größen.

Unabhängig von Mollweide wurden diese Zusammenhänge auch von Jean-Baptiste Delambre (1807) entdeckt und von Gauß (1809) für sphärische Dreiecke verallgemeinert; aber auch etliche andere, vorher lebende Mathematiker hatten diese Formeln (oder hierzu äquivalente) hergeleitet, darunter Newton und Thomas Simpson. Warum dann diese Gleichungen – weniger in der deutschsprachigen als in der englischsprachigen Literatur – den Namen Mollweides tragen, lässt sich nicht mehr klären. Ein möglicher Grund könnte sein, dass die allgemein bekannten Mathematiker Gauß und Möbius ihren Zeitgenossen Mollweide in mehreren Artikeln zitierten und so die Zuordnung der Formeln zu Mollweide entstanden ist.

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