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Serie: Halluzinogene: LSD - Gehirn im Serotonin-Rausch

Die Kultdroge der 1960er Jahre wird in Deutschland - besonders unter Jugendlichen - kaum noch konsumiert.
bunter Kopf

Geschichte

In den 1930er Jahren forschte der Chemiker Albert Hofmann (1906–2008) für die Basler Firma Sandoz an neuen Medikamenten, die unter anderem zur Behandlung von zu niedrigem Blutdruck gedacht waren. 1938 stellte er in einer Versuchsreihe mehrere Dutzend Substanzen aus dem Getreidepilz Mutterkorn her, darunter auch LSD. Die Substanz wird auch als Lysergsäurediethylamid-25 oder LSD-25 bezeichnet. Zunächst konnte er in Tierversuchen keine ungewöhnliche Wirkung des Stoffs feststellen. Als er jedoch fünf Jahre später erneut Tests mit der Substanz anstellte, wurde ihm bei der Arbeit plötzlich unwohl. Er begann farbige Flächen vor den Augen zu sehen.

Wenige Tage später wollte Hofmann der Sache auf den Grund gehen. Er nahm absichtlich 250 Mikrogramm LSD ein – eine, wie man heute weiß, recht starke Dosis. Anschließend fuhr er auf dem Fahrrad nach Hause, begleitet von seiner Assistentin, und erlebte einen bunten, aber auch bedrohlichen Rausch. Diese berühmt gewordene Fahrradfahrt des Chemikers war der erste dokumentierte LSD-Trip.

»Mit Hilfe von LSD sollten Ärzte das Erleben von schizophrenen Zuständen vorübergehend imitieren und dadurch die Innenwelt ihrer Patienten besser verstehen lernen«

Anfänglich interessierten sich vor allem Psychiater für das neue Mittel. Der Hersteller Sandoz verkaufte es zur Auslösung von »Modellpsychosen«: Mit Hilfe von LSD sollten Ärzte das Erleben von schizophrenen Zuständen vorübergehend imitieren und dadurch die Innenwelt ihrer Patienten besser verstehen lernen. In der so genannten psycholytischen Therapie wurde zudem LSD verwendet, um unterdrückte psychische Vorgänge hervorzuholen und so behandeln zu können.

In den 1960er Jahren erlangte LSD bei Hippies und Kriegsgegnern in den USA Kultstatus. Die Droge wurde stark mit der gesellschaftlichen Bewegung gegen die Regierung von Lyndon B. Johnson, den Vietnamkrieg sowie das Establishment im Allgemeinen verbunden. Seit 1961 ist die Substanz fast überall auf der Welt verboten, auch in Deutschland.

Verbreitung

In Umfragen in den USA geben etwa zehn Prozent der erwachsenen Bevölkerung an, mindestens einmal im Leben LSD eingenommen zu haben. In Deutschland gilt das nur für 2,6 Prozent, wie eine Studie von 2016 ergab. Unter Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren sind es laut einem Bericht der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sogar nur 0,2 Prozent. Allerdings ist die tatsächliche Zahl der Konsumenten schwierig zu ermitteln. Zum einen gibt es eine Dunkelziffer, zum anderen erhalten Käufer auf der Straße oft gar kein echtes LSD, wenn sie dieses angeboten bekommen – sondern andere Halluzinogene, die einfacher herzustellen und rechtlich weniger reguliert sind.

»Auffällig ist, dass sich unter dem Einfluss von LSD Hirnregionen synchronisieren, die normalerweise nur wenig miteinander kommunizieren«

Wirkung

Das vielleicht ungewöhnlichste Merkmal von LSD ist, dass schon eine äußerst geringe Menge einen Rausch hervorruft. 100 Mikrogramm LSD entsprechen bereits einer mittleren bis starken Dosis. Bei MDMA, besser bekannt als Ecstasy, braucht es für eine ähnlich starke Wirkung rund 100 Milligramm, also die 1000-fache Menge.

LSD hat chemisch eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Neurotransmitter Serotonin, einem Botenstoff, über den Hirnzellen untereinander Signale austauschen. LSD-Moleküle aktivieren daher verschiedene Rezeptoren, die normalerweise auf Serotonin reagieren, unter anderem den Typ 5HT2A, der im Gehirn weit verbreitet ist. Unter LSD wird daher das ganze Gehirn wie in einem Serotonin-Rausch stark stimuliert. Daraus resultiert unter anderem eine erhöhte Wachheit. Daneben scheint LSD auch an Dopaminrezeptoren anzudocken, was für die Rauschwirkung aber nach heutigem Wissensstand keine große Bedeutung hat.

Auffällig ist, dass sich unter dem Einfluss von LSD Hirnregionen synchronisieren, die normalerweise nur wenig miteinander kommunizieren. Das heißt, sie tauschen nun in viel stärkerem Umfang chemische Signale aus und werden dadurch zum Beispiel gleichzeitig aktiv oder inaktiv. »Das könnte die so genannten synästhetischen Erlebnisse von LSD-Konsumenten erklären«, sagt Matthias Liechti, stellvertretender Chefarzt an der Abteilung für Klinische Pharmakologie und Toxikologie am Universitätsspital Basel. Die Betroffenen »sehen« beispielsweise Töne oder verknüpfen Farben und Berührungen mit intensiven Gefühlen. Die Zeit scheint sich aufzulösen. Versuchspersonen in neuen Studien mit LSD berichten auch von einer angenehmen Entgrenzung, etwa dem Gefühl von Vertrauen und Nähe zu anderen Personen. »Je nach Sichtweise könnte man also sagen: Mit LSD sind die einzelnen Teile des Gehirns stärker miteinander verbunden«, meint Liechti, der selbst Studien zur Wirkung von LSD geleitet hat. »Aber genauso gut könnte man sagen: Die Substanz führt zu Chaos im Gehirn.«

»Unterschwellig vorhandene Psychosen können durch den Konsum von LSD offen zu Tage treten«

Es gibt vereinzelte Versuche, psychiatrische oder neurologische Patienten mit LSD zu therapieren, zum Beispiel bei schweren Angststörungen, existenziellen Ängsten, die auf Grund einer lebensbedrohlichen Krankheit bestehen, oder auch bei speziellen Kopfschmerzen. Erste Ergebnisse sind viel versprechend, jedoch stehen umfangreiche Erhebungen noch aus. Matthias Liechti betont, dass die bisherigen guten Erfahrungen in kontrollierten Therapiesituationen gewonnen wurden. Dort war stets ein anerkannter Behandler zugegen, der im Fall ungünstiger Entwicklungen unterstützend eingreifen konnte. Selbstversuche seien dagegen nicht ratsam.

Gefahren

LSD stimuliert nicht das Dopamin-Belohnungssystem im Gehirn, weshalb keine körperliche Abhängigkeit oder Sucht auftritt. Lässt man Tieren die Wahl, verabreichen sie sich die Substanz nicht selbst, im Gegensatz etwa zu Alkohol, Nikotin oder Heroin. »Wie jede andere psychoaktive Substanz kann LSD natürlich missbraucht werden«, sagt Liechti. »Aber man entwickelt kein starkes psychisches Verlangen danach. Daher ist es kein Suchtmittel im eigentlichen Sinn.«

Da bereits extrem kleine Dosen die halluzinogene Wirkung hervorrufen, wurden bislang keine physischen Schäden durch diese Mikromengen beobachtet. Medizinische körperliche Risiken bestehen allenfalls für Herzkranke: LSD kann unter anderem das sympathische Nervensystem aktivieren, was etwa den Blutdruck erhöht. Flößt ein Trip starke Angst ein (Bad Trip), kann das ebenfalls Blutdruck und Puls in die Höhe schnellen lassen.

Die größten Risiken liegen eindeutig im psychischen Bereich. LSD löst über mehrere Stunden hinweg massive Bewusstseinsveränderungen aus. Experten raten Personen, die psychisch labil sind oder eine entsprechende Vorerkrankung haben, vom Konsum ab. Berichte über eine erhöhte Suizidgefahr unter LSD-Einfluss konnten allerdings bislang wissenschaftlich nicht bestätigt werden. Auch gibt es bis heute keinen Beleg dafür, dass sich nach LSD-Konsum psychische Krankheiten entwickelt hätten, die vorher nicht vorhanden waren.

Unterschwellig vorhandene Psychosen können jedoch durch den Konsum von LSD offen zu Tage treten. Ein erhöhtes Risiko dafür besteht beispielsweise bei Personen mit an Schizophrenie erkrankten Verwandten. Vorübergehende Angst- und Wahnzustände sind generell keine Seltenheit während eines LSD-Trips. Bei kleiner oder normaler Dosierung können die meisten Konsumenten aber aus diesem Zustand willentlich heraustreten. Sie sind sich dann auch der Herkunft ungewöhnlicher Sinneserfahrungen bewusst. Deshalb spricht man im Zusammenhang mit LSD von »Pseudo-Halluzinationen«. Echte Halluzinationen zeichnen sich nämlich dadurch aus, dass sie subjektiv für real gehalten werden. Bei den meisten gesunden Personen ohne entsprechende psychische Vorbelastung enden die wahnähnlichen Zustände und Halluzinationen mit dem Abklingen des Rauschs.

Eine weitere Gefahr ist, dass im Straßenhandel als LSD verkaufte Produkte oft eine der zahllosen so genannten »neuen psychoaktiven Substanzen« enthalten. Diese haben zwar möglicherweise ähnliche Wirkungen wie LSD, sind aber deutlich schlechter erforscht und häufig für den Körper gefährlicher als echtes LSD.

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  • Quellen
Hofmann, A.: LSD – mein Sorgenkind. Die Entdeckung einer "Wunderdroge". Dtv, München 1993

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