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Schlichting!: Wie wir den Vogeltod am Glas verhindern könnten

Vögel nehmen im Gegensatz zu Menschen ultraviolettes Licht wahr. Das könnte dabei helfen, spiegelnde Fensterfronten für sie als gefährlich zu markieren – ohne dass die Maßnahme unsere Sicht trübt.
Fenster mit Vogelsilhouetten

Fenster schützen uns vor Wind, Regen, Kälte sowie Schall, und sie sind praktischerweise durchsichtig, ohne ganz unsichtbar zu sein: Die Scheiben reflektieren einen Teil des auftreffenden Lichts. Diese segensreiche Eigenschaft bewahrt uns meist davor, gläserne Türen einzurennen. Dennoch passieren Unfälle, und zwar nicht allein aus Unachtsamkeit, sondern oft wegen optischer Fehleinschätzungen. Vögel sind dafür besonders anfällig.

Wenn Räume tagsüber unbeleuchtet sind, verliert sich darin das einfallende Licht weitgehend, weil die Einrichtungsgegenstände es auf Grund zahlreicher Wechselwirkungen absorbieren. Nur äußerst wenig verlässt den Raum wieder durch das Fenster. Dann sieht man von außen vor allem das Licht der hellen Umgebung, das direkt an den Scheiben reflektiert wird.

»Alles Sichtbare ist nur die äußere Gestalt, in die sich ein Unsichtbares hüllt«Gertrud von Le Fort, 1876–1971

Erwachsene Menschen erkennen den virtuellen Charakter der so entstehenden Spiegelwelt meist rechtzeitig. Für durch den Himmel flitzende Vögel hingegen dürfte sich das Bild im Fenster oft bis zum allerletzten Moment kaum von der normalen Umwelt unterscheiden. Auch wenn das Licht des Innenraums das reflektierte Licht der Außenwelt überlagert, wird das für Vögel schwer einzuordnen sein. Die Tiere prallen daher nicht selten mit voller Wucht gegen Fenster und verletzen sich dabei häufig tödlich.

Gelegentlich versuchen die Bewohner, mit aufgeklebten Raubvogelsilhouetten vom virtuellen Raum hinter der Scheibe abzuschrecken. Untersuchungen zeigen aber: Die Maßnahme ist nahezu nutzlos. Andere Strategien, mit denen sich die Fenster effektiver maskieren ließen, scheitern meist aus ästhetischen Gründen.

Spiegelnde Fensterfront | Die gespiegelte Welt hinter den Scheiben lädt Vögel zum Hindurchfliegen ein. Ausgerechnet die geöffneten Fenster wirken hingegen wie eine schwarze Wand.

In der Natur gibt es eine besondere Art durchsichtiger Barriere, die dabei helfen könnte, das Problem zu lösen. Wer durch Lücken zwischen Büschen und Bäumen geht, wird häufig von klebrigen Fäden geradezu eingesponnen. Dort bauen Spinnen gern ihre Netze, schließlich nutzen Insekten bevorzugt solche Schneisen. Man sieht die aufwändigen, filigranen Gebilde lediglich im Gegenlicht oder wenn sie von Tröpfchen benetzt sind. Doch obwohl Vögel wie die Spinnen zwischen Gestrüpp nach Insekten jagen, kommen zerstörerische Durchflüge selten vor. Sie bemerken die Fäden und meiden sie – vermutlich ist auch ihnen die Anhänglichkeit lästig.

Erkennen die Vögel etwa mehr als wir Menschen? Tatsächlich können viele Vögel nicht nur das für uns sichtbare Spektrum, sondern darüber hinaus ultraviolettes Licht wahrnehmen (»Vögel sehen die Welt bunter«, Spektrum Januar 2007, S. 96). Spinnfäden werfen UV-Strahlung zurück, und da der Hintergrund diese meistens absorbiert, zeichnen sich die Netze davor deutlich ab. Spinnen dekorieren sie oft sogar regelrecht mit reflektierenden Elementen. Der Grund dafür ist unter Wissenschaftler noch umstritten, aber vermutlich stellt der bessere Schutz vor der Zerstörung durch Vögel nur einen günstigen Nebeneffekt dar. Biologen gehen eher davon aus, dass die Hauptfunktion des UV-Anstrichs darin besteht, Insekten ins Netz zu locken, die ebenfalls diesen Bereich des Spektrums sehen können und davon regelrecht angezogen werden. Die unterschiedliche visuelle Wahrnehmung von Menschen und Vögeln erlaubt es möglicherweise, Letztere besser vor Kollisionen mit Fensterscheiben zu schützen, ohne Ersteren den Durchblick zu rauben.

Vogelsilhouettenaufkleber | Aufkleber von Vogelsilhouetten verhindern die Durchflugsversuche der Vögel nicht.

Die Zusammenstöße mit Glasflächen sprechen dafür, dass Vögel die dort hervorgerufene Spiegelwelt als einigermaßen realistisch empfinden. Tatsächlich reflektiert das übliche Fensterglas auch einen Teil des UV-Lichts. Um die Scheiben für die Vögel als Hindernis erscheinen zu lassen, könnte man sie mit Streifen oder komplexeren Mustern versehen, die UV-Strahlung absorbieren und daher von den Vögeln erfasst werden. Sofern diese Materialien für Menschen transparent sind, würden wir selbst keine visuellen Einschränkungen bemerken.

Es gibt am Markt bereits zahlreiche Varianten von Hindernissen, welche für uns praktisch durchsichtig sind und die spezielle Wahrnehmung der Vögel ausnutzen. Sie reichen von bloßen Aufklebern über Sprays bis hin zu permanenten Maßnahmen bereits während der Produktion des Fensterglases. Anders als die nutzlosen Raubvogelsilhouetten sind die Hilfsmittel allerdings einerseits noch nicht verbreitet, andererseits gibt es bislang auch keine verlässlichen Erhebungen zu ihrer tatsächlichen Wirkung. Erschwerend kommt hinzu, dass nicht jede Vogelart UV-Strahlung gleich gut erkennt und es abhängig vom Umgebungslicht Situationen gibt, in denen solche Wellenlängen von vornherein kaum vorkommen.

Wespenspinne in ihrem Netz | Einige Spinnenarten, hier eine Wespenspinne, dekorieren ihre Netze mit dickeren Fäden. Diese reflektieren ultraviolettes Licht besonders gut.

Darum empfehlen Naturschutzorganisationen für einen sicheren Schutz vor Vogelschlag weiterhin, Fenster mit im ganzen Spektrum sichtbaren Mustern in etwa handflächenbreiten Abständen optisch zu vergittern. Wo man das aus ästhetischen Gründen nicht möchte, scheinen UV-absorbierende Markierungen aber immerhin viel versprechend. Der in jeder Hinsicht einfachste Ansatz besteht im Nichtstun: Selteneres Fensterputzen verringert die Reflexe, weil sich absorbierender Staub und Pollen sammeln. Je mehr wir uns hingegen um makellose Glasfronten im Stadtbild bemühen, desto öfter müssen wir den Tod von Vögeln in Kauf nehmen, die Fenster nicht als Hindernis, sondern als Durchflugsöffnung wahrnehmen.

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  • Quellen

Buer, F., Regner, M.: Mit »Spinnennetz-Effekt« und UV-Absorbern gegen den Vogeltod an transparenten und spiegelnden Scheiben. In: Vogel und Umwelt 13, S. 31–41, 2002

Håstad, O., Ödeen, A.: A Vision Physiological Estimation of Ultraviolet Window Marking Visibility to Birds. In: PeerJ 2, e621, 2014

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