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Pleistozän: Verlorene Welt der Eiszeit

Schädel eines pleistozänen Höhlenbären

Das Pleistozän war die Zeit der Megafauna – riesige Tiere zogen in großen Herden durch die Steppen Europas und Nordamerikas. Im Süden regierten gewaltige Vögel und Reptilien. Nach dem Ende der Eiszeit starben leider viele dieser Arten aus. Nur an wenigen Orten überlebten Reste jener Tierwelt.

Australisches Bestiarium – Riesenwaran trifft Megagans |

Mit einem Gewicht von bis zu 200 Kilogramm und einer Höhe von über zwei Metern konnte der australische Gänsevogel Genyornis newtoni – auch als Donnervogel bekannt – locker mit den heutigen Straußen mithalten. Doch machte ihn diese Größe womöglich auch zu einer begehrten Beute für die ersten menschlichen Siedler auf dem fünften Kontinent: Wahrscheinlich starb die Art vor 45 000 bis 47 000 Jahren aus, also relativ kurz nach der Ankunft der ersten Aborigines. Gleichzeitig änderte sich damals das regionale Klima. Australien wurde trockener und wärmer, weshalb sich Buschfeuer mehrten. Unklar ist darum, ob die Riesengänse wegen dieses Wandels ausstarben oder doch vor allem durch direkte Nachstellung. Neuere Studien weisen darauf hin, dass vor allem die Eier der Megagans beliebt waren: Sie wurden gekocht und verzehrt, also verjüngte kaum Nachwuchs den Bestand. Sicher ist dagegen, dass der hier ebenfalls im Bild vorhandene Riesenwaran Megalania prisca daran nicht schuld war: Das bis zu sieben Meter lange und eine Tonne schwere Reptil fraß zwar sicherlich bei Gelegenheit auch Eier und ausgewachsene Exemplare der Megagans, doch lebten beide über hunderttausende Jahre nebeneinander. Megalania verschwand wohl fast zur gleichen Zeit wie Genyornis newtoni.

Der Topprädator – Smilodon, die Katze mit den Reißzähnen |

Gingen sie wie Löwen als Rudel auf die Jagd – oder lebten sie doch einzeln wie der Jaguar heute? War ihr Biss kräftig – oder sollten die Zähne nur Furcht erregen und Konkurrenten beeindrucken, aber keine Beute zerfleischen? Leider können wir heute unser Wissen über die Säbelzahnkatzen der Eiszeiten nur anhand von Fossilien mehren: Die ungewöhnlichen Raubtiere starben am Ende des Pleistozäns vor 12 000 Jahren endgültig aus. Smilodon und Co bildeten eine eigene Unterfamilie, die Machairodontidae, innerhalb der Katzenartigen. Sie alle unterscheiden sich nicht nur durch den gedrungenen Körperbau, sondern vor allem durch ihre dolchartigen Eckzähne des Oberkiefers von ihren heute lebenden Verwandten. Die größten Arten reichten an die Dimension der Löwen heran. Sie lebten fast überall auf der Welt; nur in der Antarktis und in Australien sind bislang keine Fossilien aufgetaucht. Vor allem über die Rolle ihrer Zähne wird spekuliert, da sie nach verschiedenen Studien keinen hohen Beißdruck erreichen konnten und daher womöglich leicht brachen. Dennoch jagten die Säbelzahnkatzen wohl aktiv und fraßen nicht nur Aas, wie bisweilen gemutmaßt wird. Eventuell schlitzten sie mit ihren Hauern Halsschlagader und Luftröhre der Opfer auf. Fossile Überreste von Säbelzahnkatzen wurden übrigens auch in Deutschland gefunden – etwa in unmittelbarer Nähe des Unterkiefers von Homo heidelbergensis in Mauer bei Heidelberg.

Megalonyx – das bodenlebende Riesenfaultier |

Der Legende nach streift nachts ein riesiges, stinkendes Tier durch die Regenwälder Amazoniens. Sein dichtes Fell soll sogar die Kugeln von Gewehren abwehren. Die Mapinguari genannte Kreatur erregte die Aufmerksamkeit so manches Zoologen. Denn die Tiere erinnern in ihrer Beschreibung an die Riesenfaultiere, die bis zum Ende des Pleistozäns in Nord- und Südamerika gelebt hatten – zum Beispiel Megalonyx, ein etwa rindergroßer Laubfresser, der weite Teile der heutigen USA und Kanadas besiedelte. Diese Riesenfaultiere waren ein wichtiger Bestandteil der amerikanischen Megafauna, die mit dem Ende der Eiszeit entweder wegen des Klimawandels oder durch den neu eingewanderten Menschen ausgestorben ist. Nur wenige Reste wie die Bisons, Moschusochsen oder Tapire existieren noch heute. Es wäre also eine Sensation, sollte doch eine Art in Amazonien überlebt haben.

Riesenschildkröten – Überleben nur auf fernen Inseln |

Außerhalb Afrikas und Asiens, wo sich die Megafauna zusammen mit dem Menschen entwickelte und entsprechend furchtsam war, überlebten nur relativ wenige Gattungen und Arten die epochale Zeitenwende zum Ende des Pleistozäns. Manche Tiere wie die Riesenschildkröten der Seychellen (wie hier ein Exemplar auf Aldabra) und auf Galapagos überlebten wahrscheinlich allein deshalb, weil ihre Inseln sehr abgelegen waren und erst spät entdeckt wurden. Viele ebenso große Verwandte verschwanden hingegen mit der Ankunft der Menschen. Die 2,5 Meter lange Meiolania aus dem australischen Raum überdauerte in ihrem letzten Refugium Neukaledonien immerhin bis vor 2000 Jahren. Die noch gewaltigere und größte bekannte Landschildkröte aller Zeiten, Megalochelys atlas, brachte es sogar auf 2,7 Meter Länge und wohl auf ein Gewicht von einer Tonne.

Elefantenvogel – Sindbads Vogel Rock? |

Waren sie das Vorbild für den Vogel Rock (oder Roch) aus Sindbads Abenteuern in "Tausendundeiner Nacht"? Womöglich. Legendär sind die Elefantenvögel Madagaskars jedoch auch ohne literarische Verewigung, denn sie gehören zu den größten Vögeln, die noch in historischer Zeit gelebt haben. Aepyornis maximus konnte bis zu drei Meter groß und bis zu 400 Kilogramm schwer werden. In seinen Ausmaßen übertraf ihn in jüngerer Vergangenheit wohl nur der ebenfalls ausgestorbene neuseeländische Moa. Mit Ankunft der Menschen auf den Inseln war jedoch das Schicksal beider Gruppen besiegelt. Um 1650, vielleicht sogar erst 1880 waren die Elefantenvögel ausgerottet. Ihre Knochen und Eierschalen werden aber bis heute auf Madagaskar gefunden. Neuere DNA-Analysen legen nahe, dass die nächsten Verwandten der Elefantenvögel tatsächlich in Neuseeland leben; es sind erstaunlicherweise die Kiwis, die kleinsten heute existierenden Laufvögel, und nicht etwa die afrikanischen Strauße.

Der Beringia-Wolf – Jäger der Arktis |

Große Pflanzenfresser sorgen über kurz oder lang auch dafür, dass sich große Fleischfresser entwickeln. Es ist also kein Wunder, dass die Mammuts, Bisons und Moschusochsen während der letzten Eiszeiten auch von großen Beutegreifern wie dem amerikanischen Löwen und den Säbelzahnkatzen erlegt wurden. Und in Beringia, der Landbrücke zwischen Sibirien und Alaska, die während der großen Vergletscherung existierte, hatte sich eine besondere Form des Wolfs (Canis lupus) entwickelt, die ihresgleichen suchte: der Beringia-Wolf. Keine anderen Wölfe waren kräftiger als diese Variante mit ihrer besonders kurzen Schnauze und dem kräftigen Kiefer. Wenn der Beringia-Wolf sich einmal in eine Beute verbissen hatte, konnte das Opfer ihn praktisch nicht mehr abschütteln. Nur so gelang es ihm, auch Mammuts zu erlegen, deren chemische Signale Forscher in erhaltenen Wolfsknochen nachwiesen.

Terrorvögel – Schrecken der Pampa? |

Die größten von ihnen erreichten eine Höhe von drei Metern – und standen womöglich bis hinein in die letzte Eiszeit an der Spitze der Nahrungskette der südamerikanischen Steppen und Savannen. Nur wenige Vögel waren wohl so beeindruckend wie die Gruppe der Terrorvögel, deren älteste Fossilien bis zurück ins Paläozän vor 60 Millionen Jahren datieren. Bislang fanden Paläontologen Knochenreste von 18 Arten; etwa auch diesen Schädel von Andalgalornis, gegen den unser eigener Kopf und erst recht der eines heutigen Steinadlers zwergenhaft wirken. Der 1,4 Meter große und 40 Kilogramm schwere Vogel schlug wohl mit seinem Schnabel Beute k. o. wie ein Boxer mit seiner Faust, so die Ableitungen aus dem Schädelbau. Warum die Terrorvögel letztlich ausstarben, ist unklar: Vielleicht unterlagen die meisten Arten der Konkurrenz neu eingewanderter hunde- und katzenartiger Raubtiere, die vor 13 Millionen Jahren einen Weg von Nord- nach Südamerika über den neu entstandenen Isthmus von Panama fanden. In Europa lebten zur gleichen Zeit übrigens ähnliche Vögel – auf Grund neuer Untersuchungen gelten die Vertreter der Gattung Gastornis mittlerweile aber eher als Vegetarier.

Glyptodon – Südamerikas Naturpanzer |

Einstmals beheimatete Südamerika ein beeindruckendes Bestiarium gigantischer Arten – darunter zum Beispiel die Riesengürteltiere der Gattung Glyptodon. Mit mehr als drei Metern Länge und einem Gewicht von über einer Tonne entsprachen sie ungefähr den Maßen eines VW Käfer. Manche der Riesengürteltiere besaßen keulenartige Schwänze, mit denen sie mit großer Wucht zuschlagen und sich verteidigen konnten. Gegen die modernen Jäger der Art Homo sapiens nützte ihnen diese Waffe jedoch nichts: Bald nach Ankunft der ersten Menschen in Amerika starben die urigen Säugetiere vor 12 000 Jahren aus.

Thylacoleo – auch Beuteltiere kannten große Fleischfresser |

Keine andere Säugetierfauna der Erde ist momentan stärker bedroht als die australische: Während der letzten 200 Jahre starben auf dem fünften Kontinent mehr als 25 Arten aus – rund ein Drittel aller weltweit registrierten Verluste. Ein weiteres Fünftel der etwa 280 Arten gilt zurzeit als gefährdet. Dabei ist die heutige Vielfalt ohnehin nur noch ein trauriger Rest des einstigen Reichtums, denn bis zum Ende des Pleistozäns existierten noch viel mehr Beuteltiere; darunter etwa das Riesenwombat Diprotodon optatum mit einer Schulterhöhe von bis zu zwei Metern und einem Gewicht von fast drei Tonnen oder Riesenkängurus mit drei Metern Höhe. Gejagt wurden sie vom Beutellöwen (Thylacoleo carnifex), dem größten bislang bekannten Raubtier unter den Beuteltieren Australiens. Der bis zu 150 Kilogramm schwere Fleischfresser verfügte über kräftige Beine und spitze Krallen, mit denen er nicht nur seine Beute schlug, sondern sich sogar steile Felspartien oder Bäume hinaufhangelte. Von dort aus stürzte er sich wahrscheinlich auf die großen Pflanzenfresser, die er letztlich mit Hilfe seiner Schneidezähne riss. Wie viele andere Elemente der australischen Megafauna starb er vor etwa 45 000 Jahren kurz nach der Ankunft der Menschen aus.

Wollnashorn – der nordische Vetter der Rhinozerosse |

Warum starben eigentlich die Giganten der Eiszeit vor etwa 12 000 Jahren aus? Zwei Lager streiten um die Deutungshoheit: Das eine sieht die Schuld beim Menschen. Für diese Sichtweise spricht, dass zahlreiche Knochen von Mammuts oder Wollnashörnern mit Abnutzungsspuren durch Steinwerkzeug oder an alten menschlichen Lagerplätzen gefunden wurden. Zudem gilt Homo sapiens als Superprädator, der dank seiner Intelligenz allen anderen Arten überlegen ist. Wo sich die Tierwelt mit ihm zusammen entwickelt hat wie in Afrika, lernte sie ihn zeitig als Jäger kennen und floh. Die Megafauna Amerikas, Europas oder Australiens war jedoch "naiv" und wurde daher bis zur Ausrottung gejagt. Das andere Lager sieht die Ursache hingegen im Klimawandel: Die Erde wurde wärmer und feuchter, Wälder breiteten sich auf Kosten von Steppen aus – was die großen Pflanzenfresser bis zum Exitus an den Rand drängte. Die Realität liegt wohl zumindest für Nordamerika und Europa in der Mitte: Die durch die Erwärmung dezimierten Bestände wurden durch die einwandernden Menschen übernutzt und damit ausgelöscht. Verloren gegangen sind dabei einzigartige Formen der Evolution wie das Wollnashorn, ein behaarter Dickhäuter, der durch die eisige Tundra zog.

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