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Kosmische Kollisionen: Was gibt es Neues über Meteoriteneinschläge?

Halfen Meteoriten einst beim Beginn des Lebens - und tötete wirklich einer von ihnen die Dinosaurier? 5 überraschende Einsichten und Hypothesen rund um Volltreffer aus dem All.
Einschläge auf der frühen Erde (Illustration)

Ob über Tscheljabinsk, im Nördlinger Ries oder dem australischen Outback: Seit der Entstehung der Erde treffen immer wieder kosmische Brocken unseren Planeten. Hinter diesen Einschlägen steckt allerdings mehr als nur der eine oder andere vom Himmel fallende Stein. Und die Auswirkungen der Einschläge sind oft komplexer als gedacht, sie gehen zum Teil weit über reines Zerstörungswerk hinaus. Hier haben wir fünf überraschende Einsichten und Hypothesen über die kosmischen Feuerwerke zusammengestellt.

Es gibt heute mehr Meteoriteneinschläge als früher

Eigentlich sollten kosmische Kollisionen auf der Erde mit der Zeit immer seltener werden. Nach und nach räumen die Planeten die verbliebenen Trümmer aus der Frühzeit des Sonnensystems aus ihren Bahnen, bis irgendwann nur noch ein paar sporadische Kometen das innere Sonnensystem kreuzen. Doch neue Analysen zeigen etwas ganz anderes: Anscheinend schlagen seit etwa 290 Millionen Jahren bis zu dreimal so viele Asteroiden auf der Erde ein wie zuvor.

Dieses überraschende Ergebnis verdanken wir einem Verfahren, mit dem sich das Alter von Mondkratern einigermaßen genau bestimmen lässt. Basis sind hier Wärmedaten des Lunar Reconnaissance Orbiter (LRO) der NASA. Der Trick ist, dass große Felsbrocken Sonnenwärme länger speichern als feines Geröll und Staub. Rund um jüngere Krater liegen große Trümmer, die im Lauf der Zeit von Mikrometeoriten klein gemahlen werden, und das zeichnet sich in den Wärmebildern ab. Die so gewonnene Altersverteilung der Mondkrater zeigt einen deutlichen Knick – seit eben jenen 290 Millionen Jahren schlagen mehr Körper auf dem Mond ein. Geologische Daten von der Erde zeigen dieses Muster ebenfalls, wenn auch dank der Erosion durch Wind und Wasser weit weniger deutlich.

An anderer Stelle allerdings weichen die Daten von Erde und Mond deutlich voneinander ab; die Folge einer dramatischen Zäsur in der Geschichte unseres Planeten: Eine Serie von globalen Vereisungsperioden, die erst vor 650 Millionen Jahren endete und kilometerdicke Gesteinsschichten von den Kontinenten abschabte – samt fast aller älteren Krater. Dass es diese Einschlagsspuren auf der Erde gab, zeigt der Mond. Dort nämlich änderte sich in jener Periode nichts, die Marken sammelten sich wie gewohnt an. Erst 350 Millionen Jahre später stieg die Zahl der Krater deutlich an. Der Grund für das zunehmende Bombardement in den letzten paar zig Millionen Jahren ist noch unbekannt, möglicherweise störte irgendein schwerer Körper die Bahnen kleinerer Objekte im inneren oder äußeren Sonnensystem, so dass mehr Objekte die Erdbahn kreuzen.

Meteoriten können auch versteinern

Im Jahr 1952 stießen Arbeiter im Steinbruch Gärde in Mittelschweden auf eine unschöne Fehlstelle in den sonst sehr ebenen und dekorativen Kalksteinplatten. Auf der frisch gesägten Oberfläche zeigte sich ein kurioser dunkler Fleck mit einem Halo und machte das Werkstück augenscheinlich unbrauchbar. Doch statt die verdorbene Platte wie gewohnt wegzuwerfen, bewahrte sie jemand als Kuriosität auf. Das erwies sich als Glücksfall, denn drei Jahrzehnte später stellte sich heraus: Der dunkle Fleck ist ein versteinerter Meteorit, der vor etwa 470 Millionen Jahren auf die Erde fiel.

Wie sich später zeigte, war er nicht der einzige. Inzwischen kennt man fast 70 ähnliche Meteoriten, alle aus Schweden, alle aus einer Periode von wenigen Millionen Jahren im Ordovizium. Sie alle liegen im Kalkstein vom Boden eines urzeitlichen Flachmeeres und haben sich seit ihrer Ankunft dramatisch verändert. Große Teile ihrer Minerale wurden oxidiert, aufgelöst und durch verfärbten Kalk ersetzt. Von der kosmischen Herkunft der Brocken zeugt unter anderem das Mineral Chromit, das sich auch über geologische Zeiträume nicht auflöst. Sie deuten zudem auf ein außergewöhnliches Ereignis hin, das in der Erdgeschichte womöglich einzigartig ist: Eine Kollision, vermutlich im Asteroidengürtel, feuerte schrotschussartig eine Wolke von Trümmern in die Erdumlaufbahn.

Der fossile Meteorit Österplana 065 | Seit 470 Millionen Jahren ruht dieser außerirdische Besucher im schwedischen Kalkstein.

Normalerweise reisen Meteoriten viele Millionen Jahre durchs All, bevor sie auf die Erde treffen, doch nicht in diesem Fall: Messungen an Isotopen, die durch kosmische Strahlung entstehen, zeigen beim ältesten der bisher gefundenen Meteoriten eine Reisezeit von nur 50 000 Jahren. Die Steine von Schweden – und jene Objekte, die wohl einige größere Krater aus jener Zeit schlugen – kamen per Expresslieferung auf die Erde. Außer den schwedischen Exemplaren ist weltweit lediglich ein weiterer fossiler Meteorit belegt: Im Jahr 1979 fanden Arbeiter in einem Bauxit-Tagebau in Australien einen Rostklumpen von etwa einem Meter Durchmesser, der sich später als komplett verwitterter Eisenmeteorit erwies.

Der größte Krater im Sonnensystem ist auf dem Mars

Der Mars ist ein zweigeteilter Himmelskörper. Seine südliche Hemisphäre besteht aus stark verkraterten Hochländern, die Richtung Norden in ein gigantisches flaches Becken abfallen – das nördliche Tiefland. Abgesehen von der Polkappe selbst umfasst diese Tiefebene den gesamten Planeten nördlich des 60. Breitengrades sowie große Bereiche südlich davon. Einer dieser südlichen Ausläufer ist Utopia Planitia. Dort, zwischen Arabia Terra, Elysium Mons, Isis Planitia und dem Nordpol selbst, liegt eine ungefähr kreisförmige flache Senke mit einer Tiefe von bis zu etwa drei Kilometern.

Der Krater entstand vor mehr als vier Milliarden Jahren in der Frühzeit des Mars. Seither ist er von vulkanischen Ablagerungen, verwehtem Staub und möglicherweise Seesedimenten weitgehend überdeckt worden, so dass nicht ganz klar ist, wie groß das Utopia-Becken wirklich ist. Schlägt man einen Kreis entlang des nördlichen Beckenrands, kommt man auf einen Durchmesser von etwa 3300 Kilometern; orientiert man sich dagegen an der Kante des südlichen Hochlands, misst das Becken sogar mehr als 4500 Kilometer. Damit ist Utopia der größte gesicherte Krater des Sonnensystems – wäre er ein Loch, würde der Erdmond hindurchpassen.

Der Mars weist allerdings möglicherweise einen noch größeren Krater auf: das nördliche Tiefland selbst. Dessen Ursprung ist bisher völlig ungeklärt. Es gilt als zumindest denkbar, dass die Senke in der Frühzeit des Mars durch eine gigantische Kollision in einem flachen Winkel mit einem etwa 2000 Kilometer großen Objekt entstand. Sollte sich das bestätigen, wäre das mehr als 10 000 Kilometer messende, von den Tharsis-Vulkanen überlagerte Borealis-Becken nicht nur mit einigem Abstand der größte Krater im Sonnensystem, sondern hätte durch seine ovale Form auch einen deutlich größeren Durchmesser als der Mars selbst.

Der Dino-Killer hatte möglicherweise Hilfe

Lange galt das Ende der Dinosaurier als aufgeklärt. Nachdem Vater und Sohn Alvarez die außerirdische Iridium-Signatur im Gestein gefunden hatten und sogar der zugehörige Krater aufgespürt worden war, stand der grobe Ablauf der Apokalypse einigermaßen fest: Vor ziemlich genau 65 Millionen Jahren traf ein Körper mit einigen zehn Kilometer Durchmesser das heutige Mittelamerika. Der Asteroid schlug einen Krater mit 150 Kilometer Durchmesser, verursachte Megatsunamis sowie Waldbrände und schleuderte gigantische Mengen Staub und Asche in die Luft. Was nicht direkt nach dem Ereignis starb, ging später zu Grunde, als der Staub in der Atmosphäre einen jahrelangen Winter auslöste.

Doch das ist möglicherweise nicht die ganze Geschichte; zwei Sachverhalte werfen Fragen auf. Zum einen ist da der Manicouagan-Krater mit 100 Kilometer Durchmesser, der vor 214 Millionen Jahren entstand – eventuell sogar als Teil einer Serie aus insgesamt fünf gleichzeitigen Einschlägen, wie einige Fachleute vermuten. Eine solche Katastrophe sollte eigentlich vergleichbare Verheerungen in der Tier- und Pflanzenwelt angerichtet haben, doch davon ist in der fossilen Überlieferung nichts zu erkennen. Außerdem wirft ein bemerkenswertes Zusammentreffen Fragen auf: Einer der größten Flutbasalte der Weltgeschichte, die Deccan Trapps in Indien, brach auf der Grenze zwischen Kreide und Paläogen aus, als die Dinosaurier ausstarben. Gleichzeitig deutet fast alles darauf hin, dass ausgerechnet Flutbasalte an allen anderen großen Massenaussterben entscheidend beteiligt waren – das ist zumindest erstaunlich.

Später haben Fachleute zeigen können, dass die Phase stärkster Aktivität dieser gigantischen vulkanischen Eruption in dieselbe Zeit wie der Einschlag des Chicxulub-Meteoriten fällt. Flutbasalte erdrücken nicht nur ganze Landstriche unter hunderttausenden Kubikkilometern dünnflüssiger Lava, sondern geben auch enorme Mengen vulkanischer Gase ab, die zu dramatischen Klimaschwankungen führen. Mindestens verhinderten die Flutbasalte die Erholung der Ökosysteme nach dem Einschlag und verschärften die biologische Krise. Doch ist dieses zeitliche Zusammentreffen reiner Zufall? Einige Fachleute glauben nicht daran, denn noch etwas erweist sich als äußerst suggestiv: Vor 65 Millionen Jahren lagen Einschlagkrater und Flutbasalt auf exakt entgegengesetzten Seiten der Erdkugel. Womöglich, so zumindest eine Theorie, funktioniert die Erde in so einem Fall als Linse für die seismischen Wellen – und fokussierte die Energie des Impakts.

Entstand das Leben in einem Meteoritenkrater?

Unter normalen Umständen betrachten wir Meteoriteneinschläge als gigantische Katastrophen, und das nicht ganz zu Unrecht. Aber in der Frühzeit der Erde könnten die kosmischen Kollisionen dem Leben selbst entscheidende Geburtshilfe geleistet haben. Meteoritenkrater sind im wahrsten Sinn des Wortes heiße Kandidaten für jene Orte, an denen sich die ersten komplexen chemischen Abläufe auf dem Weg zu frühen Organismen abspielten.

Wassergefüllte Einschlagbecken bieten mehrere Vorteile. Der Boden solcher Impaktstrukturen besteht aus heißem, zertrümmertem Gestein, in denen sich Hydrothermalsysteme bilden – heißes Wasser voller gelöster Minerale, das an den mittelozeanischen Rücken der Weltmeere noch heute Schwarze Raucher bildet. Sie liefern Energie und reichern den Kratersee mit Schwefel und Metallen wie Eisen und Zink an, die bis heute wichtige Stoffwechselfunktionen übernehmen und deswegen vermutlich bereits am Ursprung des Lebens beteiligt waren.

Untersuchungen an künstlichen und natürlichen Hydrothermalsystemen zeigen auch, dass chemische Reaktionen an solchen zertrümmerten Gesteinen organische Verbindungen erzeugen können. Anders als bei den Schwarzen Rauchern der Tiefsee sind heiße Quellen in einem Krater nicht fernab vom Rest der Welt: An der Wasseroberfläche steht energiereiche UV-Strahlung für weitere Reaktionen zur Verfügung, und von außerhalb des Kraters schwemmt Regenwasser weitere Minerale an. Nicht zuletzt enthalten Meteorite reaktive phosphorhaltige Verbindungen, die anderswo auf der Erde kaum zu bekommen sind.

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