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Freistetters Formelwelt: Der Kollaps der Sonne

Was passiert, wenn unser Stern einmal aufhört zu leuchten? Die Antwort fand ein Astronom aus Indien vor fast 100 Jahren während einer Seefahrt.
Der Planetarische Nebel ESO 378-1 im Sternbild Wasserschlange

Im Jahr 1928 fuhr der junge indische Astrophysiker Subrahmanyan Chandrasekhar mit einem Schiff von Indien nach England, um dort zu arbeiten. Während der langen Reise machte er sich Gedanken darüber, wie Sterne funktionieren. Das Resultat war diese Formel:

Sie sieht simpel aus, ist mathematisch sehr einfach und enthält doch einige tief greifende Gedanken über die Natur von Sternen und der Materie. Bei diesen Themen hatte man damals schon große Fortschritte gemacht. Dank der Arbeit von Albert Einstein war bekannt, dass Sterne ihre Energie durch Kernfusion erzeugen und dass der Druck der dabei frei werdenden und aus dem Inneren des Sterns nach außen dringenden Strahlung der Gravitationskraft der Sternmasse entgegenwirkt. Dadurch bleibt ein Stern wie unsere Sonne stabil. Was aber, wenn diese Strahlung verschwindet, weil die Kernfusion mangels Brennmaterial zum Erliegen gekommen ist?

Dann kollabiert der Stern – bis irgendwann die Quantenmechanik eingreift. Beim Kollaps des Sterns rücken die Atome seiner Materie immer weiter zusammen. Hier kommt nun das so genannte paulische Ausschließungsprinzip ins Spiel. Dabei handelt es sich um eine der vielen Erkenntnisse aus der damals gerade erst im Entstehen begriffenen Quantenmechanik. Vereinfacht ausgedrückt besagt das Prinzip in diesem Zusammenhang, dass Fermionen, also die Bestandteile der Atome (Protonen, Neutronen und Elektronen), niemals exakt den gleichen Quantenzustand haben können. Noch vereinfachter gesagt: Zwei Fermionen können sich nicht zur gleichen Zeit am gleichen Ort befinden. Je mehr sie sich annähern, desto unterschiedlicher müssen daher ihre Geschwindigkeiten werden.

Wenn die Materie eines Sterns bei seinem Kollaps immer weiter zusammengepresst wird, dann führt das zu immer unterschiedlicheren Geschwindigkeiten der Fermionen. Das bringt sie dazu, sich voneinander wegzubewegen. Dadurch üben sie eine nach außen gerichtete Kraft aus, die der nach innen gerichteten Gravitationskraft entgegenwirkt. Dieser quantenmechanische Druck, der in der Astronomie auch Entartungsdruck genannt wird, ersetzt den Strahlungsdruck und beendet den Kollaps des Sterns. Es entsteht ein Objekt, das wir heute als Weißen Zwerg bezeichnen: ein extrem verdichteter Himmelskörper, so groß wie unsere Erde, aber mit einer Masse, die der der Sonne nahekommt.

Genau an diesem Punkt setzte Chandrasekhars Gedankengang ein. Er erkannte, dass der quantenmechanische Druck der Materie nicht beliebig stark sein kann. Denn Einsteins spezielle Relativitätstheorie verbietet, dass der Geschwindigkeitsunterschied zwischen zwei Teilchen größer wird als die Lichtgeschwindigkeit. Hat der sterbende Stern also ausreichend viel Masse, und ist die Kraft seiner Gravitation beim Kollaps stark genug, dann schafft es auch das paulische Ausschließungsprinzip nicht mehr, den in sich zusammenfallenden Stern zu stabilisieren. Es entsteht ein noch kompakterer, dichterer Himmelskörper: ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch.

All diese Überlegungen von Chandrasekhar resultierten in der oben genannten Formel. Mit ihr kann man berechnen, wie schwer ein Stern sein muss, damit der Entartungsdruck seinen Kollaps gerade noch aufhalten kann. Diese kritische Masse hängt vom Verhältnis η von Nukleonen (den Teilchen die den Atomkern bilden) zu Protonen der Sternmaterie ab und beträgt typischerweise das 1,4-Fache der Sonnenmasse. Unsere Sonne hat also eine ausreichend geringe Masse, um ihr Leben als Weißer Zwerg zu beenden. Größere Sterne aber überschreiten dieses »Chandrasekhar-Limit« und müssen weiter kollabieren.

Das alles waren erstaunlich fundamentale Erkenntnisse des jungen Chandrasekhar. Vor allem, wenn man sie mit den Gedanken vergleicht, die wir normale Menschen auf einer Kreuzfahrt haben.

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