Quantencomputer: Google stellt neuen Quantenalgorithmus »Quantum Echoes« vor

Es ist schon wieder passiert: Erneut behauptet ein Forschungsteam des US-amerikanischen Tech-Konzerns Google, eine Rechenaufgabe mit dem hauseigenen Quantencomputer Willow 13 000-mal schneller gelöst zu haben, als es mit einem klassischen Rechner möglich gewesen wäre. Erstmals hatten die Fachleute mit einem solchen vermeintlichen Durchbruch im Jahr 2019 die ganze Welt in Aufregung versetzt. Der neueste Algorithmus – genannt »Quantum Echoes« – habe nun auch das Potenzial, bei der Lösung von realen Problemen zu helfen, die etwa in der Medikamenten- oder Fusionsforschung eine Rolle spielen, heißt es. Der von Experten geprüfte Forschungsartikel ist im Magazin »Nature« erschienen.
Quantencomputer stecken noch in den sprichwörtlichen Kinderschuhen. Bislang hat keine Maschine die versprochene Revolution im Computerwesen einleiten können. Der verwendete Chip von Google nutzt 105 winzige supraleitende Schaltkreise, um Informationen als Qubits zu speichern – das Quantenäquivalent zu klassischen Bits. Diese werden bis knapp über dem absoluten Nullpunkt heruntergekühlt, sodass sich die Elektronen im Inneren wie ein einzelnes Quantenteilchen verhalten. Allerdings sind die Zustände sehr empfindlich; kleinste Störungen führen dazu, dass sie innerhalb kürzester Zeit – in der Regel in Millisekunden – ihren überlagerten und verschränkten Quantenzustand verlieren und einen festen Wert (0 oder 1) annehmen. Falls das während einer Berechnung passiert, entstehen Fehler.
Die besagte Rechenaufgabe, die Quantencomputer nun offenbar so viel schneller lösen können, hat mit der Durchmischung von Quanteninformation zu tun. Um zu untersuchen, wie Quanteninformationen durchmischt werden, verwendeten die Google-Forscher einen Trick, den sogenannten Out-of-Time-Order-Correlator (OTOC). In einer Pressekonferenz zu den neuen Ergebnissen beschrieb Hartmut Neven, Leiter der Quantencomputer-Abteilung bei Google, OTOCs als »Maß dafür, wie schnell Informationen in einem stark verschränkten System übertragen werden«. Das OTOC-Protokoll funktioniert anschaulich erklärt so: Man nimmt einen Rubik-Würfel und bringt ihn mit einer bestimmten Folge von Drehungen durcheinander. Dann fügt man eine weitere Drehung hinzu und führt die erste Sequenz in umgekehrter Reihenfolge durch. Der erste und der letzte Schritt – das Durch- und Entmischen – heben sich auf, sodass man die Auswirkungen der Drehung in der Mitte untersuchen kann. Das Team selbst vergleicht seine Methode mit der Kartierung einer Höhle anhand von Echos, daher auch der Name des Algorithmus.
Quantenvorteil hält meist nicht lange vor
»Verschiedene Systeme verarbeiten Daten auf unterschiedliche Weise«, sagt Shenglong Xu, Quanteninformationstheoretiker an der Texas A&M University, der nicht an der Google-Forschung beteiligt war. »Die Art und Weise, wie die Informationen verarbeitet werden, gibt Aufschluss über die Beschaffenheit des Systems.« Erkenntnisse über den Quanteninformationsfluss könnten sogar Details liefern, die es Quantenphysikern ermöglichen würden, mit ihren Maschinen präzise Molekülsimulationen durchzuführen.
Die drei Gutachter des »Nature«-Artikels äußerten sich in anonymisierten Berichten, die Google »Scientific American« zur Verfügung stellte, weitgehend positiv über die technische Leistung. Ein Gutachter lobte die Arbeit als »wirklich beeindruckend«, da sie »experimentellen Zugang zu solch subtilen Quanteninterferenzeffekten« biete. Es herrscht jedoch Uneinigkeit darüber, inwieweit Google einen echten Quantenvorteil nachgewiesen hatte.
Frühere Behauptungen von Quantenvorteilen wurden immer wieder widerlegt, weil sie kurz nach der Veröffentlichung von verbesserten klassischen Algorithmen übertroffen wurden. Beobachter sind deshalb inzwischen zurückhaltend. Die Leistung des Google-Teams »scheint jenseits dessen zu liegen, was wir derzeit mit klassischen Methoden erreichen können«, sagt Xu. »Es ist ein sehr interessanter Beitrag zu diesem Gebiet.«
Das Google-Team hat sich bereits drangemacht, das Versprechen einzulösen und die ersten Schritte hin zur Lösung eines echten Problems in einem Preprint-Artikel veröffentlicht. Die Forschenden wandten ein OTOC-Protokoll an, um den Abstand zwischen zwei Wasserstoffatomen zu bestimmen. Obwohl die Simulationstechnik selbst noch nicht schneller ist als klassische Ansätze, scheint sie mit den experimentellen Ergebnissen übereinzustimmen.
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