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Buchkritik zu »Brennpunkt Infektiologie«

Ohne Zweifel: Infektionskrankheiten sind derzeit "en vogue". Wenn innerhalb von sechs Wochen ein deutscher Kameramann am Gelbfieber und eine junge Kunststudentin am Lassa-Fieber sterben, ist das jedes Mal eine Meldung in der Tagespresse wert; und der Nachricht von einem Erdbeben oder einer Flutkatastrophe folgt regelmäßig der Hinweis, dass der Bevölkerung jetzt "Seuchen wie Typhus und Cholera drohen". Die Renaissance der Infektionskrankheiten hat zahlreiche Gründe. Zum einen kehren alte, längst besiegt geglaubte Seuchen wieder zurück; die Tuberkulose ist ein Musterbeispiel. Zum anderen werden Jahr für Jahr neue Krankheitserreger entdeckt (seit 1960 mehr als drei Dutzend), die bis dato ein Schattendasein führten. Drittens wirft die Infektionsmedizin derzeit alte Dogmen reihenweise über den Haufen: Krankheiten, die man über Jahrzehnte zum Beispiel dem Stress zuschrieb (Magengeschwür) oder die man für eine Immunkrankheit hielt (Morbus Crohn), sind in Wirklichkeit Folge einer Infektion mit definierten Krankheitserregern. Ein Buch mit dem Titel "Brennpunkt Infektiologie" passt also zum Zeitgeist. Umso mehr, wenn der Leser ein ganzes Potpourri von bakteriellen, viralen und parasitären Krankheitserregern, deren Entdeckungsgeschichte und mikrobiellen Eigenarten vorgestellt bekommt. Von Tropheryma whippelii über Cyclospora cayetanensis bis hin zum Pappataci-Fieber reicht das Spektrum teilweise rarer, aber infektionsmedizinisch höchst interessanter Erreger, über das auch der Fachmann in der Regel nur zufällig etwas zu lesen bekommt. Den Autoren, vier Ärzte und ein Naturwissenschaftler, die sich hauptberuflich oder als Hobby mit Mikroben beschäftigen, ist es gelungen, Infektionsmedizin konzise, manchmal sogar unterhaltsam, aber gleichwohl immer sachlich fundiert darzustellen. So werden bei jedem Erreger auch unterschiedliche wissenschaftliche Meinungen dargelegt und durch die entsprechende Fachliteratur belegt. Selbst Mikroben, die erst im letzten Sommer entdeckt wurden, wie das malaysische Nipah-Virus, sind vertreten. Das Buch ist gut bebildert und hervorragend strukturiert; aber es ist in erster Linie für den infektionsmedizinisch interessierten Arzt geschrieben. Dies zeigt sich nicht nur in der Diktion und im Aufbau der einzelnen Kapitel (Mikrobiologie des Erregers, Pathogenese, Klinik, Diagnostik, Therapie), sondern indirekt auch an der Unterstützung, die das Werk durch die pharmazeutische Industrie erfahren hat. Für den "normalen" Naturwissenschaftler oder gar den medizinischen Laien ist das Buch nicht geeignet. Ein zweiter Wermutstropfen ist die Auswahl der abgehandelten Krankheitserreger. Bakterien und Viren sind eindeutig überrepräsentiert; unter den Parasiten werden die – als Krankheitserreger extrem seltenen – Babesien erwähnt, nicht aber infektionsmedizinisch weitaus bedeutendere Erreger wie die Leishmanien oder die Amöben.
  • Quellen
Spektrum der Wissenschaft 11/00

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