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»Heimliche Herrscher«: Planet der Insekten

Ulrich Schmids Begeisterung ist ansteckend. Sein fundiertes und unterhaltsames Buch erschließt gekonnt die Vielfalt des Insektenreichs.
Rote Waldameise unter einem Mikroskop

Insekten begegnen uns überall auf der Welt. Doch meist verbinden wir eher negative Erfahrungen mit ihnen: Stechmücken, die uns an lauen Sommerabenden plagen und Krankheiten übertragen können, Wespen, die uns unseren Kuchen streitig machen, oder Motten, die unsere Kleider und Lebensmittel befallen. Insekten haben aber so viel mehr zu bieten, denn: Ohne Insekten geht gar nichts. Ob bei der Bestäubung von Pflanzen, dem Recyceln von Kadavern oder als unersetzliche Bestandteile in Nahrungsnetzen: Insekten nehmen Schlüsselrollen in allen Land-Ökosystemen ein. Sie haben überall ihre Finger beziehungsweise Tarsen (das Pendant im Insektenreich) im Spiel. Sie sind die heimlichen Herrscher der Erde, wie es der Titel des Buches von Ulrich Schmid, dem ehemaligen Leiter der Abteilung Kommunikation am Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart, verrät. Er lädt mit diesem Buch dazu ein, sich frei von Vorurteilen und neugierig auf die spannende und oft verborgene Welt der mit Abstand artenreichsten Tiergruppe der Erde einzulassen.

Das Buch ist in sechs Kapitel gegliedert. Es beginnt mit einer allgemeinen Übersicht über den Planeten der Insekten, geht dann auf ihren »Aufbau« ein, ihre Jugend, ihren Sex und ihre »Supersinne«. Den Abschluss bildet ein Kapitel über verschiedene Lebensformen von Insekten – als Vegetarier, Jäger oder Parasiten. Jedes Kapitel startet mit Hintergrundwissen und ist bestückt mit Beispielen aus der Insektenwelt zum jeweiligen Thema. Auffällig sind die sehr schönen, hochwertigen Bilder der beschriebenen Tiere. Der Leser erfährt zum Beispiel, warum Insekten in ihrer Größe begrenzt sind oder wie die Farben der Schmetterlinge zustande kommen; aber auch, warum die Mistbiene häufig mit der Honigbiene verwechselt wird und man früher sogar fälschlicherweise dachte, dass man aus Ochsenkadavern Honigbienen züchten könne. Schmid beschreibt die grandiose Orientierungsleistung von Wüstenameisen, die den Eingang ihrer Höhle, ein kleines Loch im Boden, in einer kargen Wüstenlandschaft immer wieder finden; und auch die Fähigkeiten der Kiefernprachtkäfer, die einen siebten Sinn für Feuer haben, weil sie ihre Eier ausschließlich nach dem Abflauen eines Feuers unter verkohlte Rinde legen.

Von Sprintern, Gräbern und Springern

Viele dieser Beispiele dienen menschlichen Ingenieuren als Inspiration für innovative Technologien und verknüpfen so die Welt der Insekten mit der des Menschen. Die Begeisterung des Autors für das Thema merkt man dem ganzen Buch an. Die Texte sind spannend zu lesen, fachlich fundiert und haben einen schlüssigen Aufbau. Dabei werden nötige Fachbegriffe verständlich und wie nebenbei eingeführt. Verweise ermöglichen ein Nachlesen, wenn man das Buch querliest oder zuvor Gelesenes wieder vergessen hat. Zur Veranschaulichung vermenschlicht Schmid Insekten, indem er beispielsweise von dem »Sprinter«, dem »Gräber« oder dem »Springer« im Insektenreich spricht. Er ordnet aber auch ein, dass nicht alles übertragbar ist: Beispielsweise ist Sex beim Menschen nicht nur evolutionär, sondern auch kulturell geprägt, und Fortpflanzung ist nicht das einzige Ziel im Leben eines Menschen – im Gegensatz zum Insektenleben. Die bildlichen Beschreibungen der Insektenwelt helfen, diese besser zu verstehen, und zeugen vom Talent des Autors für wissenschaftliche Kommunikation.

Schmid spricht mit diesem Buch alle Leser an, die sich für Insekten interessieren, aber auch diejenigen, die der Insektenwelt noch eine zweite Chance geben möchten. Und wenn der Leser am Schluss des Buches immer noch kein Insektenfan sei, so Schmid, dann bleibt nur die Flucht aufs offene Meer. Aber selbst dort könne man weitwandernden Insekten wie dem Monarchfalter oder Schwebfliegen begegnen.

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