»Meeresleuchten«: Leider kein richtiger Wissenschaftsroman
Vivienne arbeitet als wissenschaftliche Hilfskraft in einem Forschungsprojekt zur Untersuchung der lokalen Meeresfauna vor der Küste Neufundlands. Immer wieder tritt dort seit einiger Zeit ein rätselhaftes Meeresleuchten im Wasser auf. Eines Tages geht Vivienne eine fischartige Kreatur ins Netz – offenbar der Auslöser des Phänomens. Sofort spürt sie eine Verbindung zu dem der Wissenschaft bislang unbekannten Wesen, das sie für weiblich hält. Doch ihre Vorgesetzten sehen in der Kreatur nur eine Möglichkeit, ihre Karriere voranzutreiben.
»Meeresleuchten« ist der erste Roman der Autorin Melissa Barbeau. Er erschien 2018 im englischsprachigen Original in Kanada. Optisch besticht das Buch durch sein schönes Cover, eine Bearbeitung der Tafel 49 aus Ernst Haeckels »Kunstformen der Natur« aus dem Jahr 1904. Auch die Geschichte klingt, wenngleich sie keinen neuen Ansatz verfolgt, anfangs vielversprechend: Welcher Art gehört die Kreatur an, und wieso fühlt sich Vivienne beinahe instinktiv zu ihr hingezogen? Wie weit darf Wissenschaft gehen, wenn sie mit Schmerz empfindenden Lebewesen forscht? Sind Menschen in der Lage, sich mit Organismen aus Lebensräumen, die anders sind als ihre eigenen, zu identifizieren?
Viel Raum für Charaktere, wenig für die Forschung
Diese Fragen thematisiert der Roman leider nur recht vage. Anstatt die Beziehung zwischen Vivienne und dem Wesen in den Mittelpunkt zu stellen, zieht sich die Handlung mehr an den Beziehungen der einzelnen Charaktere zueinander auf, aus deren jeweiligen Sichtweisen erzählt wird.
Insgesamt wirken die Charaktere jedoch zu flach, um nachhaltig Eindruck zu hinterlassen. Allenfalls die karriereorientierte, zu Wutausbrüchen neigende Vorgesetzte Viviennes und ihr Supervisor, der Vivienne auf verwerfliche Weise einzuschüchtern versucht, damit sie ihr Wissen um die Kreatur für sich behält, erzeugen beim Lesen Frust. Das mag teilweise aber auch an ihrer überzeichneten Darstellung durch Sätze wie »Sie ist ein Bulle, ein Nashorn, ein dampfender Güterzug. Ihre Augen glühen rot wie Kohlenstücke« liegen.
Angenehm zu lesen und stellenweise poetisch ist der Roman dennoch. Mitunter erzeugt er – vor allem durch die offenen Fragen etwa zum Wesen der Kreatur – auch Spannung. Wer sich darauf allerdings Antworten oder eine vertiefte Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Fragestellungen zum Thema Meeresbiologie erhofft, wird durch die Lektüre wahrscheinlich eher enttäuscht.
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