Hirnforschung: Was Hirn und Computer unterscheidet
Das Innenleben eines Computers zeigt eine Welt, die exakt auf dem Reißbrett entworfen ist. Jedes Element hat seine spezifisch zugewiesene Aufgabe: der Datenspeicher, der Prozessor und das Programm. Der Computer agiert in einer vollkommen deterministischen Welt. Mit neuen Software-Entwicklungen versuchen Ingenieure heute, das Verhalten des Menschen auch in Maschinen zu simulieren. Das Fach gehört nicht mehr zur klassischen Informatik, sondern zur Robotik. Roboter agieren nicht in einem geschlossenen System, sondern nehmen Umwelteinflüsse über Sensoren auf und können dadurch in Grenzen lernen. Sensoren als "Außenorgane von Robotern" treffen im Innenbereich aber weiterhin auf die klassische Von-Neumann-Architektur. Diese ist für die Verarbeitung einer großen Zahl von außen eintreffender Daten wenig geeignet.
In der realen Welt, in der sich der Mensch mit einer mächtigen Datenflut in Echtzeitverarbeitung zurechtfinden muss, hat sich deshalb ein ganz anderes Modell entwickelt: Es gibt keine klare Arbeitsteilung der einzelnen Elemente. Neuronen sind Miniatur-Prozessoren, die ihren Datenspeicher integriert in sich tragen und auch die Datenverarbeitung übernehmen. Milliarden parallel arbeitender, dezentraler Neuronen stehen untereinander in einem dynamischen, gewaltigen Netzwerk in direkter ständiger Verbindung. Aber es gibt im Gehirn noch einen weiteren gravierenden Unterschied gegenüber dem klassischen Computer: Jede eingehende Nachricht verändert die interne Netzstruktur und damit auch die Datenübertragung. Von außen betrachtet scheint das chaotisch, aber implizit ist es hochgradig organisiert und automatisiert.
Mit unseren tiefer werdenden Einsichten in die Funktionsweise des Gehirns will die Informatik nun den Zauber menschlichen Denkens in eine Maschine packen. Neuromorphic Computing heißt die noch reichlich extravagante Disziplin, die die Arbeitsweise des Gehirns in einer Maschine nachahmen will. Es geht um Gewaltiges – um den Sturz der Von-Neumann-Architektur zu Gunsten eines für unsere Technik revolutionär neuen Prinzips, eben einer neuromorphen Rechnerarchitektur. In Heidelberg arbeitet Prof. Karlheinz Meier mit einem Team von Spezialisten an den ersten Konzepten dafür. Hier hat man sich als erste Teilaufgabe den nachrichtentechnischen Nachbau der elektrischen Übermittlung von Informationen in Neuronen und Synapsen gestellt.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.