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Wer will schon Atomkraftwerke? Wer will Kohlekraftwerke? Niemand! Sie alle spucken um den Preis der elektrischen Energie eine Menge unangenehmer Dinge aus! Wer will Wasserkraftwerke? Als begeisterter Angler sind sie mir ein riesiger Schaden an der Ökosphäre.
Wenn ich dennoch Energie nutze, sollte ich überlegen, welche Anlage den geringsten und welche den größten Schaden stiftet. Letzteres scheint für mich eindeutig das Kraftwerk zu sein, das den weltweiten Klimawandel am schnellsten vorwärts treibt.
"In Frage steht, ob der GAU als ein so großes Übel zu betrachten ist, dass es (...) unverantwortlich wäre, weiterhin auf Atomstrom zu setzen – oder eben nicht." In der Not frisst der Teufel Fliegen! Die Frage ist eher, brauchen wir zwingend Atomstrom? Die Antwort ist: nein! Dann geht es nicht nur um das unmittelbare Übel, sondern auch um langfristige. Was ist mit dem Atommüll? Wer will (vor allem wie) sicherstellen, dass wir damit nicht einen anderen GAU verursachen, wenn wir längst tot sind? Ob ein Für und Wider abzuwägen ist, muss jeder für sich entscheiden. Vom ethischen aus muss man aber immer eins im Auge haben: Es gibt Dinge, die sind unverantwortlich!
In die Entscheidung "bin ich für die Nutzung der Kernenergie oder dagegen" fließen bei jedem Individuum die gleichen Faktoren ein - jedoch mit einem unterschiedlichen persönlichen Gewicht.
Die Eintrittswahrscheinlichkeit und -häufigkeit, der entstehende Schaden, der Gewinn aus der Nutzung der Kernenergie und der aus der Nutzung anderer Energiequellen sind zwar empirisch belegbare Größen die allgemein gelten, es sind aber die Präferenzen des Einzelnen, die die Gesamtformel und deren Ergebnis bestimmen. Und obwohl jeder Soziologe aus den angegebenen Größen eine Formel erstellen kann, wäre nur durch repräsentative Umfragen, die die persönlichen Gewichte ermitteln, eine Grundhaltung der Bevölkerung festzustellen.
Gibt es solche Umfragen bereits und sind sie statistisch korrekt?
Was für ein „toller“ Artikel! 2005 (±1) wurde eine Kohorte befragt, die damals 10 Jahre ihr Abitur oder ihren Realschulabschluss hatte, = 1995. Es war noch ein deutlicher Unterschied zwischen DDR/BRD-Herkunft sichtbar. Oh Wunder, so kurz nach der Wiedervereinigung! Dann noch n = 67, eine „umfangreiche“ Netzwerkanalyse mit 50 Personen (117 – 67), also weniger als einen Netzwerkpartner pro Testperson, und dafür >6 Jahre Auswertungszeitraum für 117 Interviews. Zusätzlich zur problematischen wissenschaftlichen Vorgehensweise erzürnen mich die politischen Aussagen auf dieser mageren Datenbasis; bis hin zur Forderung der Aufhebung des Ehegatten-Splittings! Natürlich sind auch Wissenschaftler Bürger mit politischer Meinung, wenn sie jedoch als Wissenschaftler auftreten, dann bitte objektiv und nach Bohrung etwas dickerer Bretter.
Stellungnahme der Redaktion
Beschränken wir uns auf den sachlichen Kern der Bemerkungen von Herrn Prof. Dr. Nies und darin auf vier Unterpunkte:
1.) Wir haben für die Auswertung von 117 Interviews nicht 6 Jahre benötigt. Ergebnisse der Studie wurden seit 2005 auf zahlreichen nationalen und internationalen Fachkonferenzen vorgestellt und in renommierten, internationalen Fachzeitschriften (u. a. "European Journal of Population", "Current Sociology") publiziert. Eine Publikationsliste stellen wir auf Anfrage gern zur Verfügung. Im Übrigen veralten qualitative Interviews nicht nach wenigen Jahren – ebenso wenig wie quantitative Datensätze –; sie bieten reichhaltige Informationen, die mit verschiedenen Methoden (Grounded Theory, Objektive Hermeneutik, Diskursanalyse und andere) auszuwerten auch Jahre danach noch sinnvoll ist.
2.) Die Fallzahl von 67 Befragten ist für eine qualitative Analysemethode wie die unsere nicht zu gering. Es geht nicht darum, die Verteilung von Merkmalen in der Bevölkerung durch eine repräsentative Stichprobe zu ermitteln, sondern subjektive Sinnzusammenhänge und Handlungslogiken von Akteuren zu rekonstruieren. Dazu wurden im Verlauf der letzten Jahrhunderte in den Sozial- und Geisteswissenschaften eine Reihe von erprobten und validierten Verfahren entwickelt, deren wir uns bedient haben. Unser Vorgehen entspricht den aktuellen wissenschaftlichen Standards in diesem Bereich, und wir nehmen für uns in Anspruch, typische Handlungslogiken, die bei der Entscheidung zur Elternschaft und bei der Gestaltung von Paarbeziehungen relevant werden, intersubjektiv nachvollziehbar rekonstruiert zu haben.
3.) Es ist für Herrn Prof. Nies offenbar nicht verwunderlich, dass auch knapp 15 Jahre nach dem Umbruch in der DDR – unsere Interviewten wurden in den Jahren 2004/05 befragt – noch erhebliche Mentalitätsunterschiede zwischen Ost- und Westdeutschen bestehen, die auch für die Frage nach der Entscheidung zur Elternschaft von Bedeutung sind. Ganz im Gegensatz zu dieser Einschätzung gingen fast alle politischen Akteure in den 1990er Jahren sowie die sozialwissenschaftliche Forschung lange Zeit von einem sehr viel schnelleren "Zusammenwachsen" der beiden deutschen Bevölkerungen und einer Angleichung auch der Mentalitäten auf einem – imaginären – westdeutschen Niveau aus. Für uns wie auch für eine große Zahl von Fachkollegen, mit denen wir in Kontakt stehen, sind die keineswegs linearen und zum Teil unerwarteten soziokulturellen Entwicklungen in beiden Teilen Deutschlands in ihren Einzelheiten nach wie vor ein bedeutendes Forschungsgebiet.
4.) Für uns ist es selbstverständlich, dass es sich bei wissenschaftlichen Erkenntnissen und dem politischen Diskurs um zwei unterschiedliche Bereiche handelt. Ebenso selbstverständlich entwickelt ein Sozialwissenschaftler jedoch eine Meinung zu "gesellschaftlichen Konsequenzen" der eigenen Forschung und muss sie äußern dürfen. Unser Eintreten für eine flexiblere Gestaltung des Steuersystems (nicht etwa für eine ersatzlose Aufhebung des Ehegattensplittings) ist zudem nicht lediglich eine "haltlose Privatmeinung", sondern eine verbreitete, an den veränderten Erwerbs- und Lebensverhältnissen großer Teile der Bevölkerung orientierte Position in der politischen Debatte. Sie wird durch unsere Befunde in der Tat gestützt.
Ein Quantenteilchen kann zwar Überlagerungen mehrerer Zustände speichern, wird aber bei einer Messung einen der Zustände mit einer gegebenen Wahrscheinlichkeit abliefern. Erst durch wiederholte Durchführung des Experiments offenbart sich die Überlagerung in der Statistik.
Es ist auch nicht so, dass ein Quantencomputer für bestimmte Aufgaben schneller ist; er folgt lediglich einer anderen Komplexitätsordnung, was jedoch über den Gesamtzeitbedarf noch nichts aussagt.
Quantencomputer sind damit theoretisch für einige Aufgaben komplexitätstheoretisch skalierbar, während der Zeitaufwand für klassische Computer bei zunehmender Aufgabengröße exponentiell steigt. Ob Quantencomputer aber nicht letztendlich an der Absolutzeit und der Skalierbarkeit der Registergröße - hier haben die klassischen keine Probleme - ebenfalls scheitern, ist noch lange nicht ausgemacht. Jedenfalls sieht es in Summe derzeit weniger gut aus, als in solchen Berichten wie oben immer Glauben gemacht werden soll. Aber irgendwie muss man ja an Forschungsgelder kommen.
Vorweg: Ich halte auch diesen Artikel (wie schon den von Tobias Schlicht) für einen gelungenen philosophischen Beitrag, weil auch Sabine A. Döring den Problemen in die relevanten einzelwissenschaftlichen Forschungen folgt – also keine Lehnstuhlphilosophie produziert. Das ist für meinen Geschmack eine Forderung, die man inzwischen wohl billigerweise an ernstzunehmende Philosophen und Philosophinnen stellen kann.
Ich möchte hier ungeachtet dieser Wertschätzung allerdings eine alternative Argumentation präsentieren: eine reduktionistische Position (unter Nichtvernachlässigung emergentistischer Aspekte) zu den vorliegenden Problemen, die mir bisher zu wenig bis überhaupt nicht diskutiert scheint. Dazu gehört sehr prominent die These, dass es, was Erkenntnisversuche betrifft, nur einen graduellen Unterschied zwischen Denken und Fühlen gibt, keinen qualitativen, weil beides in einem Gehirn stattfindet, das diesen Unterschied in seinen kalkulativen Funktionen nicht kennt. Denken ist so gesehen klareres Fühlen bzw. Fühlen ist unklareres Denken. Es ist in dieser Sichtweise deshalb auch prinzipiell egal, ob wir durchgehend von Fühlen oder durchgehend von Denken reden wollen. Beides sind nur Formen der Konstruktionsversuche ein und derselben Kalkulation, die wir Wahrnehmung nennen (ob nun intro- oder extrospektiv). Daraus folgt trivial, dass es kein Denken ohne Fühlen und kein Fühlen ohne Denken gibt. Das sieht die Autorin anders. Sie glaubt an Wechselwirkungen zwischen Emotionen und Gedanken. Man kann das als Sprechweise natürlich beibehalten, weil der Identismus recht sperrige Ausdrucksweisen liefern müsste (etwa: der Hirnprozess H1 hat gerade den Hirnprozess H2 auf die Weise W3 beeinflusst und das ist äquivalent mit dem Gedanken G4 … oder dergl.).
Auf diskreter Ebene sollte man sich allerdings klarmachen, dass es Wechselwirkungen nur zwischen verschiedenen Hirnteilen bzw. -prozessen gibt. Es handelt sich dabei immer um Kalkulationen: Mehrheits- und Stärkegewichtungen neuronalen Feuerns, welches wir dann auf widerstreitende Meinungen ein und derselben Person abbilden abzubilden hätten. Bildhaft denke ich an eine Skala von sehr primitiven bzw. elementaren Kalkulationen, die wir gewöhnlich Emotionen nennen (Hunger, Durst etc.), die sozusagen hochführt über einen Bereich, den wir gewöhnlich Denken nennen bis es am anderen Ende wieder zu dem führt, was wir diesmal allerdings als hochwertige bzw. komplexe Emotionen bezeichnen würden. Man weiß von vielen Wissenschaftlern, dass ihnen das letzte Glied in einer Theoriebildung etwa im Schlaf geliefert wurde …, also aus einer arg gefühlvollen Welt – das Wachbewusstsein hatte sich da offenbar zu sehr verkrampft. Wenn wir akzeptieren, dass es kein Gefühl ohne ratiomorphe Struktur gibt, sollte uns das nicht mehr so sehr überraschen. Aus dieser Charakterisierung folgt, dass es gleichgültig ist, ob wir Hirntätigkeiten durchgehend als Fühlen oder durchgehend als Denken bezeichnen. Diskret geht es offenbar nur um Intensitäten von Wechselwirkungen bestimmter Hirnprozesse.
Döring kennt „ein ganzes Spektrum emotionaler Einflussnahme auf unsere Vernunfturteile und Handlungen. Interessant wird es dann, wenn eine Emotion uns dazu bewegt, ein Werturteil zu fällen, das wir anderenfalls nicht gefällt hätten, oder eine Handlung auszuführen, die unserem überlegten Vernunfturteil widerspricht.“ (S. 67)
Eine neutralere Beschreibung, die keinen Unterschied zwischen Denken und Fühlen macht, könnte lauten: In unseren Engrammen oder in neu hereinkommender kultureller Information können wir Korrekturverwertbarkeit an älteren Urteilen entdecken. Das kann sich subjektiv sicherlich sehr gefühlvoll bemerkbar machen, aber ohne eine entsprechende Wertreputation des jeweiligen Gefühls würden wir unser altes Urteil nicht ändern. Diese Emotion muss also mit einem sensibleren Werturteil identisch sein. Wir würden ein altes Vernunfturteil nicht ändern, wenn es sich bei der Emotion nicht um ein Werturteil handelte, das auch unsere Vernunft mehr überzeugt als unser älteres Werturteil. Denn unsere Vernunft muss in diesem Fall ja damit befasst sein, die Integrität unseres Wertesystems zu erhalten. Ein sensibleres Werturteil gegenüber einem unsensibleren ist dann so ein Vernunftgrund. Döring hat diese Problematik an ‚Huck Finn’ exemplifiziert. Der Unterschied zu meiner Argumentation ist nicht unerheblich.
Wahrnehmungen sind Hirnprozesse – auch wenn das manchmal in Vergessenheit gerät, weil man bei dem Begriff ‚Wahrnehmung’ wohl häufig rein intuitiv erst einmal an die Sinne bzw. an Sinnesreize denkt. Aber Wahrnehmungen sind mehr oder weniger bewusste Interpretationen von Sinnesreizen, denn hier wird ja tatsächlich etwas für ‚wahr’ genommen bzw. gehalten. Es handelt sich also um Erkenntnisversuche (anthropomorph sind es dann eben Urteile oder Vorstellungen).
Döring schreibt über die Position, die auch sie vertritt, sie betone „die Analogie zwischen Emotionen und Wahrnehmungen – oder setzt sie sogar gleich.“ (S. 66) Das ist natürlich einigermaßen disjunktiv formuliert. Ich weiß überdies nicht, ob sie mir in meine Definition von ‚Wahrnehmung’ folgen mag. Täte sie es, und setzte sie Emotionen und Wahrnehmungen tatsächlich gleich, könnte sie Antonio Damasios Identismus von Körperprozessen und Emotionen eigentlich gar nicht mehr vermeiden. Man kann vielleicht schon an dieser Stelle festhalten, dass rein geisteswissenschaftlich inspirierte Begriffsstapel (Gefühl, Emotion, Feeling) terminologisch überflüssig werden, weil sie funktionell allesamt hirnorganisch vorhanden sind. Deshalb stellen wir uns einfach alle mal vor, wir müssten plausibel zum Identismus argumentieren. Döring hat den Begriff Gefühl dichotomisiert in Emotion und Feeling. Das sollten wir dann nur noch als materielle Wechselwirkungsphänomene in unseren Gehirnen/Körpern betrachten. Wir sagen dann auch konsequent: wir SIND unsere Gehirne/Körper – nicht, dass wir welche ‚haben’ … Emotionen haben wir – nun, als brandneue Identisten - schon als hirnorganisch bzw. körper-intrinsisch anerkannt. Bleibt also das ‚Feeling’ als typischer Vertreter der subjektiven Erfahrung. Ich finde, das betrachten wir jetzt, wo wir schon dabei sind, ebenfalls nur noch als die Art, wie wir unsere Hirnprozesse plus Körperprozesse ‚wahr’-nehmen. Ob wir das als Bewusstsein bezeichnen wollen, ist hier nicht weiter interessant, denn auch das Bewusstsein (auch in seiner introspektiven Variante übrigens) ist nur ein Erkenntnisversuch unter anderen.
Aus der Physik ist uns bekannt, dass nur Gleiches mit Gleichem wechselwirken kann. Die Physiker meinen damit, dass Materie nur auf Materie wirken kann – insbesondere nicht auf ‚Substanzen’ die noch nirgends gefunden wurden, also etwa ‚nichtmaterieller Geist’ oder dergl. Umgekehrt gilt das natürlich genauso. Wir müssen uns daran gewöhnen, dass alle Wechselwirkungen in unserem Universum und damit auch in uns materieller Art sind. Wem der Begriff der Materie auch noch zu idealistisch oder schlicht nicht diskret genug erscheint, der kann hier von Energie-Masse-Wechselwirkungen sprechen. Die Diskretion dieser Sprechweise wird von E=mc2 prominent garantiert – egal, ob man nun eher Strings oder die Teilchen des Standardmodells als Ansprechpartner bevorzugt.
Aber machen wir weiter mit der Biologie: Wir betrachten jetzt einfach mal Gedanken, Urteile, Vorstellungen, Emotionen und Feelings als informational äquivalent und als unsere Art bzw. unseren Subjektivismus, bestimmte Wechselwirkungen in unserem Gehirn/Körper wahrzunehmen. Dann können nämlich allesamt als bloß unterschiedliche Grade von Wahrnehmung betrachtet werden, jedenfalls nicht als Entitäten, die eine andere Qualität hätten als jede beliebige unbewusste Wechselwirkung in unseren Gehirnen/Körpern. Der einzige Unterschied ist, dass die oben genannten mit mehr oder eben weniger Bewusstsein verknüpft sein müssen. Für dieses Bewusstsein benötigen wir aber ebenfalls keine Extra-Entitäten – wir können es diskret, also ohne redundante geisteswissenschaftliche Begrifflichkeiten, als stärkeres neuronales Feuern (als es etwa bei unbewussten Wechselwirkungen auftritt) und im Zusammenhang komplexerer neuronaler Vernetzung betrachten. Wenn wir Gedanken und Urteile auf ihren deduktiven Kalkulationscharakter reduzieren, können wir überdies auch andere höhere Tiere mitnehmen. Wenn wir auch noch Vorstellungen, Emotionen und Feelings auf ihre deduktive Kalkulationssystematik reduzieren, können wir ALLE Lebewesen mitnehmen, bis hinunter zum Einzeller. Sie alle können sich in der Umwelt orientieren. Orientierungsfähigkeit impliziert aber wenigstens irgendeine (rudimentäre) Form von Erkennungs- bzw. Erkenntnisfähigkeit. Wer nicht recht weiß, wo er diese Kalkulationssystematik (in Form eines gewissermaßen in der ganzen Zelle verteilten Erkennungs-‚Apparates’) in Einzellern verorten soll, kann in der molekularen Zellbiologie die Erfahrung machen, dass die DNA von ihrer zelleigenen Enzymatik (die außerdem über Rezeptoren mit der Umwelt wechselwirkt) etwa so kalkulativ gesteuert wird wie ein Rechner/Roboter von seiner Software, nur wesentlich plastischer, denn ein Einzeller muss nicht auf die jeweils neusten Chips von IBM warten. Er gestaltet seine ‚Chips’ über enzymatisch rezeptorielle Umweltwechselwirkung und über das enzymatische ‚An- und Abschalten’ bestimmter Gene (Polymerasen, also die ‚Leser’ der Gene, sind ebenfalls Enzyme). Die Mutationen sind natürlich zufällig, aber das Bedienen oder Unterdrücken bestimmter Gen-Befehle wird enzymatisch über die vorliegenden Informationen (Moleküle) in den Zellmembran-Rezeptoren oder im eigenen Plasma gesteuert.
Nachdem wir diesen reduktionistischen Weg gegangen sind, nehmen wir uns noch kurz den emergentistischen Weg in der anderen Richtung vor. Wenn wir beim Aufsteigen von den Elementarteilchen, Atomen, Molekülen und schließlich den biologischen Zellen zu immer komplexeren biologischen Systemen gelangen, also zu immer stärkeren ‚Summenüberhängen’ der entsprechenden Emergenzen, können wir sehen, dass es sich hier um einen reinen Funktionszuwachs handelt, denn die Anzahl der Teilchen bzw. ihre Energieerhaltung bleibt ja immer die gleiche. Und nur dieser Funktionszuwachs ist gemeint, wenn man im Zusammenhang der Emergenzen davon spricht, das ‚das Ganze mehr sei als die Summe seiner Teile.’ In Bezug auf die Teilchen oder die Energien ist dieser Satz natürlich falsch. Er wird erst wahr, wenn wir den Zuwachs an Funktionen bzw. den Zuwachs der Eigenschaften des Systems als Ganzes ansprechen. In einer Autowerkstatt findet man alle Autoteile einzeln. Aber wir wissen, dass die erst in der geeigneten Form zusammengesetzt fahren können. Wir sehen also, die Emergenzen eines Systems hängen von seiner (immer in der einen oder anderen Form fließenden) Kombinatorik ab. Jetzt sehen wir auch, dass die emergente Beschreibung nicht im ‚Widerspruch’ zur reduktionistischen steht, sondern durch ihre Komplementarität die nötige Klarheit in den Energie- und in unserem Fall in den biologischen Wechselwirkungs-Reduktionismus bringt.
Zu meinem biologischen Lieblingsthema, den deduktivistisch strukturierten Kalkulationen schon der Einzeller in ihrer (selbstverständlich unbewussten) Umweltorientierung, bin ich nur so kurz hinabgestiegen, wie wir es für diese Diskussion benötigen – im Hinblick auf die evolutionär relevanten Aspekte bei der Entwicklung von biologischen Erkenntnisapparaten. Wir sollten uns klarmachen, das Neuronen sich, bis auf ihre neuronalen Zutaten, nicht von andern Zellen unterscheiden, auch nicht sonderlich von Einzellern. Bleiben wir mal bei den Eukaryonten. Es gibt sie als Einzeller mit membranisiertem Zellkern. Unsere Gehirnzellen und unsere Körperzellen sind aber ebenfalls Eukaryonten. Es scheint also eine direkte Evolution vom ‚Einzeller zu Einstein’ (Popper) zu geben, in der nichts weggeworfen wird, was gut funktioniert. Wir sollten also vielleicht ein bisschen vorsichtiger damit sein, immer wieder völlige Neuheiten bzw. Andersartigkeiten in Entitäten zu sehen, die eigentlich nur immer wieder neu kombiniert werden. Wir können diesen Gedanken vielleicht ganz gut auf unser Gehirn und unsere Art mit ihm die Welt und damit auch uns wahrzunehmen abbilden. Scheint es nicht vernünftiger, unsere Gedanken, Urteile, Emotionen etc. als permanent fließend veränderte Kombinatorik unserer Gehirn-Körper-Wechselwirkungen zu verstehen? Wir sparen uns damit unnötige und wohl auch irreführende Dualistik oder gar Trialistik in der gesamten Erkenntnisproblematik.
Ich hoffe hier gezeigt zu haben, dass man in den vorliegenden Problemzusammenhängen wesentlich reduktionistischer werden kann, ohne emergente Funktionsstufen des Gehirns zu vernachlässigen. Emergentistische und reduktionistische Beschreibungen werden immer noch gern gegeneinander ausgespielt – ohne tragende Argumente dazu. Versteht man, dass sie komplementär formuliert werden müssen, um in einer eindeutigen Erklärung aufgehen zu können, kommt man einem nichtnaiven Identismus schon wesentlich näher.
Kurze Zeit nachdem ich den Artikel zum Wurmgrunzen gelesen hatte, bin ich auf ein heiteres Gedicht von Nora Clormann-Lietz gestoßen, welches das gleiche Thema in nur sechs Zeilen aufgreift:
Regenwurm
Es fürchtet sich der Regenwurm vor jedem Regen oder Sturm. Vom Erdreich kommt er hochgekrochen, wenn leis die Tropfen darauf pochen. Drum klopft die Amsel mit den Beinen - und hofft auf Regenwurmerscheinen.
Im SdW-Artikel wurde nachgewiesen, dass Regenwürmer die von Maulwürfen ausgelösten Vibrationen fürchten und nach oben flüchten. Insofern wäre das Gedicht zu korrigieren. (Es fürchtet sich der Regenwurm vorm Maulwurf sehr, doch nicht vorm Sturm.)
Im Artikel von Kenneth Catania werden Silbermöwe und Waldbachschildkröte als Fressfeinde der Regenwürmer genannt, die den Fluchtreflex aktiv auslösen; dem Leserbrief von Wolfgang Leikauf kann man entnehmen, dass die im Gedicht genannte Amsel tatsächlich auch dazu gehört!
Beim Lesen des wohl als Übersicht über moderne Theorien der Emotion gedachten Artikels kam ich ins Nachdenken, und es fiel mir auf, dass ein Aspekt, der für mich relativ klar vor Augen liegt, offenbar in diesen Theorien, soweit sie hier dargestellt wurden, keine Rolle spielt. Es ist der Aspekt, dass Emotionen mir mit der erwarteten Zukunft verknüpft erscheinen. Ich denke mir das etwa so: Unser Gehirn versucht sich dauernd aus unseren Sinneseindrücken, Erfahrungen und vielleicht auch vorgeprägten Strukturen ein Bild von unserem Ist-Zustand zu machen. Aber das ist nicht alles, es bildet auch Erwartungen aus über unseren nächsten und übernächsten ... Ist-Zustand. Kurz: Es extrapoliert, es stellt sich etwas vor, noch bevor es eingetreten ist. Ohne solche Extrapolationen wären so grundlegende Dinge wie z.B. zielgerichtete Bewegung, Gehen, Fangen, Werfen ... nicht möglich. Im Gehirn ist nicht nur die Vergangenheit und die Gegenwart auf ganz bestimmte Weisen repräsentiert, sondern auch die extrapolierte Zukunft. Warum macht mir die Kreuzotter vor meinen Füßen Angst, nicht aber die im Buch oder im Film? Ich extrapoliere die Zukunft. Das erscheint mir auch als die Grundlage für die "motivierende Kraft" der Emotion: Motivation als Antrieb zur Beeinflussung der Zukunft. Auch die Ursache für den von Ihnen angesprochenen Unterschied, "ob man etwas erlebnisfrei für gefährlich hält oder es wirklich als gefährlich erlebt", kann man so erklären. Die Kreuzotter im Film erlebe ich eben als Kreuzotter im Film, die mich also nicht beißen kann, die vor meinen Füßen aber als Möglichkeit gebissen zu werden. (Besonders konzipierte Filme schaffen es allerdings unser Hirn durch Einsatz besonders raffinierter Bilder, Töne usw. von der Realität von Gefahren auf der Leinwand für uns selber zu überzeugen. Unser Hirn kann dann zwischen "realen" Situationen und Leinwand-Situationen nicht mehr unterscheiden.)
Auch "grundlose Emotionen" kann man in diesem Licht besser verstehen. Ich denke, unser Hirn extrapoliert sich nicht eine einzige Zukunft, sondern verschiedene Zukünfte mit verschiedenen Gewichtungen der Wahrscheinlichkeit des Eintretens dieser Zukünfte. Wenn nun "im Licht besseren Wissens" diese Zukunft widerlegt ist, heißt das noch nicht, dass ihre Repräsentanz im Hirn gelöscht ist. Sie lebt weiter, je stärker sie war. Sie hat sozusagen Trägheit. Unser Hirn hat ja Erfahrung mit mehreren Repräsentationen und das so genannte "bessere Wissen" ist zunächst, in diesem Sinn, nur eine weitere Repräsentation von Zukunft, wenn auch, für die meisten Menschen, eine besonders starke. Mit diesem Ansatz kann man auch erklären, dass "eine Emotion uns dazu bewegt, ein Werturteil zu fällen, das wir andernfalls nicht gefällt hätten". Im "Huckleberry Finn"-Beispiel wird das sehr deutlich. Die "reine" Vernunft kann sich ja nur auf Bekanntes beziehen. Sie geht von Prämissen aus und versucht aus diesen Prämissen Folgerungen zu ziehen. Zu diesen Prämissen zählt, dass Jim als Sklave kein Recht auf Freiheit hat. In den extrapolierten Zukünften als Teil der vom Hirn, vielleicht unbewusst wahrgenommenen Realitäten liegen aber andere Prämissen (eigentlich das falsche Wort, denn sie sind ja noch nicht eingetreten: Kann man Postmissen sagen?) vor. In der Extrapolation liegt für Huckleberry ein anderes Leben, ein Leben in Freundschaft mit einem freien Jim, im Hirn vor.
"Emotionen erweitern unsere Vernunft" weil sie auf ein größeres Repräsentationsfeld als die "reine" Vernunft reagieren, auf die extrapolierte Zukunft. Erweitern heißt dabei sicher nicht immer "Verbessern", so ist das wohl auch im Artikel nicht gemeint gewesen. Ich vertrete hier nicht die Meinung, dass wir etwa irgendwie die Zukunft vorherwissen würden. Es geht mir überhaupt nicht um die Wahrsagerei. Vielleicht lassen sich meine Überlegungen nicht auf alle möglichen Emotionen anwenden. Vielleicht ist das aber auch möglich. Ich möchte es wenigstens für einige Emotionen versuchen. Trauer: Ich kenne das Leben mit einem Menschen. In meiner Vor-Stellung tauchen viele Erlebnisse mit diesem Menschen auf, die aber nun ohne diesen Menschen ablaufen. Die Lücke wird in das Bekannte hinein extrapoliert und so wird das Bekannte zum Fremden, das Schöne zum Hässlichen, das Angenehme zum Unangenehmen.
Ekel: Vor manchen Dingen haben wir instinktiv Ekel. Ich kann extrapolieren, was geschieht, wenn ich mit etwas Ekelhaftem in Berührung komme. Es ist unangenehm. Dieses unangenehme Gefühl nehme ich vorweg. Reue: Ich habe etwas Schlechtes getan, eine "Sünde". Dadurch habe ich die Zukunft verändert. Bestimmte Dinge, die ich gerne hätte, gibt es in meiner extrapolierten Zukunft so nicht mehr. Ich leide unter dem Fehlenden. Liebe: In meiner Vor-Stellung passiert so viel Schönes, Angenehmes, Wichtiges in meinem Leben mit dem geliebten Menschen. Emotionen entstehen also daraus, dass wir in unserem Hirn, dauernd, ohne es zu wollen, weil das Hirn eben so ist, Zukunft extrapolieren und bewerten. Sie sind sehr lebendig, weil wir nicht scharf zwischen solchen Repräsentationen und den Repräsentationen des Ist-Zustandes trennen können. Aber wir haben einen Sinn für den Zeit-Unterschied. Dieser Sinn macht Emotionen möglich. Emotionen sind ein Ausdruck unseres Zeit-Sinnes.
Die Sichtweise des Skeptizismus ("Möglicherweise gaukelt uns ein Computer oder auch ein böser Geist die reale Welt nur vor") ist im praktischen Leben nicht einmal von theoretischem Interesse. Als wissenschaftliches Prinzip taugt es nichts, denn das wissenschaftliche Prinzip verlangt, dass Hypothesen zumindest prinzipiell falsifizierbar sein müssen.
Da könnte man genauso gut, wie es die Vetreter der satirisch gemeinten "Church of the Flying Spaghetti Monster" tun, behaupten, dass die Welt von einem fliegenden Spaghetti-Monster erschaffen wurde - und dann hinzufügen: "Niemand kann mich widerlegen."
Im "normalen Leben" sieht es für den Skeptizismus genauso "schlecht" aus. Niemand, der "einigermaßen bei Verstand ist", wird auch nur darüber nachdenken, ob Glatteis auch heute morgen noch genauso glatt ist wie all die Jahre vorher. Und wer doch versucht, alles zu überprüfen, wird (weil ja "immer wieder alles zu überprüfen ist") nie mit irgendetwas fertigwerden.
Man stelle sich nur einmal folgenden Dialog eines Ehepaares vor: "Do you love me?" - "Yes." "Do you love me really?" - "Yes, really." "But really really?" - Aargh.
Im "normalen Leben" kommen wir ganz gut damit klar, Heuristiken anwenden zu müssen, die sich bewährt haben.
Da ich davon ausgehe, dass auch die Vertreter des Skeptizismus im täglichen Leben den "gesunden Menschenverstand" benutzen bzw. benutzt haben, bedeutet dies streng genommen, dass sie selber nicht wirklich daran glauben.
Elke Brendel setzt sich in ihrem Artikel mit den Skeptikern auseinander, die es für möglich halten, dass die Welt, die wir mit unseren Sinnen aufnehmen, nur eine Täuschung ist.
Meine These lautet: Es gibt keine ernst zu nehmenden Skeptiker.
Hier der Beweis: 1. Ich selbst bin kein Skeptiker. 2. Aber in meiner Umwelt könnte es Skeptiker geben. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: sie haben Recht und die von mir wahrgenommene Welt ist lediglich eine Täuschung; oder sie haben nicht Recht. 3. Wenn sie nicht Recht haben, sind sie nicht ernst zu nehmen. 4. Wenn sie Recht haben, gehören sie zu der vorgetäuschten Welt, die ich mit meinen Sinnen wahrnehme. Die Skeptiker sind dann selbst eine Täuschung und es gibt sie gar nicht.
Wenn ich etwas an Spektrum schätze, dann die Vielfältigkeit der Beiträge.
Ein gutes Beispiel für einen gelungenen Artikel ist für mich "Schieblehre inspiriert Aufbau von Nanoringen" - allein das Intro mit der Schiebelehre bringt da schon vergnüglichen Wissensgewinn und macht neugierig auf den gesamten Artikel.
Hier zu Lande wird über den "demografischen Wandel" geredet, der eine der möglichen Antworten darstellt: Wohlstand etc. stellt offenbar ein Regulativ für weniger Kinder und eine Reduktion der Bevölkerungsdichte auf ein bestimmtes Maß dar. Würde man das laufen lassen, würde sich der Altersbauch vermutlich in den nächsten 30-40 Jahren wieder auswachsen und eine normale Verteilung ergeben - und die Angelegenheit auch überschaubar finanzierbar machen.
Statt dessen wird über "Aussterben der Deutschen", Mangel an Arbeitskräften und Zusammenbruch der Systeme geschwafelt und über eine Bevölkerungsvermehrung sinniert. Ein (nochmaliges) Umdenken wäre notwendig. Allerdings: aufgrund der historischen Entwicklung sind diese Entwicklungen wohl kaum auf die heutigen Problemgebiete umsetzbar.
Guter Artikel, der die wichtigsten Faktoren aufführt, die das Bevölkerungswachstum und die Tragfähigkeit der Erde (carrying capacity) bestimmen. Eines jedoch wurde außer Acht gelassen. Der Satz Damit unsere Zivilisation nicht langfristig kollabiert, muss der Durchschnittsbürger weniger Ressourcen verbrauchen und die Umwelt weniger beeinträchtigen – oder die Bevölkerung muss sich verringern. trifft zu, dennoch kann man daraus nicht schliessen, dass Je stärker die Weltbevölkerung sich vermehrt, desto mehr Einschnitte muss der westliche Lebensstandard hinnehmen – oder desto weniger Menschen ist er zugänglich. denn, es gibt einen Ausweg: Wer Ressourcen zwar konsumiert, diese aber nicht endgültig verbraucht, sondern recycelt, kann den Wohlstand halten und muss die Umwelt nicht einmal stärker belasten. Das wurde von Cesare Marchtetti bereits 1979 erkannt. In seiner Vision 10^12: A check on the earth-carrying capacity for man entwirft er eine Zukunft, in der der Mensch in Megalopolen lebt, die außer Abwärme (kompensiert) nichts mit der Umgebung austauschen, das heißt alle konsumierten Güter werden zu 100% recycelt. In jüngerer Zeit wurde diese Idee wieder aufgegriffen. Sie lebt jetzt im Konzept der Sustainable City fort, die gut im Satz A sustainable city can feed itself with minimal reliance on the surrounding countryside, and power itself with renewable sources of energy. widerspiegelt wird.
Allerdings ist die vollkommene Recycling bei Marchetti eine Hightech-Vision, die mit heutiger Technik noch nicht realisiert werden kann und im Wikipedia-Artikel über die Sustainable City zum größten Teil Wunschdenken.
Deshalb besteht durchaus die Gefahr, dass wir mit dem beschrittenen Entwicklungspfad ein Limits To Growth erleben werden. Der Artikel Revisiting the Limits to Growth After Peak Oil jedenfalls zeigt, dass wir fast perfekt dem Buisness as Usual Szenario aus dem Welt-Modell von Jay Forrester folgen.
Das Reservoir des Genpools der Plasmodien befindet sich hauptsächlich in den Menschen und den Mücken. 25 Prozent der Erreger in der Mücke überleben die durch die Pilze eingebrachten Stoffe. Es wird ein Selektionsdruck erzeugt, durch den vor allem jene Erreger ihre Gene weitergeben werden, die weniger empfindlich gegen die Antikörper und die weiteren Gifte sind. Die Folge: Im Genpool werden die Gene, die zu einer Resistenz gegen die eingesetzten Gifte und Antikörper beitragen, zunehmen. Bei einem solchen Vorgehen dürfen aus meiner Sicht auf keinen Fall Stoffgruppen eingesetzt werden, die der Körper selbst gegen den Malariaerreger einsetzt beziehungsweise bei der Behandlung der Malaria wichtig sind. Sonst besteht die Gefahr, dass immer gefährlichere Plasmodien entstehen werden. Der Forscher lässt den Pilz menschliche Antikörper erzeugen! Ich bin darüber sehr besorgt!
Der in dem Artikel als "mysteriösen Ursprung beschriebene Magnetismus" des Merkurs dürfte auf Grund ähnlicher Rotationsdifferenzen der inneren Planetenschichtungen entstehen, wie das Magnetfeld der Erde. Bei unserer Erde generiert der Erdmond bekanntlich eine Verlangsamung der Rotationsgeschwindigkeit; diese Verlangsamungswirkung dürfte sich auf Grund der Viskosität des zähflüssigen äußeren Erdkern aus geschmolzenem Eisen hauptsächlich auf die äußeren Bereiche der Erde dahingehend auswirken, dass zwischen der mondreduzierten Rotation des Erdmantels sowie des festen Eisenerdkerns und dem stabileren Drehimpuls des festen Eisenerdkerns eine Rotationsdifferenz antsteht, aus der ein Dynamoeffekt mit der Folge der Erzeugung des Erdmagenetfelds resultiert. Da der Merkur keinen Mond hat, wird eine entsprechende Rotationsdifferenz zwischen seinen äußeren Schichten und seinem Metallkern vermutlich durch eine Bremswirkung der starken Gravitationskraft der nahen Sonne bewirkt, was ebenfalls zu einem Dynamoeffekt mit der Entstehung des Magnetfelds des Merkurs führen könnte.
Der Preis unseres Wohllebens
06.05.2011, Kurt SchützVerehrte Diskutanten,
Wer will schon Atomkraftwerke? Wer will Kohlekraftwerke? Niemand! Sie alle spucken um den Preis der elektrischen Energie eine Menge unangenehmer Dinge aus! Wer will Wasserkraftwerke? Als begeisterter Angler sind sie mir ein riesiger Schaden an der Ökosphäre.
Wenn ich dennoch Energie nutze, sollte ich überlegen, welche Anlage den geringsten und welche den größten Schaden stiftet. Letzteres scheint für mich eindeutig das Kraftwerk zu sein, das den weltweiten Klimawandel am schnellsten vorwärts treibt.
Ich überlasse Ihnen gerne die Schlussfolgerung!
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Kurt Schütz
Wo bleibt der Müll?
06.05.2011, Dominique BoursillonSoll ich "Angst" haben oder nicht?
06.05.2011, Paul R. WoodsDie Eintrittswahrscheinlichkeit und -häufigkeit, der entstehende Schaden, der Gewinn aus der Nutzung der Kernenergie und der aus der Nutzung anderer Energiequellen sind zwar empirisch belegbare Größen die allgemein gelten, es sind aber die Präferenzen des Einzelnen, die die Gesamtformel und deren Ergebnis bestimmen.
Und obwohl jeder Soziologe aus den angegebenen Größen eine Formel erstellen kann, wäre nur durch repräsentative Umfragen, die die persönlichen Gewichte ermitteln, eine Grundhaltung der Bevölkerung festzustellen.
Gibt es solche Umfragen bereits und sind sie statistisch korrekt?
"Toller" Artikel!
04.05.2011, Prof. Dr. Dietrich H. Nies, HalleBeschränken wir uns auf den sachlichen Kern der Bemerkungen von Herrn Prof. Dr. Nies und darin auf vier Unterpunkte:
1.) Wir haben für die Auswertung von 117 Interviews nicht 6 Jahre benötigt. Ergebnisse der Studie wurden seit 2005 auf zahlreichen nationalen und internationalen Fachkonferenzen vorgestellt und in renommierten, internationalen Fachzeitschriften (u. a. "European Journal of Population", "Current Sociology") publiziert. Eine Publikationsliste stellen wir auf Anfrage gern zur Verfügung. Im Übrigen veralten qualitative Interviews nicht nach wenigen Jahren – ebenso wenig wie quantitative Datensätze –; sie bieten reichhaltige Informationen, die mit verschiedenen Methoden (Grounded Theory, Objektive Hermeneutik, Diskursanalyse und andere) auszuwerten auch Jahre danach noch sinnvoll ist.
2.) Die Fallzahl von 67 Befragten ist für eine qualitative Analysemethode wie die unsere nicht zu gering. Es geht nicht darum, die Verteilung von Merkmalen in der Bevölkerung durch eine repräsentative Stichprobe zu ermitteln, sondern subjektive Sinnzusammenhänge und Handlungslogiken von Akteuren zu rekonstruieren. Dazu wurden im Verlauf der letzten Jahrhunderte in den Sozial- und Geisteswissenschaften eine Reihe von erprobten und validierten Verfahren entwickelt, deren wir uns bedient haben. Unser Vorgehen entspricht den aktuellen wissenschaftlichen Standards in diesem Bereich, und wir nehmen für uns in Anspruch, typische Handlungslogiken, die bei der Entscheidung zur Elternschaft und bei der Gestaltung von Paarbeziehungen relevant werden, intersubjektiv nachvollziehbar rekonstruiert zu haben.
3.) Es ist für Herrn Prof. Nies offenbar nicht verwunderlich, dass auch knapp 15 Jahre nach dem Umbruch in der DDR – unsere Interviewten wurden in den Jahren 2004/05 befragt – noch erhebliche Mentalitätsunterschiede zwischen Ost- und Westdeutschen bestehen, die auch für die Frage nach der Entscheidung zur Elternschaft von Bedeutung sind. Ganz im Gegensatz zu dieser Einschätzung gingen fast alle politischen Akteure in den 1990er Jahren sowie die sozialwissenschaftliche Forschung lange Zeit von einem sehr viel schnelleren "Zusammenwachsen" der beiden deutschen Bevölkerungen und einer Angleichung auch der Mentalitäten auf einem – imaginären – westdeutschen Niveau aus. Für uns wie auch für eine große Zahl von Fachkollegen, mit denen wir in Kontakt stehen, sind die keineswegs linearen und zum Teil unerwarteten soziokulturellen Entwicklungen in beiden Teilen Deutschlands in ihren Einzelheiten nach wie vor ein bedeutendes Forschungsgebiet.
4.) Für uns ist es selbstverständlich, dass es sich bei wissenschaftlichen Erkenntnissen und dem politischen Diskurs um zwei unterschiedliche Bereiche handelt. Ebenso selbstverständlich entwickelt ein Sozialwissenschaftler jedoch eine Meinung zu "gesellschaftlichen Konsequenzen" der eigenen Forschung und muss sie äußern dürfen. Unser Eintreten für eine flexiblere Gestaltung des Steuersystems (nicht etwa für eine ersatzlose Aufhebung des Ehegattensplittings) ist zudem nicht lediglich eine "haltlose Privatmeinung", sondern eine verbreitete, an den veränderten Erwerbs- und Lebensverhältnissen großer Teile der Bevölkerung orientierte Position in der politischen Debatte. Sie wird durch unsere Befunde in der Tat gestützt.
Dr. Andreas Klärner, Dr. Holger von der Lippe
Das ist so nicht ganz korrekt
03.05.2011, Gilbert Brands, KrummhörnEs ist auch nicht so, dass ein Quantencomputer für bestimmte Aufgaben schneller ist; er folgt lediglich einer anderen Komplexitätsordnung, was jedoch über den Gesamtzeitbedarf noch nichts aussagt.
Quantencomputer sind damit theoretisch für einige Aufgaben komplexitätstheoretisch skalierbar, während der Zeitaufwand für klassische Computer bei zunehmender Aufgabengröße exponentiell steigt. Ob Quantencomputer aber nicht letztendlich an der Absolutzeit und der Skalierbarkeit der Registergröße - hier haben die klassischen keine Probleme - ebenfalls scheitern, ist noch lange nicht ausgemacht. Jedenfalls sieht es in Summe derzeit weniger gut aus, als in solchen Berichten wie oben immer Glauben gemacht werden soll. Aber irgendwie muss man ja an Forschungsgelder kommen.
Wahrnehmungen sind Hirnprozesse
02.05.2011, Norbert Hinterberger, HamburgIch möchte hier ungeachtet dieser Wertschätzung allerdings eine alternative Argumentation präsentieren: eine reduktionistische Position (unter Nichtvernachlässigung emergentistischer Aspekte) zu den vorliegenden Problemen, die mir bisher zu wenig bis überhaupt nicht diskutiert scheint. Dazu gehört sehr prominent die These, dass es, was Erkenntnisversuche betrifft, nur einen graduellen Unterschied zwischen Denken und Fühlen gibt, keinen qualitativen, weil beides in einem Gehirn stattfindet, das diesen Unterschied in seinen kalkulativen Funktionen nicht kennt. Denken ist so gesehen klareres Fühlen bzw. Fühlen ist unklareres Denken. Es ist in dieser Sichtweise deshalb auch prinzipiell egal, ob wir durchgehend von Fühlen oder durchgehend von Denken reden wollen. Beides sind nur Formen der Konstruktionsversuche ein und derselben Kalkulation, die wir Wahrnehmung nennen (ob nun intro- oder extrospektiv). Daraus folgt trivial, dass es kein Denken ohne Fühlen und kein Fühlen ohne Denken gibt. Das sieht die Autorin anders. Sie glaubt an Wechselwirkungen zwischen Emotionen und Gedanken. Man kann das als Sprechweise natürlich beibehalten, weil der Identismus recht sperrige Ausdrucksweisen liefern müsste (etwa: der Hirnprozess H1 hat gerade den Hirnprozess H2 auf die Weise W3 beeinflusst und das ist äquivalent mit dem Gedanken G4 … oder dergl.).
Auf diskreter Ebene sollte man sich allerdings klarmachen, dass es Wechselwirkungen nur zwischen verschiedenen Hirnteilen bzw. -prozessen gibt. Es handelt sich dabei immer um Kalkulationen: Mehrheits- und Stärkegewichtungen neuronalen Feuerns, welches wir dann auf widerstreitende Meinungen ein und derselben Person abbilden abzubilden hätten. Bildhaft denke ich an eine Skala von sehr primitiven bzw. elementaren Kalkulationen, die wir gewöhnlich Emotionen nennen (Hunger, Durst etc.), die sozusagen hochführt über einen Bereich, den wir gewöhnlich Denken nennen bis es am anderen Ende wieder zu dem führt, was wir diesmal allerdings als hochwertige bzw. komplexe Emotionen bezeichnen würden. Man weiß von vielen Wissenschaftlern, dass ihnen das letzte Glied in einer Theoriebildung etwa im Schlaf geliefert wurde …, also aus einer arg gefühlvollen Welt – das Wachbewusstsein hatte sich da offenbar zu sehr verkrampft. Wenn wir akzeptieren, dass es kein Gefühl ohne ratiomorphe Struktur gibt, sollte uns das nicht mehr so sehr überraschen. Aus dieser Charakterisierung folgt, dass es gleichgültig ist, ob wir Hirntätigkeiten durchgehend als Fühlen oder durchgehend als Denken bezeichnen. Diskret geht es offenbar nur um Intensitäten von Wechselwirkungen bestimmter Hirnprozesse.
Döring kennt „ein ganzes Spektrum emotionaler Einflussnahme auf unsere Vernunfturteile und Handlungen. Interessant wird es dann, wenn eine Emotion uns dazu bewegt, ein Werturteil zu fällen, das wir anderenfalls nicht gefällt hätten, oder eine Handlung auszuführen, die unserem überlegten Vernunfturteil widerspricht.“ (S. 67)
Eine neutralere Beschreibung, die keinen Unterschied zwischen Denken und Fühlen macht, könnte lauten: In unseren Engrammen oder in neu hereinkommender kultureller Information können wir Korrekturverwertbarkeit an älteren Urteilen entdecken. Das kann sich subjektiv sicherlich sehr gefühlvoll bemerkbar machen, aber ohne eine entsprechende Wertreputation des jeweiligen Gefühls würden wir unser altes Urteil nicht ändern. Diese Emotion muss also mit einem sensibleren Werturteil identisch sein. Wir würden ein altes Vernunfturteil nicht ändern, wenn es sich bei der Emotion nicht um ein Werturteil handelte, das auch unsere Vernunft mehr überzeugt als unser älteres Werturteil. Denn unsere Vernunft muss in diesem Fall ja damit befasst sein, die Integrität unseres Wertesystems zu erhalten. Ein sensibleres Werturteil gegenüber einem unsensibleren ist dann so ein Vernunftgrund. Döring hat diese Problematik an ‚Huck Finn’ exemplifiziert. Der Unterschied zu meiner Argumentation ist nicht unerheblich.
Wahrnehmungen sind Hirnprozesse – auch wenn das manchmal in Vergessenheit gerät, weil man bei dem Begriff ‚Wahrnehmung’ wohl häufig rein intuitiv erst einmal an die Sinne bzw. an Sinnesreize denkt. Aber Wahrnehmungen sind mehr oder weniger bewusste Interpretationen von Sinnesreizen, denn hier wird ja tatsächlich etwas für ‚wahr’ genommen bzw. gehalten. Es handelt sich also um Erkenntnisversuche (anthropomorph sind es dann eben Urteile oder Vorstellungen).
Döring schreibt über die Position, die auch sie vertritt, sie betone „die Analogie zwischen Emotionen und Wahrnehmungen – oder setzt sie sogar gleich.“ (S. 66) Das ist natürlich einigermaßen disjunktiv formuliert. Ich weiß überdies nicht, ob sie mir in meine Definition von ‚Wahrnehmung’ folgen mag. Täte sie es, und setzte sie Emotionen und Wahrnehmungen tatsächlich gleich, könnte sie Antonio Damasios Identismus von Körperprozessen und Emotionen eigentlich gar nicht mehr vermeiden. Man kann vielleicht schon an dieser Stelle festhalten, dass rein geisteswissenschaftlich inspirierte Begriffsstapel (Gefühl, Emotion, Feeling) terminologisch überflüssig werden, weil sie funktionell allesamt hirnorganisch vorhanden sind. Deshalb stellen wir uns einfach alle mal vor, wir müssten plausibel zum Identismus argumentieren. Döring hat den Begriff Gefühl dichotomisiert in Emotion und Feeling. Das sollten wir dann nur noch als materielle Wechselwirkungsphänomene in unseren Gehirnen/Körpern betrachten. Wir sagen dann auch konsequent: wir SIND unsere Gehirne/Körper – nicht, dass wir welche ‚haben’ … Emotionen haben wir – nun, als brandneue Identisten - schon als hirnorganisch bzw. körper-intrinsisch anerkannt. Bleibt also das ‚Feeling’ als typischer Vertreter der subjektiven Erfahrung. Ich finde, das betrachten wir jetzt, wo wir schon dabei sind, ebenfalls nur noch als die Art, wie wir unsere Hirnprozesse plus Körperprozesse ‚wahr’-nehmen. Ob wir das als Bewusstsein bezeichnen wollen, ist hier nicht weiter interessant, denn auch das Bewusstsein (auch in seiner introspektiven Variante übrigens) ist nur ein Erkenntnisversuch unter anderen.
Aus der Physik ist uns bekannt, dass nur Gleiches mit Gleichem wechselwirken kann. Die Physiker meinen damit, dass Materie nur auf Materie wirken kann – insbesondere nicht auf ‚Substanzen’ die noch nirgends gefunden wurden, also etwa ‚nichtmaterieller Geist’ oder dergl. Umgekehrt gilt das natürlich genauso. Wir müssen uns daran gewöhnen, dass alle Wechselwirkungen in unserem Universum und damit auch in uns materieller Art sind. Wem der Begriff der Materie auch noch zu idealistisch oder schlicht nicht diskret genug erscheint, der kann hier von Energie-Masse-Wechselwirkungen sprechen. Die Diskretion dieser Sprechweise wird von E=mc2 prominent garantiert – egal, ob man nun eher Strings oder die Teilchen des Standardmodells als Ansprechpartner bevorzugt.
Aber machen wir weiter mit der Biologie: Wir betrachten jetzt einfach mal Gedanken, Urteile, Vorstellungen, Emotionen und Feelings als informational äquivalent und als unsere Art bzw. unseren Subjektivismus, bestimmte Wechselwirkungen in unserem Gehirn/Körper wahrzunehmen. Dann können nämlich allesamt als bloß unterschiedliche Grade von Wahrnehmung betrachtet werden, jedenfalls nicht als Entitäten, die eine andere Qualität hätten als jede beliebige unbewusste Wechselwirkung in unseren Gehirnen/Körpern. Der einzige Unterschied ist, dass die oben genannten mit mehr oder eben weniger Bewusstsein verknüpft sein müssen. Für dieses Bewusstsein benötigen wir aber ebenfalls keine Extra-Entitäten – wir können es diskret, also ohne redundante geisteswissenschaftliche Begrifflichkeiten, als stärkeres neuronales Feuern (als es etwa bei unbewussten Wechselwirkungen auftritt) und im Zusammenhang komplexerer neuronaler Vernetzung betrachten. Wenn wir Gedanken und Urteile auf ihren deduktiven Kalkulationscharakter reduzieren, können wir überdies auch andere höhere Tiere mitnehmen. Wenn wir auch noch Vorstellungen, Emotionen und Feelings auf ihre deduktive Kalkulationssystematik reduzieren, können wir ALLE Lebewesen mitnehmen, bis hinunter zum Einzeller. Sie alle können sich in der Umwelt orientieren. Orientierungsfähigkeit impliziert aber wenigstens irgendeine (rudimentäre) Form von Erkennungs- bzw. Erkenntnisfähigkeit. Wer nicht recht weiß, wo er diese Kalkulationssystematik (in Form eines gewissermaßen in der ganzen Zelle verteilten Erkennungs-‚Apparates’) in Einzellern verorten soll, kann in der molekularen Zellbiologie die Erfahrung machen, dass die DNA von ihrer zelleigenen Enzymatik (die außerdem über Rezeptoren mit der Umwelt wechselwirkt) etwa so kalkulativ gesteuert wird wie ein Rechner/Roboter von seiner Software, nur wesentlich plastischer, denn ein Einzeller muss nicht auf die jeweils neusten Chips von IBM warten. Er gestaltet seine ‚Chips’ über enzymatisch rezeptorielle Umweltwechselwirkung und über das enzymatische ‚An- und Abschalten’ bestimmter Gene (Polymerasen, also die ‚Leser’ der Gene, sind ebenfalls Enzyme). Die Mutationen sind natürlich zufällig, aber das Bedienen oder Unterdrücken bestimmter Gen-Befehle wird enzymatisch über die vorliegenden Informationen (Moleküle) in den Zellmembran-Rezeptoren oder im eigenen Plasma gesteuert.
Nachdem wir diesen reduktionistischen Weg gegangen sind, nehmen wir uns noch kurz den emergentistischen Weg in der anderen Richtung vor. Wenn wir beim Aufsteigen von den Elementarteilchen, Atomen, Molekülen und schließlich den biologischen Zellen zu immer komplexeren biologischen Systemen gelangen, also zu immer stärkeren ‚Summenüberhängen’ der entsprechenden Emergenzen, können wir sehen, dass es sich hier um einen reinen Funktionszuwachs handelt, denn die Anzahl der Teilchen bzw. ihre Energieerhaltung bleibt ja immer die gleiche. Und nur dieser Funktionszuwachs ist gemeint, wenn man im Zusammenhang der Emergenzen davon spricht, das ‚das Ganze mehr sei als die Summe seiner Teile.’ In Bezug auf die Teilchen oder die Energien ist dieser Satz natürlich falsch. Er wird erst wahr, wenn wir den Zuwachs an Funktionen bzw. den Zuwachs der Eigenschaften des Systems als Ganzes ansprechen. In einer Autowerkstatt findet man alle Autoteile einzeln. Aber wir wissen, dass die erst in der geeigneten Form zusammengesetzt fahren können. Wir sehen also, die Emergenzen eines Systems hängen von seiner (immer in der einen oder anderen Form fließenden) Kombinatorik ab. Jetzt sehen wir auch, dass die emergente Beschreibung nicht im ‚Widerspruch’ zur reduktionistischen steht, sondern durch ihre Komplementarität die nötige Klarheit in den Energie- und in unserem Fall in den biologischen Wechselwirkungs-Reduktionismus bringt.
Zu meinem biologischen Lieblingsthema, den deduktivistisch strukturierten Kalkulationen schon der Einzeller in ihrer (selbstverständlich unbewussten) Umweltorientierung, bin ich nur so kurz hinabgestiegen, wie wir es für diese Diskussion benötigen – im Hinblick auf die evolutionär relevanten Aspekte bei der Entwicklung von biologischen Erkenntnisapparaten. Wir sollten uns klarmachen, das Neuronen sich, bis auf ihre neuronalen Zutaten, nicht von andern Zellen unterscheiden, auch nicht sonderlich von Einzellern. Bleiben wir mal bei den Eukaryonten. Es gibt sie als Einzeller mit membranisiertem Zellkern. Unsere Gehirnzellen und unsere Körperzellen sind aber ebenfalls Eukaryonten. Es scheint also eine direkte Evolution vom ‚Einzeller zu Einstein’ (Popper) zu geben, in der nichts weggeworfen wird, was gut funktioniert. Wir sollten also vielleicht ein bisschen vorsichtiger damit sein, immer wieder völlige Neuheiten bzw. Andersartigkeiten in Entitäten zu sehen, die eigentlich nur immer wieder neu kombiniert werden. Wir können diesen Gedanken vielleicht ganz gut auf unser Gehirn und unsere Art mit ihm die Welt und damit auch uns wahrzunehmen abbilden. Scheint es nicht vernünftiger, unsere Gedanken, Urteile, Emotionen etc. als permanent fließend veränderte Kombinatorik unserer Gehirn-Körper-Wechselwirkungen zu verstehen? Wir sparen uns damit unnötige und wohl auch irreführende Dualistik oder gar Trialistik in der gesamten Erkenntnisproblematik.
Ich hoffe hier gezeigt zu haben, dass man in den vorliegenden Problemzusammenhängen wesentlich reduktionistischer werden kann, ohne emergente Funktionsstufen des Gehirns zu vernachlässigen. Emergentistische und reduktionistische Beschreibungen werden immer noch gern gegeneinander ausgespielt – ohne tragende Argumente dazu. Versteht man, dass sie komplementär formuliert werden müssen, um in einer eindeutigen Erklärung aufgehen zu können, kommt man einem nichtnaiven Identismus schon wesentlich näher.
Gleiches Thema - in nur sechs Gedichtzeilen
02.05.2011, Dr. Ludwig Nätscher, MarzlingRegenwurm
Es fürchtet sich der Regenwurm
vor jedem Regen oder Sturm.
Vom Erdreich kommt er hochgekrochen,
wenn leis die Tropfen darauf pochen.
Drum klopft die Amsel mit den Beinen -
und hofft auf Regenwurmerscheinen.
Im SdW-Artikel wurde nachgewiesen, dass Regenwürmer die von Maulwürfen ausgelösten Vibrationen fürchten und nach oben flüchten. Insofern wäre das Gedicht zu korrigieren. (Es fürchtet sich der Regenwurm vorm Maulwurf sehr, doch nicht vorm Sturm.)
Im Artikel von Kenneth Catania werden Silbermöwe und Waldbachschildkröte als Fressfeinde der Regenwürmer genannt, die den Fluchtreflex aktiv auslösen; dem Leserbrief von Wolfgang Leikauf kann man entnehmen, dass die im Gedicht genannte Amsel tatsächlich auch dazu gehört!
Emotion als vorweggenommene Reaktion
02.05.2011, Georg Tatzel, WinnendenAuch "grundlose Emotionen" kann man in diesem Licht besser verstehen. Ich denke, unser Hirn extrapoliert sich nicht eine einzige Zukunft, sondern verschiedene Zukünfte mit verschiedenen Gewichtungen der Wahrscheinlichkeit des Eintretens dieser Zukünfte. Wenn nun "im Licht besseren Wissens" diese Zukunft widerlegt ist, heißt das noch nicht, dass ihre Repräsentanz im Hirn gelöscht ist. Sie lebt weiter, je stärker sie war. Sie hat sozusagen Trägheit. Unser Hirn hat ja Erfahrung mit mehreren Repräsentationen und das so genannte "bessere Wissen" ist zunächst, in diesem Sinn, nur eine weitere Repräsentation von Zukunft, wenn auch, für die meisten Menschen, eine besonders starke. Mit diesem Ansatz kann man auch erklären, dass "eine Emotion uns dazu bewegt, ein Werturteil zu fällen, das wir andernfalls nicht gefällt hätten". Im "Huckleberry Finn"-Beispiel wird das sehr deutlich. Die "reine" Vernunft kann sich ja nur auf Bekanntes beziehen. Sie geht von Prämissen aus und versucht aus diesen Prämissen Folgerungen zu ziehen. Zu diesen Prämissen zählt, dass Jim als Sklave kein Recht auf Freiheit hat. In den extrapolierten Zukünften als Teil der vom Hirn, vielleicht unbewusst wahrgenommenen Realitäten liegen aber andere Prämissen (eigentlich das falsche Wort, denn sie sind ja noch nicht eingetreten: Kann man Postmissen sagen?) vor. In der Extrapolation liegt für Huckleberry ein anderes Leben, ein Leben in Freundschaft mit einem freien Jim, im Hirn vor.
"Emotionen erweitern unsere Vernunft" weil sie auf ein größeres Repräsentationsfeld als die "reine" Vernunft reagieren, auf die extrapolierte Zukunft. Erweitern heißt dabei sicher nicht immer "Verbessern", so ist das wohl auch im Artikel nicht gemeint gewesen. Ich vertrete hier nicht die Meinung, dass wir etwa irgendwie die Zukunft vorherwissen würden. Es geht mir überhaupt nicht um die Wahrsagerei. Vielleicht lassen sich meine Überlegungen nicht auf alle möglichen Emotionen anwenden. Vielleicht ist das aber auch möglich. Ich möchte es wenigstens für einige Emotionen versuchen. Trauer: Ich kenne das Leben mit einem Menschen. In meiner Vor-Stellung tauchen viele Erlebnisse mit diesem Menschen auf, die aber nun ohne diesen Menschen ablaufen. Die Lücke wird in das Bekannte hinein extrapoliert und so wird das Bekannte zum Fremden, das Schöne zum Hässlichen, das Angenehme zum Unangenehmen.
Ekel: Vor manchen Dingen haben wir instinktiv Ekel. Ich kann extrapolieren, was geschieht, wenn ich mit etwas Ekelhaftem in Berührung komme. Es ist unangenehm. Dieses unangenehme Gefühl nehme ich vorweg. Reue: Ich habe etwas Schlechtes getan, eine "Sünde". Dadurch habe ich die Zukunft verändert. Bestimmte Dinge, die ich gerne hätte, gibt es in meiner extrapolierten Zukunft so nicht mehr. Ich leide unter dem Fehlenden. Liebe: In meiner Vor-Stellung passiert so viel Schönes, Angenehmes, Wichtiges in meinem Leben mit dem geliebten Menschen. Emotionen entstehen also daraus, dass wir in unserem Hirn, dauernd, ohne es zu wollen, weil das Hirn eben so ist, Zukunft extrapolieren und bewerten. Sie sind sehr lebendig, weil wir nicht scharf zwischen solchen Repräsentationen und den Repräsentationen des Ist-Zustandes trennen können. Aber wir haben einen Sinn für den Zeit-Unterschied. Dieser Sinn macht Emotionen möglich. Emotionen sind ein Ausdruck unseres Zeit-Sinnes.
Was ist Wissen?
02.05.2011, Jörg Michael, HannoverDa könnte man genauso gut, wie es die Vetreter der satirisch gemeinten "Church of the Flying Spaghetti Monster" tun, behaupten, dass die Welt von einem fliegenden Spaghetti-Monster erschaffen wurde - und dann hinzufügen: "Niemand kann mich widerlegen."
Im "normalen Leben" sieht es für den Skeptizismus genauso "schlecht" aus. Niemand, der "einigermaßen bei Verstand ist", wird auch nur darüber nachdenken, ob Glatteis auch heute morgen noch genauso glatt ist wie all die Jahre vorher. Und wer doch versucht, alles zu überprüfen, wird
(weil ja "immer wieder alles zu überprüfen ist") nie mit irgendetwas fertigwerden.
Man stelle sich nur einmal folgenden Dialog eines Ehepaares vor:
"Do you love me?" - "Yes."
"Do you love me really?" - "Yes, really."
"But really really?" - Aargh.
Im "normalen Leben" kommen wir ganz gut damit klar, Heuristiken anwenden zu müssen, die sich bewährt haben.
Da ich davon ausgehe, dass auch die Vertreter des Skeptizismus im täglichen Leben den "gesunden Menschenverstand" benutzen bzw. benutzt haben, bedeutet dies streng genommen, dass sie selber nicht wirklich daran glauben.
Vorgetäuschte Welt?
02.05.2011, Gerhard Taake, PaderbornMeine These lautet: Es gibt keine ernst zu nehmenden Skeptiker.
Hier der Beweis:
1. Ich selbst bin kein Skeptiker.
2. Aber in meiner Umwelt könnte es Skeptiker geben. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: sie haben Recht und die von mir wahrgenommene Welt ist lediglich eine Täuschung; oder sie haben nicht Recht.
3. Wenn sie nicht Recht haben, sind sie nicht ernst zu nehmen.
4. Wenn sie Recht haben, gehören sie zu der vorgetäuschten Welt, die ich mit meinen Sinnen wahrnehme. Die Skeptiker sind dann selbst eine Täuschung und es gibt sie gar nicht.
Erhaltung der Vielfalt
02.05.2011, T. Förster, HamburgEin gutes Beispiel für einen gelungenen Artikel ist für mich "Schieblehre inspiriert Aufbau von Nanoringen" - allein das Intro mit der Schiebelehre bringt da schon vergnüglichen Wissensgewinn und macht neugierig auf den gesamten Artikel.
Natürliche Regulation?
29.04.2011, Gilbert Brands, KrummhörnStatt dessen wird über "Aussterben der Deutschen", Mangel an Arbeitskräften und Zusammenbruch der Systeme geschwafelt und über eine Bevölkerungsvermehrung sinniert. Ein (nochmaliges) Umdenken wäre notwendig. Allerdings: aufgrund der historischen Entwicklung sind diese Entwicklungen wohl kaum auf die heutigen Problemgebiete umsetzbar.
Mehr konsumieren, weniger verbrauchen: Autark leben
28.04.2011, Martin Holzherr, CH-8406 WinterthurEines jedoch wurde außer Acht gelassen. Der Satz Damit unsere Zivilisation nicht langfristig kollabiert, muss der Durchschnittsbürger weniger Ressourcen verbrauchen und die Umwelt weniger beeinträchtigen – oder die Bevölkerung muss sich verringern. trifft zu, dennoch kann man daraus nicht schliessen, dass Je stärker die Weltbevölkerung sich vermehrt, desto mehr Einschnitte muss der westliche Lebensstandard hinnehmen – oder desto weniger Menschen ist er zugänglich. denn, es gibt einen Ausweg: Wer Ressourcen zwar konsumiert, diese aber nicht endgültig verbraucht, sondern recycelt, kann den Wohlstand halten und muss die Umwelt nicht einmal stärker belasten.
Das wurde von Cesare Marchtetti bereits 1979 erkannt. In seiner Vision 10^12: A check on the earth-carrying capacity for man entwirft er eine Zukunft, in der der Mensch in Megalopolen lebt, die außer Abwärme (kompensiert) nichts mit der Umgebung austauschen, das heißt alle konsumierten Güter werden zu 100% recycelt. In jüngerer Zeit wurde diese Idee wieder aufgegriffen. Sie lebt jetzt im Konzept der Sustainable City fort, die gut im Satz A sustainable city can feed itself with minimal reliance on the surrounding countryside, and power itself with renewable sources of energy. widerspiegelt wird.
Allerdings ist die vollkommene Recycling bei Marchetti eine Hightech-Vision, die mit heutiger Technik noch nicht realisiert werden kann und im Wikipedia-Artikel über die Sustainable City zum größten Teil Wunschdenken.
Deshalb besteht durchaus die Gefahr, dass wir mit dem beschrittenen Entwicklungspfad ein Limits To Growth erleben werden. Der Artikel Revisiting the Limits to Growth
After Peak Oil jedenfalls zeigt, dass wir fast perfekt dem Buisness as Usual Szenario aus dem Welt-Modell von Jay Forrester folgen.
Resistenzentwicklung gegen menschliche Antikörper
27.04.2011, Detlef Haarbrücker, HamburgDynamoeffekt und Magnetfeld bei Merkur
27.04.2011, Klaus Grigoleit, Hamburg