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Leider sind zu Beginn des genannten Artikels Aufbau und Funktion einer "Nonius"-Skala falsch erklärt. Dort sind nicht zehn Millimeter in neun Teile (die hätten eine Länge von 1,111. mm), sondern neun Millimeter sind in zehn Teile (Länge genau 0,9 mm) untergliedert. Beim Verschieben ergibt sich dann eine ablesbare Übereinstimmung bei allen Vielfachen von 0,1 mm.
Mit großem Interesse lese ich Ihre neue Serie „Die größten Rätsel der Philosophie“. Zu dem Beitrag „Dem Bewusstsein auf der Spur“ von Tobias Schlicht möchte ich einige Anmerkungen machen.
In dem Artikel wird Bewusstsein als „Erscheinen einer Welt“ in Sinn von Wahrnehmung und individuellen Verstellungen bezeichnet, wobei es vor allem auch um die Erforschung des „neuronalen Korrelates“ dieses Wahrnehmungs-Bewusstseins geht. Der Begriff „Bewusstsein“ ist jedoch mehrdeutig. In dem Buch „Das Ich und sein Bewusstsein“ von J. Eccles und K. Popperwird der Begriff „Bewusstsein“ für vier verschiedene „Geisteszustände“ verwendet, wobei Nr. 2 und 3 etwa der Definition im Artikel von Tobias Schlicht entsprechen: 1. Geistige Präsenz, Wachsein 2. Sinnliche Wahrnehmung 3. Ergebnisse unseres Denkens (Erkenntnisse/ Vorstellungen) 4. Emotionen, Erinnerungen, Träume
In seinem Buch „Der Geist fiel nicht vom Himmel“ sieht Hoimar von Ditfurth das Bewusstsein hingegen als typisches Merkmal der Spezies Mensch an. Nach diesem Verständnis dürfte Bewusstsein bei Tieren und Pflanzen nicht vorhanden sein. Wendet man dieses Kriterium auf die oben angeführten vier Definitionen an, so wird es von keinem dieser Definitionen erfüllt. ad 1. Wach sein, geistig präsent sein, ist nicht auf uns Menschen begrenzt. Auch Tiere schlafen oder können betäubt sein. ad 2. Auch Tiere und Pflanzen nehmen sinnlich wahr. ad 3. Auch Ansätze zum Denken treten bereits im Tierreich auf, wie es in Teil 4 Ihrer Serie beschrieben wird. ad 4. Erinnerungen, Gefühle (Freude, Angst) und Träume sind auch bei Tieren vorhanden.
Die Frage ist, wie sich eine Systemeigenschaft „Bewusstsein“ der Spezies Mensch definieren ließe. Darauf gibt Hoimar von Ditfurth in seinem erwähnten Buch bei der Beschreibung des Großhirns und dessen Fähigkeit zu denken einen Hinweis: „Durch die Ablösung der bloßen Intention zum Handeln vom konkreten motorischen Vollzug ließ sie [die Evolution] einen „innerer Raum“, einen Vorstellungsraum, entstehen. In diesem konnte eine Handlung in der bloßen Vorstellung auf ihre Konsequenzen überprüft werden, bevor diese real hingenommen werden müssen.“ (S. 301, 2. Abschnitt) Diese Ablösung der bloßen Intension zum Handeln vom konkreten motorischen Vollzug ermöglicht es, dass wir uns gewisser Wahrnehmungen undSituationen bewusst werden, nachdenken können und gegebenenfalls überlegt handeln. Diese Entkopplung von Wahrnehmen und Handeln könnte man als evolutives Bewusstsein bezeichnen. Auf der Nichtbewusstseins-Ebene, die für alle anderen Lebewesen charakteristisch ist, sind Wahrnehmen und Handeln fast immer eine geschlossene Ablaufeinheit, die artspezifisch genetisch fixiert ist und ein Nachdenken nicht zulässt. Die Definition eines evolutiven Bewusstseins wäre so ein „radikaler Schluss, dass Bewusstsein nicht auf irgendeinen physikalischen Vorgang reduziert werden könne“, wie in dem Artikel auf Seite 68 (Kasten) erwähnt wird. Diese Sichtweise setzt, wie erwähnt, voraus, dass man „Bewusstsein“ als artspezifisches Strukturmerkmal des menschlichen Großhirns ansieht und nicht als individuelle Wahrnehmungen im Sinne von „Erscheinen einer Welt“, denen mit Sicherheit ein neuronales Korrelat zugrunde liegt.
Der Skeptizismus war historisch motiviert durch seinen im Grunde lobenswerten Kampf gegen den Dogmatismus. So bezweifeln die Skeptiker unsere Fähigkeit, zu zuverlässigem Wissen zu gelangen („Philosophical Scepticism questions our ability to obtain cognitive achievements, challenging our ability to obtain reliable knowledge …“, The Oxford Companion to Philosophy (OCP), Oxford University Press, 1995, p794). Inzwischen ist Dogmatismus in der Naturwissenschaft verpönt, so dass sich die skeptische Sichtweise hier entweder von selbst erledigt hat oder zumindest weiterentwickeln musste. Sie muss sich weiterentwickeln, weil ihre globale Sichtweise widersprüchlich und deswegen unhaltbar ist („Global scepticism casts doubt upon all our attempts to seek the truth;…“, OCP, p794). Den Grund, warum der globale Skeptizismus aus meiner Sicht widersprüchlich ist, will ich im Folgenden skizzieren:
Diesem globalen, ich würde eher sagen universellen Anspruch des Skeptizismus wird mit guten Gründen entgegengehalten, dass es zumindest sichere Erkenntnis sei, dass wir in einer realen Außenwelt leben. Sollte es sich tatsächlich so verhalten, dass wir in einer realen Außenwelt leben, dann wäre auf Grund der Widerlegung mittels eines Gegenbeispiels der universelle Skeptizismus gescheitert. Zu seiner Rettung konstruierten die Skeptizisten die Alternative des in Nährlösung schwimmenden separierten Gehirns, das von einem verkabelten Computer mit (fehlleitenden) Erfahrungen versorgt wird („… had my brain been removed from my body, placed in a vat of nutrients, and wired up to a computer which was providing me with a coherent sequence of (misleading) experiences“,OCP, p795).
Diese Konstruktion ist zwar kritisierbar (siehe unten), aber empirisch nicht widerlegbar. Sie gehört deshalb gemäß des popperschen Abgrenzungskriteriums in den Bereich der Metaphysik, wie auch z. B. die Annahme eines steuernden Allmächtigen eine metaphysische Behauptung ist, oder die Annahme einer Vorsehung oder des vorherbestimmenden Determinismus. Die Skeptizisten nehmen also für sich in Anspruch, ein grundlegendes pessimistisches Dogma über die Nichterfassbarkeit der empirischen Welt zu statuieren, sich zugleich aber gegen empirische Kritik mit metaphysischen, also unangreifbaren Entgegenhaltungen wehren zu dürfen. Das halte ich für unerlaubte philosophische Eristik. Außerdem, der innere Widerspruch bzw. die Antinomie des universellen Skeptizismus besteht darin, einerseits die Existenz wahrer Aussagen zu bestreiten, andererseits auf der Wahrheit seiner eigenen Aussage zu bestehen, indem er sie sogar mit ungültigen Argumenten zu retten versucht. Meine daran anschließende Kritik besteht im Vorwurf, dass der Skeptizismus nicht zwischen empirischem Wissen und metaphysischen Aussagen unterscheidet.
Ich nehme mir jetzt das Recht heraus, die zunächst metaphysische Annahme vom verkabelten Gehirn in Nährlösung nunmehr als empirische Behauptung zu interpretieren und skizziere einige ihrer Konsequenzen wie folgt:
Wissenschaft: Um die Zusammenhänge im Universum besser zu verstehen, befragt mein (verkabeltes) Gehirn den SHC und das Hubble Teleskop. Der allwissende Computer versorgt mich mit SHC Daten und Hubble Bildern, gibt mir die Gedanken zu deren Interpretation ein und veranlasst mich, neue Ideen und Theorien zu entwickeln, die eigentlich die seinen sind. Der mich steuernde Computer muss also konsistentes Wissen über alle Gesetze seines modellierten Universums besitzen. Der Computer muss über das wahre Weltwissen verfügen, andernfalls versinken die Forschungsanstrengungen des von ihm beherrschten Forschergehirns im Chaos. Der Skeptizist, der diesen Computer extra erfunden hat, muss nun anerkennen, dass es wahres Wissen gibt, selbst wenn es sich um das Wissen eines Computers handelt. Da der Computer dem Gehirn diese Wahrheit aber nicht weitergeben darf, sonst verfügte dieses Gehirn ja über Wahrheit, was nicht sein darf, muss der Skeptizist dem Computer also gequält vorschreiben, mitunter „fehlleitende“ Erfahrungen weiterzugeben. Es muss schon eine rechte Selbstgeißelung sein, diesen Computer ausgerechnet diese für ihn unbequemen Gedanken mir eingeben zu lassen.
Mitmenschen: Der Computer suggeriert mir die Existenz von Mitmenschen mittels entsprechender künstlicher Bilder und Laute, die wie Sprache klingen. Ich bin mir meiner Existenz als Einzelwesen zwar sicher, aber darüberhinaus unsicher, ob es außer mir noch andere menschliche Wesen gibt.
Tod: Die Nutrition meines Gehirns ist optimal eingerichtet; mein Tod ist nicht vorgesehen. Verletzungen sind zwar schmerzhaft aber nie lebensgefährlich, da sie nur Phantomglieder betreffen.
Der Universalskeptizist kommt um die Wissbarkeit von einer realen Welt letztlich doch nicht herum, denn entweder leben wir in einer realen Welt, oder der Computer arbeitet in einer eigenen realen Welt oder der Supercomputer, der den Computer steuert, lebt in der seinigen und so fort. Außerdem muss der Skeptizist auch für sich akzeptieren, dass seine Überzeugungen ihm in Wirklichkeit von Computern injiziert wurden. Das ganze Konzept scheint mir abstrus bis zur Lächerlichkeit. Wegen seiner mangelhaften philosophischen Rechtfertigung hat es in meinen Augen nicht einmal einen philosophischen Aussagewert, ungeachtet seiner Stilisierung als Paradeargument.
So wichtig und notwendig der Skeptizismus zu Anfang in der Ablehnung des Dogmatismus war, so überholt ist seine universelle Ausformung heute. Natürlich ist es meistens angebracht Wahrheitsbehauptungen gegenüber skeptisch zu sein, aber es ist eine andere Art Skepsis. Hieß es früher, dass es fraglich ist, ob wir in der Lage sind, wahre Aussagen zu treffen, so heißt es heute viel konkreter, dass wir nicht sicher sein können, ob eine bestimmte empirische wissenschaftliche Aussage (z. B. eine Theorie) wahr ist. Die Aussage, dass wir in einer realen Welt leben, ist zwar empirisch gut belegt, aber dennoch kein universell gesichertes Wissen, es gibt ja viele Menschen, die Ihre Überzeugungen über die Realität stellen; sie ist aber unverzichtbare Prämisse wissenschaftlichen Tätigseins. Diese Prämisse ist sinnvoll, solange wir Interesse daran haben, lebensweltliche, technische und wissenschaftliche Probleme, die in der realen Welt verortet sind, zu lösen.
Die Weiterentwicklung des Skeptizismus ist dem bedeutendsten Wissenschafts- und Erkenntnisphilosophen der Neuzeit in der Tradition E. Kants, Karl Raimund Popper zu danken: „Die hier [von Popper] vertretene Auffassung ist grundverschieden von dem, was … ‚Skeptizismus’ genannt wird: Das ist die Theorie, die skeptisch hinsichtlich der Möglichkeit der Erkenntnis ist. Doch die hier vertretene Auffassung baut auf die Möglichkeit des Erkenntnisfortschritts und daher der Erkenntnis. Sie verzichtet lediglich auf die Sicherheit, die der Alltagsverstand als wesentlich für die Erkenntnis hielt … Man wird jemanden kaum als Skeptiker bezeichnen, der an die Möglichkeit unbegrenzten Erkenntnisfortschritts glaubt.“, K. R. Popper, Objektive Erkenntnis – Ein evolutionärer Entwurf, Campe Paperback, 2. Aufl., S.101 f.
Skepsis gegenüber festen Überzeugungen ist sicher angebracht. Da wissenschaftliche Theorien jedoch grundsätzlich fehlbar sind, geht es hier nicht um Skepsis sondern um fundierte Kritik, um zu besseren Theorien zu gelangen.
Da Popper ein vehementer Kritiker der Sprachphilosophie war, überrascht es mich nicht, dass die in der Wolle gefärbte Sprachphilosophin Elke Brendel den führenden Wissenschaftsphilosophen Popper in ihrem wissenschaftsphilosophischen Aufsatz unerwähnt ließ. Das ist schade, denn so blieb dieser Artikel letztlich für die Ansprüche und Erfahrungswelt der Leserschaft dieser Zeitschrift ziemlich unergiebig.
In dem vorgenannten Artikel findet sich das anscheinend unausrottbare falsche Sokrateszitat "ich weiß, dass ich nichts weiß". Diese Zitat lautet, in seiner, bereits stark, aber wenigstens noch nicht sinnentstellend verkürzten Form: "Ich weiß, dass ich nicht weiß." Diese beiden Varianten unterscheiden sich nur durch ein kleines s, das in der falschen Form hinzugefügt worden ist, aber den Sinn völlig entstellt. Eine Professorin für Philosophie sollte eigentlich wissen, dass dieses, aus der von Platon überlieferten Apologie des Sokrates stammende Zitat in der von ihr (falls es sich nicht um einen Übertragungsfehler handelt) verwendeten Form Unsinn ist. Des Weiteren weiß ich nicht, ob sie mit dem Skeptizismus, der, wenn man ihn ernst nimmt, letztlich auf den Solipsismus hinausläuft, nicht eben jenen meint. In der Beziehung scheint mir ihre Argumentation nicht stringent. Zum Dritten wundert es mich, dass sie in ihrer Argumentation gegen den "Skeptizismus" die meiner Ansicht nach einfachste Widerlegung desselben, nämlich Ockhams Rasiermesser völlig außer Acht lässt.
Der immer mögliche Zweifel an der Wahrheit von allen Aussagen über die Welt bedeutet wohl eines der größten philosophischen Rätsel. Zu Unrecht. Da gibt es gar nichts Rätselhaftes. Wir schaffen das Problem selbst, weil wir die Sache nicht richtig betrachten. Das heißt allerdings nicht, dass der Zweifel aus der Welt zu schaffen wäre. Wir lösen das Problem durch die Einsicht, woher der Zweifel stammt. Er ist bereits im Begriff „erkennen“ zwangsläufig logisch eingeschlossen ist.
Der Sachverhalt lässt sich leicht einsehen. Einem erkennenden Wesen steht eine zu erkennende „Welt“ gegenüber. Soweit das Wesen sie erkennen muss, ist sie ihm unbekannt. Es kann nicht auf seine Eigenschaften folgernd schliessen. Wir können auch sagen: „Die zu erkennende Welt ist immer so, wie sie selbst sein will.“ Immer könnte sie anders sein. Daher lässt sich grundsätzlich nie eine Aussage über ihre Beschaffenheit als wahr beweisen. Mit anderen Worten: Beweise haben im Erkenntnisprozess nichts verloren! Aber selbstverständlich können sich manche Sachverhalte als evident erweisen. Niemand kann zum Beispiel im Ernst daran zweifeln, dass der gegenwärtige Präsident der USA Obama heißt. Es ist diese Nichtbeweisbarkeit, welche den Philosophen ihre beliebten Gedankenexperimente mit möglichen Welten erlaubt. Es ist auch diese Nichtbeweisbarkeit, auf welche Popper mit seiner Aussage über die Unmöglichkeit der Verifikation von Allaussagen Bezug nimmt.
Beweise gehören in gedankliche Systeme, in welchen nach exakten Regeln Prozesse durchgeführt werden. In solchen Systemen lässt sich beweisen. Beweisen bedeutet, den Nachweis erbringen, dass das Resultat bei korrektem Vorgehen zwangsläufig folgt. Zu solchen Systemen gehört die Mathematik und gehören viele Spiele, zum Beispiel das Schach. 7 + 8 = 15. Wer etwas anderes sagt, hat falsch gerechnet.
Da gibt es ein Problem, welches uns als Alltagsmenschen verwirrt und wohl die Hauptursache dafür ist, dass wir den skeptischen Zweifel als Problem betrachten. Ich nenne es das „Apfelproblem“. Wir nehmen drei Äpfel und tun sie in einen leeren Korb. Dann nochmals zwei Äpfel. Jetzt befinden sich im Korb fünf Äpfel. Niemand kann dies bestreiten. Also muss die Welt doch der Mathematik gehorchen! Sie muss es nicht. Sie tut es. Sie tut es, weil sich erfahrungsgemäss materielle Gegenstände nicht einfach so in nichts auflösen oder sich auch vermehren. Wir können uns aber leicht eine Welt vorstellen, in welcher ein allmächtiger Weltgeist beim Zusammenfügen von Äpfeln jeweils einen für sich beansprucht. Die Welt könnte anders sein, wir können nie beweisen, dass sie sich immer nach unseren Vorstellungen verhält. Aber dass sie in einem solchen Falle tatsächlich so ist, können wir nach unserer Erfahrung getrost als evident betrachten.
Wenn man einigen Autoren Glauben schenkt, besteht unser freier Wille darin, etwas bereits Vorgefasstes umzusetzen. Viele physiologische Argumente dafür und dagegen sind ausgetauscht worden, philosophische und juristischen Konsequenzen werden diskutiert (Pauen, 2011). Selbst die Erstbeschreiber des Bereitschaftspotenzials [readiness potential, 1964] (Kornhuber und Deecke, 2008) gehen davon aus, dass der Mensch über einen freien Willen verfügt, dass u. a. nicht bei jeder Handbewegung eine substanzielle Willensentscheidung getroffen werden muss. Unabhängig davon, ob zwischen 350 ms (Libet-Experiment) oder bis zu einer Sekunde (Erstbeschreibung) vor einer Handlung die Bereitschaft für eine Entscheidungen gebahnt wird, diese setzt in der Tat voraus, dass Reaktionen schneller ablaufen, als das biologische System per se, d. h. begrenzt durch die Nervenleitgeschwindigkeit und Verarbeitungszeit, zu reagieren in der Lage wäre. An einem praktischen Beispiel der sei dieser Sachverhalt erläutert: Ein Tennisball im Tennis erreicht um die 150 km/h (ca 42 m/s), gelegentlich auch mehr. Nun leiten die schnellsten Nerven etwa 120 m/s. Die Latenz für zwei Synapsen kann grob mit 1 ms überschlagen werden. Die simple Reaktionszeit (Wahrnehmung und Handlung) nach Präsentation eines visuellen Reizes beläuft sich auf zirka 250 ms. Legen wir etwas vereinfacht eine Strecke von einem Meter (Auge bis Schlaghand) zu Grunde, berechnet sich die Geschwindigkeit für die Reizaufnahme und Verarbeitung approximativ zu 1m/250 ms oder 4 m/s. Wie bewerkstelligt das Nerven-Muskelsystem überhaupt, auf eine extrinsische Bewegung, die zehnmal schneller als der zugrunde liegende interne Prozess abläuft, zu reagieren? Und dennoch können Menschen diese Leistung erbringen. Die Frage liegt auf der Hand, ob wir nicht doch Zellen besitzen, die quasi „vor der Zeit“ antworten. Das visuelle System scheint in der Tat über solche Neurone zu verfügen, die, reizt man sie mit einem sich mit konstanter Geschwindigkeit bewegenden Lichtbalken ∆x/∆t, scheinbar früher feuern („negative Latenz“), als experimentell nach der Balkengeschwindigkeit erwartet. Anders ausgedrückt, die Erregung auf dem visuellen Kortex (zwischen zwei Elektroden mit definiertem Abstand) erreicht höhere Geschwindigkeiten als die Geschwindigkeit des stimulierenden externen Balkens (Koch, 1997). Die Latenz von einigen Zellen ist geringer, als man dies erwarten würde. Scheinbar kompensiert das Gehirn intrinsische Zeitverzögerungen und ermöglicht somit eine adäquate Reaktion. Es scheint als verkürze sich die Zeit ∆t bei gleicher Neuroanatomie ∆x? Eine plausible Erklärung für dieses Phänomen gibt es derzeit nicht. Vielleicht spielen veränderte biophysikalische Effekte auf der Nanoebene (Nanotubes, Nanoballs) und die Berechnung der Bahn – sofern Zeit bleibt - eine Rolle? Oder fahren wir, bezogen auf unsere freie Willensentscheidung, quasi ständig in die Vergangenheit wie einst Admiral J. T. Kirk und seine Crew?
Referenzen Koch HJ: Intrinsic neuronal time delays can be compensated in cat visual cortex and frog tectum with regard to motion analysis. Acta Physiol Hung (1997), 303-313 Pauen M: Eine Frage der Selbstbestimmung. Spektrum d. W. 3 (2011), 68-72 Kornhuber HH, Deecke L: Bereitschaftspotential und Willensfreiheit. Schweizer Archiv für Neurologie und Psychiatrie 159 (2008), 133
Auf Seite 38 schreiben Sie: "So sagt die Relativitätstheorie aus, dass in der Urknall-Singularität die Materie des ganzen Universums, die Vorläufer aller heute sichtbaren Galaxien eingeschlossen, in einem einzigen Punkt konzentriert war – nicht in einem kleinen Raum von der Ausdehnung eines Stecknadelkopfes, sondern in einem echten mathematischen Punkt mit der Ausdehnung null. [...] In beiden Fällen ist die Massendichte in einem solchen Punkt, zu berechnen als Masse geteilt durch Volumen, unendlich, denn das Volumen ist null."
Weiter schreiben Sie auf Seite 42: "Quarks und Elektronen allein sind als Grundlage für Uhren ebenfalls ungeeignet, da sie überhaupt keine Größe haben: Sie erscheinen stets punktförmig, einerlei wie dicht ihnen die Teilchenphysiker auf den Leib rücken."
Da Elektronen eine Ruhemasse von größer null, andererseits aber ein Volumen von null haben, bedeutet das dann im Umkehrschluss, dass es sich bei den Elektronen um Singularitäten handelt, wie weiter oben beschrieben? Wenn es aber keine Singularitäten sind, sind sie dann möglicherweise nicht punktförmige Gebilde? Wenn es aber keine punktförmigen Gebilde sind, was sind sie dann?
Stellungnahme der Redaktion
Was das Elektron angeht, so zählt Ihre Frage zu den zahlreichen guten Fragen, auf die es keine Antwort geben kann, weil die Gesetze der Quantenmechanik eine solche vereiteln.
Man kann die Ausdehnung eines Elektrons nicht wirklich messen, weil dazu die Ortsunschärfe beliebig klein sein müsste. Dann aber wäre die Impulsunschärfe entsprechend beliebig groß. Wenn die Physiker das Elektron für "punktförmig" erklären, dann weil es keine Ausdehnung gibt, die das Elektron nachweislich überschreiten würde.
"Aber dann müsste doch die Massendichte unendlich sein?" Schon – aber es kann (s. o.) nicht gelingen, diesen Widerspruch dingfest zu machen. Es stellt sich heraus, dass man Physik mit einem punktförmigen Elektron und endlicher Masse betreiben kann, ohne je auf einen Widerspruch zu stoßen.
Die ganze Masse des Universums in einem Punkt – das ist schon etwas anderes.
Mit Fantasie ist alles möglich, selbst das Dividieren durch null? Es verwundert mich schon, im „Spektrum“ eine Gleichung für Massedichte zu finden, die als Divisor „unendlich“ und „Null“ hat. Sollte man nicht kurz darauf hinweisen, dass eine Funktion wie 1/x nur dann korrekte Ergebnisse liefert, wenn x ungleich null ist? Mathematische Gleichungen mit „unendlich“ möchte ich nicht kommentieren.
Ein Zitat wie „Mit dem Triumph der Urknalltheorie …“ lässt mich ungebildeten Menschen staunend zurück. Wo oder was genau ist denn dieser „Triumph“? Hier möchte ich gern auch eine Gleichung aufstellen.
Stellungnahme der Redaktion
Genau die Sache mit der Division durch null wird in dem Artikel ausführlich diskutiert.
Im Prinzip sind unendliche Größen den Physikern durchaus vertraut. Schon der bei theoretischen Berechnungen beliebte Massenpunkt versammelt eine endliche Masse in einem mathematischen Punkt – da muss die Massendichte in diesem Punkt unendlich sein.
Aber der Massenpunkt ist nur eine Vereinfachung, die das Rechnen erleichtert. Neu an den Singularitäten des Artikels ist, dass sie "ernster gemeint" sind. Da wäre dann tatsächlich eine endliche Masse in einem mathematischen Punkt versammelt.
Die Physiker wissen genau, dass das genau so nicht sein kann, sondern wie beim Massenpunkt nur eine bequeme Näherung an die Realität ist. Allerdings lässt sich mit dieser Näherung trefflich rechnen (wenn man einige spezielle Rechenregeln für das Unendliche richtig anwendet). Wie die Realität hinter der Vereinfachung denn nun wirklich ist – das ist Thema des Artikels.
Es ist in den letzten Jahrzehnten gelungen, so ziemlich alles, was es an kosmologischen Beobachtungen gibt, mit einer einheitlichen Theorie in Einklang zu bringen, der Urknalltheorie. Das nennen die Leute den Triumph dieser Theorie. Ich wüsste allerdings nicht, dass sich diese Theorie in eine oder auch nur wenige Gleichungen fassen ließe.
Maniok, Cassava, Yuca bezeichnet die Pflanze, Tapioka nur die daraus gewonnene Stärke. Außerdem enthält die Pflanze ein Blausäureglykosid - Linamarin - das vor dem Verzehr durch Schälen, Waschen und Kochen entfernt werden muss. Für den Rohgenuss ist sie ernährungsphysiologisch bedenklich einzustufen.
Das an einen Rechner gehängte Gehirn ist eine gruselige Idee, aber die Argumentation gegen diese Vorstellung scheint mir falsch aufgezogen.
Meines Erachtens macht es keinen Unterschied, ob unsere Welt so ist, wie wir sie erfahren oder ob sie nur vorgetäuscht ist. Solange die Dinge so sind, wie sie sind, sind sie so, so oder so. Erst in dem Moment, in dem Dinge möglich sind, die es eigentlich nicht sie, erst dann darf man von einer "Simulation" sprechen.
Ich sehe keine Äpfel, ich sehe das Licht, dass von ihnen ausgeht. Dieses Licht wird von mir wahrgenommen, interpretiert und zum Apfel in mir. Wie viele Kerne er hat, bleibt mir verborgen. - Es ist nichts Ungewöhnliches, dass wir nur ein "Bild" von der Welt haben. Aber im Rahmen dieses Bildes bleibt der Apfel ein Apfel. Erst wenn ich darauf beiße, dann merke ich, dass er aus Wachs ist.
Bevor man darüber sinnvoll spekulieren kann, ob ich nur in einer Petrischale schwimme, sollte man in Wachs gebissen haben, so lange unterscheiden sich die Äpfel nicht.
Zwei Funktionen, die an allen Stellen gleich sind, sind identisch.
Also liebe Skeptiker, ich behaupte, euch gibt es gar nicht. Beweist mir euere Exsistenz.
Der Artikel war wieder einmal sehr interessant zu lesen und doch fehlte die Antwort, was der kleine Unterschied ist. Üblicherweise werden immer kleine Experimente von isolierten Kenntnissen oder Fähigkeiten an einer anderen Spezies probiert. Die Ergebnisse zeigen dann, dass gewisse Fähigkeiten, in unterschiedlichen Ausprägungen, auch bei anderen Spezies vorhanden sind.
Was nicht untersucht wird, ist die Frage, welche andere Spezies außer Homo kann all dies in der Summe meines Erachtens nachgehen vor allem folgende Aspekte immer unter: Welche andere Spezies interessiert sich überhaupt für andere Spezies, außer in den Kategorien Futter, Gefahr oder neutral? Welche, außer der Gattung Homo, möchte denn wissen, was über ihren eigenen "Kultur"- oder Lebensraum noch vorhanden ist? Welche andere Spezies denkt darüber nach, inwieweit eine andere Spezies oder ein Werkzeug permanent zu einem Vorteil eingesetzt werden kann? Welche andere Spezies besitzt etwas wie ein kollektives Gedächtnis und tradiert Erfahrungen derart intensiv wie die Spezies Homo?
Vielleicht gibt es dazu auch Antworten die einen spannenden Artikel ergeben.
Der folgende Satz im Artikel ist grob falsch. Sowohl die Beschreibung wie auch die Begündung treffen nicht zu.
Zitat: "Das liegt an ihrer Nonius-Skala, die aus zwei Maßstäben besteht: einer normalen Millimeterskala und einer anderen, bei der ein Zentimeter in neun statt zehn Teile untergliedert ist. Da die beiden Zahlen keine gemeinsamen Teiler haben, kann jeweils nur ein Strich der Neuner- mit einem der Zehnerskala zusammentreffen."
Korrekt wäre in etwa:
"Das liegt an ihrer Nonius-Skala, die aus zwei Maßstäben besteht: einer normalen Millimeterskala und einer anderen, bei der die Zehnerskala um einen Millimeter verkürzt ist. Da die beiden Zehnerskalen unteschiedliche Teilungslänge haben, kann jeweils nur ein Strich der Nonius- mit einem der normalen Skala zusammentreffen."
Ich könnte noch anmerken, dass es "Schieblehren" ohnehin nicht gibt - die korrekte Bezeichnung lautet "Meßschieber".
Für die Verwendung der Bezeichnung "Schieblehre" gab es zu meiner Lehrzeit mindestens einen tadelnden Blick des Ausbilders.
Bei dieser Rezension drängt sich mir der Verdacht auf, dass hier ein Gläubiger (Christ?) von dem eigentlichen wissenschaftlichen Inhalt des Buches und den Ergebnissen ablenken will. Wenn – wie Gerald Wolf behauptet – nichts Neues, Besseres oder Brauchbareres bei diesem Buch herausgekommen ist, warum schreibt er dann eine Rezension für "Spektrum"?
Es gibt bis heute keine allgemein anerkannte wissenschaftliche Definition des Phänomens Religion. Dies ist aber nicht wenig erstaunlich, wie der Rezensent Wolf hinsichtlich der Glaubensvielfalt festhält, sondern höchst erstaunlich, wie der Autor des Buches feststellt. Immerhin gibt es seit Jahrhunderten theologische Lehrstühle, jede Menge gläubige Naturwissenschaftler und seit neuestem auch Religionswissenschaftler, die exakt diese Definition erbringen müssten, so sie könnten oder wollten. Als Biologe sollte Herr Wolf wissen, dass man auch trotz Millionen Arten von Lebewesen sagen kann, was Biologie ist.
Wolf fällt ein vernichtendes Urteil über das Buch und den Autor, wenn er sagt, dass weder eine bessere noch ein brauchbarere Definition dabei herausgekommen ist. Brauchbar für wen oder was? Im Vergleich zu den bisherigen Definitionen, die mit dem nicht messbaren, nicht erklärlichen Transzendenten spielen, kommt bei Andreas Kilian sogar eine erstaunlich präzise und streng biologische Definition des Begriffs Religion heraus, mit der Naturwissenschaftler arbeiten können. Es ist weltweit die erste biologische Definition dieses Phänomens! Möge bitte die Wissenschaft selbst entscheiden, ob diese brauchbarer ist.
Auch der suggestive Hinweis, dass mit dem Zitat von Ambrose Bierce doch schon alles gesagt sei, ist nicht die Hälfte der Wahrheit. Wolf zitiert Kilians Definition erst gar nicht, obwohl sie wesentlich weiter greift.
Richtig bemerkt Wolf, dass Kilian verhältnismäßig wenig auf neurobiologische Ergebnisse eingeht. Dies ist aber nicht verwunderlich, da der Schwerpunkt des Buches auf verhaltensbiologischen Aspekten liegt.
Der Rezensent lobt zwar den klug formulierten Text und die Logik des Autors, stellt ihn aber in die Ecke von Richard Dawkins und Daniel Dennett. Hier gehört Andreas Kilian nun wirklich nicht hin, denn der konsequent wissenschaftlich-biologische und nicht polemische Ansatz bildet eine eigenständige Forschungsarbeit.
Verwunderlich ist auch, dass dem Biologen Kilian eine fehlende Antwort auf die Sinnfrage vorgeworfen wird. Herr Wolf, selber Biologe und Mediziner, sollte eigentlich wissen, dass die Evolution gerichtet, aber nicht zielgerichtet verläuft. Herr Kilian arbeitet als Biologe also vollkommen korrekt, wenn er nicht auf den Sinn von evolutiven Ereignissen oder "letzten" Sinnfragen eingeht, sondern stattdessen nach dem Zweck der Argumentationsebene Religion fragt. Und eine mögliche Antwort ist korrekterweise die Interpretationshoheit, nach der alle Vertreter der Religionen streben.
Völlig untragbar ist der persönliche Angriff des Rezensenten auf den Autor. Suggestivfragen nach persönlichen Problemen des Autors sind unter der Gürtellinie und gehören nicht in eine Zeitschrift wie "Spektrum der Wissenschaft". Hier disqualifiziert sich der Rezensent.
Am Ende unterstellt Herr Wolf die Überflüssigkeit des Buches, wenn er resümiert, was der Mensch damit anfangen soll, wo er doch einen rettenden Strohhalm der herzerwärmenden Lebenslügen haben will. Nun, möge dies jeder Leser selbst entscheiden, ob er wissenschaftlich und intellektuell kühl, aber hochkarätig mitdiskutieren möchte. Argumente und Ergebnisse findet er bei Kilian.
Auch die Behauptung, dass man unter diesem Titel ebenfalls die "großen und letzten" Fragen der Quantenmechanik und Astrophysik hätte beschreiben können, weist in die Ecke Überflüssigkeit. Herr Wolf übersieht offensichtlich den Unterschied zwischen Ursache und Wirkung in dem Titel "Die Logik der Nicht-Logik" und der Alternative des Zufalls in "Logik" oder "Nicht-Logik".
Mit seiner Behauptung, dass die Gottesfrage auch unter Einhaltung streng wissenschaftlicher Kriterien hier mitspielt, erhärtet sich noch einmal der Verdacht, dass der Rezensent wohl selber gläubig ist. Wissenschaftler arbeiten bekanntlich nicht mit dieser Hypothese. Sie sollte auch bei dem biologisch-kulturellen Phänomen Religion sowie dessen Definition außen vor bleiben können.
Stellungnahme der Redaktion
O Gott!, drängt es mich als Atheisten auszurufen.
Herr Overbeck hat die Formulierung wie auch die Intention der Rezension missverstanden. Einen Großteil meines Textes habe ich auf die Würdigung des Buchinhaltes verwendet, wobei ich im Sinne Kilians - anders als von Herrn Overbeck dargestellt - weit mehr dem Religionsskeptiker als dem Gläubigen das Wort rede. Das Ringen um eine neue Definition mag dem Autor zwar ein wichtiges Anliegen gewesen sein, im Buch aber nimmt es verhältnismäßig wenig Raum ein. Weit mehr Respekt ist der Leistung Kilians für die Analyse des Phänomens Religion zu zollen – ich stelle ihn insoweit in eine Reihe mit Dawkins und Dennett!
Dass nach wie vor eine allgemein akzeptierte Definition für Religion fehlt, hat Gründe, die ähnlich auch für die begriffliche Abgrenzung von Obst und Gemüse gelten. (Üblich ist "essbare Früchte" versus "essbare Nichtfrüchte". Aber das passt schon für Gurke und Tomate nicht. Ähnlich hängt von der Enge oder der Weite der Religionsdefinition ab, ob man den Schamanismus und den Buddhismus hinzurechnet.) Oder sollten die vom Autor entwickelten Begriffsbestimmungen wirklich einen solchen (von mir verkannten) Durchbruch bedeuten?
1. Religion (Definition »allgemein«, S. 205): Angstminderndes Konzept aus Betrug und Selbstbetrug, um seine Egoismen besser ausleben zu lassen.
2. Religion (Definition »biologisch«, S. 176 und 205): Durch ego-zentrierte neuronale Module hervorgerufene Erschaffung, individuelle Bereitstellung und tradierte Aufrechterhaltung einer nicht-logischen Argumentationsebene, um seine individuellen Egoismen mit und gegen seine Gruppenmitglieder rechtfertigen, durchsetzen und befriedigen zu können.
Beide Definitionen sind wenig spezifisch und vernachlässigen zudem ein durchaus auch evolutionsbiologisch begründbares sozialstrategisches Prinzip: den Altruismus. Der Begriff kommt bezeichnenderweise im Sachregister des Buches gar nicht vor, im Gegensatz zu dem des Egoismus, für den hier zig Seiten angegeben werden. Bei allen Problemen und Gefahren, die den Religionen durch egoistisch Motivierte oder Verleitete innewohnen, darf nicht übersehen werden, dass es viele Menschen gibt, die in ihrer Haltung zum Glauben von Selbstlosigkeit, Edelsinn und Herzensgüte geprägt sind. Wer zum Zynismus neigt, mag freilich selbst im Uneigennutz den Eigennutz entdecken - das »egoistische« Stiften von Mit-Freude etwa oder das Überwinden von Mit-Leid durch Mildtätigkeit. Anders als die Religionsdefinition des Autors zeugt die von Ambrose Bierce zitierte (zugegeben, ein Bonmot eher) wenigstens von Witz.
Herr Overbeck verübelt, dass ich auf den wunderschönen Titel von Kilians Werk auch für Bücher zur Quantenmechanik oder zur Astrophysik rekurriere. Jeder denkende Mensch, zumal jeder Naturwissenschaftler, muss fasziniert sein, wenn er vernimmt, dass es auf diesen Feldern mit den Prinzipien unserer gewohnten Logik ebenfalls hapert. Und wie sympathisch: Die jeweiligen Fachvertreter kokettieren damit sogar!
Meine persönliche Haltung ist in einem Interview nachzulesen, das am 20. April in "Christ und Welt" (Beilage zu "Die Zeit") erschienen ist.
Je weniger man über eine Sache weiß, desto trefflicher lässt sich darüber offenbar spekulieren. Mehr aber auch nicht – nach der Lektüre dieses Artikels war ich auch nicht klüger als zuvor, was das Wesen der Zeit angeht und deren Zukunft. So waren die Erläuterungen zu verschiedenen Szenarien viel zu verkürzt, um die dahinterstehenden theoretischen Konzepte und Begründungen plausibel und nachvollziehbar zu vermitteln, und bei all dem Geschwafel über „Strings“, „Branes“, „Phantomenergie“ u. dgl. vermisste ich eine klare Feststellung der Tatsache, dass keinerlei empirische Evidenz für eine physikalische Realität derartiger theoretischer Konstrukte vorliegt.
Korrekte Nonius-Skala
27.04.2011, Reinhard Göller, KarlsruheBewusstsein ist mehrdeutig
26.04.2011, Dr. Thomas Schmidt, PullachIn dem Artikel wird Bewusstsein als „Erscheinen einer Welt“ in Sinn von Wahrnehmung und individuellen Verstellungen bezeichnet, wobei es vor allem auch um die Erforschung des „neuronalen Korrelates“ dieses Wahrnehmungs-Bewusstseins geht.
Der Begriff „Bewusstsein“ ist jedoch mehrdeutig. In dem Buch „Das Ich und sein Bewusstsein“ von J. Eccles und K. Popperwird der Begriff „Bewusstsein“ für vier verschiedene „Geisteszustände“ verwendet, wobei Nr. 2 und 3 etwa der Definition im Artikel von Tobias Schlicht entsprechen:
1. Geistige Präsenz, Wachsein
2. Sinnliche Wahrnehmung
3. Ergebnisse unseres Denkens (Erkenntnisse/ Vorstellungen)
4. Emotionen, Erinnerungen, Träume
In seinem Buch „Der Geist fiel nicht vom Himmel“ sieht Hoimar von Ditfurth das Bewusstsein hingegen als typisches Merkmal der Spezies Mensch an. Nach diesem Verständnis dürfte Bewusstsein bei Tieren und Pflanzen nicht vorhanden sein. Wendet man dieses Kriterium auf die oben angeführten vier Definitionen an, so wird es von keinem dieser Definitionen erfüllt.
ad 1. Wach sein, geistig präsent sein, ist nicht auf uns Menschen begrenzt. Auch Tiere schlafen oder können betäubt sein.
ad 2. Auch Tiere und Pflanzen nehmen sinnlich wahr.
ad 3. Auch Ansätze zum Denken treten bereits im Tierreich auf, wie es in Teil 4 Ihrer Serie beschrieben wird.
ad 4. Erinnerungen, Gefühle (Freude, Angst) und Träume sind auch bei Tieren vorhanden.
Die Frage ist, wie sich eine Systemeigenschaft „Bewusstsein“ der Spezies Mensch definieren ließe. Darauf gibt Hoimar von Ditfurth in seinem erwähnten Buch bei der Beschreibung des Großhirns und dessen Fähigkeit zu denken einen Hinweis:
„Durch die Ablösung der bloßen Intention zum Handeln vom konkreten motorischen Vollzug ließ sie [die Evolution] einen „innerer Raum“, einen Vorstellungsraum, entstehen. In diesem konnte eine Handlung in der bloßen Vorstellung auf ihre Konsequenzen überprüft werden, bevor diese real hingenommen werden müssen.“ (S. 301, 2. Abschnitt)
Diese Ablösung der bloßen Intension zum Handeln vom konkreten motorischen Vollzug ermöglicht es, dass wir uns gewisser Wahrnehmungen undSituationen bewusst werden, nachdenken können und gegebenenfalls überlegt handeln. Diese Entkopplung von Wahrnehmen und Handeln könnte man als evolutives Bewusstsein bezeichnen.
Auf der Nichtbewusstseins-Ebene, die für alle anderen Lebewesen charakteristisch ist, sind Wahrnehmen und Handeln fast immer eine geschlossene Ablaufeinheit, die artspezifisch genetisch fixiert ist und ein Nachdenken nicht zulässt.
Die Definition eines evolutiven Bewusstseins wäre so ein „radikaler Schluss, dass Bewusstsein nicht auf irgendeinen physikalischen Vorgang reduziert werden könne“, wie in dem Artikel auf Seite 68 (Kasten) erwähnt wird. Diese Sichtweise setzt, wie erwähnt, voraus, dass man „Bewusstsein“ als artspezifisches Strukturmerkmal des menschlichen Großhirns ansieht und nicht als individuelle Wahrnehmungen im Sinne von „Erscheinen einer Welt“, denen mit Sicherheit ein neuronales Korrelat zugrunde liegt.
Kritik oder Skepsis
26.04.2011, Wolfram Gorisch, MünchenDiesem globalen, ich würde eher sagen universellen Anspruch des Skeptizismus wird mit guten Gründen entgegengehalten, dass es zumindest sichere Erkenntnis sei, dass wir in einer realen Außenwelt leben. Sollte es sich tatsächlich so verhalten, dass wir in einer realen Außenwelt leben, dann wäre auf Grund der Widerlegung mittels eines Gegenbeispiels der universelle Skeptizismus gescheitert. Zu seiner Rettung konstruierten die Skeptizisten die Alternative des in Nährlösung schwimmenden separierten Gehirns, das von einem verkabelten Computer mit (fehlleitenden) Erfahrungen versorgt wird („… had my brain been removed from my body, placed in a vat of nutrients, and wired up to a computer which was providing me with a coherent sequence of (misleading) experiences“,OCP, p795).
Diese Konstruktion ist zwar kritisierbar (siehe unten), aber empirisch nicht widerlegbar. Sie gehört deshalb gemäß des popperschen Abgrenzungskriteriums in den Bereich der Metaphysik, wie auch z. B. die Annahme eines steuernden Allmächtigen eine metaphysische Behauptung ist, oder die Annahme einer Vorsehung oder des vorherbestimmenden Determinismus. Die Skeptizisten nehmen also für sich in Anspruch, ein grundlegendes pessimistisches Dogma über die Nichterfassbarkeit der empirischen Welt zu statuieren, sich zugleich aber gegen empirische Kritik mit metaphysischen, also unangreifbaren Entgegenhaltungen wehren zu dürfen. Das halte ich für unerlaubte philosophische Eristik. Außerdem, der innere Widerspruch bzw. die Antinomie des universellen Skeptizismus besteht darin, einerseits die Existenz wahrer Aussagen zu bestreiten, andererseits auf der Wahrheit seiner eigenen Aussage zu bestehen, indem er sie sogar mit ungültigen Argumenten zu retten versucht. Meine daran anschließende Kritik besteht im Vorwurf, dass der Skeptizismus nicht zwischen empirischem Wissen und metaphysischen Aussagen unterscheidet.
Ich nehme mir jetzt das Recht heraus, die zunächst metaphysische Annahme vom verkabelten Gehirn in Nährlösung nunmehr als empirische Behauptung zu interpretieren und skizziere einige ihrer Konsequenzen wie folgt:
Wissenschaft: Um die Zusammenhänge im Universum besser zu verstehen, befragt mein (verkabeltes) Gehirn den SHC und das Hubble Teleskop. Der allwissende Computer versorgt mich mit SHC Daten und Hubble Bildern, gibt mir die Gedanken zu deren Interpretation ein und veranlasst mich, neue Ideen und Theorien zu entwickeln, die eigentlich die seinen sind. Der mich steuernde Computer muss also konsistentes Wissen über alle Gesetze seines modellierten Universums besitzen. Der Computer muss über das wahre Weltwissen verfügen, andernfalls versinken die Forschungsanstrengungen des von ihm beherrschten Forschergehirns im Chaos. Der Skeptizist, der diesen Computer extra erfunden hat, muss nun anerkennen, dass es wahres Wissen gibt, selbst wenn es sich um das Wissen eines Computers handelt. Da der Computer dem Gehirn diese Wahrheit aber nicht weitergeben darf, sonst verfügte dieses Gehirn ja über Wahrheit, was nicht sein darf, muss der Skeptizist dem Computer also gequält vorschreiben, mitunter „fehlleitende“ Erfahrungen weiterzugeben. Es muss schon eine rechte Selbstgeißelung sein, diesen Computer ausgerechnet diese für ihn unbequemen Gedanken mir eingeben zu lassen.
Mitmenschen: Der Computer suggeriert mir die Existenz von Mitmenschen mittels entsprechender künstlicher Bilder und Laute, die wie Sprache klingen. Ich bin mir meiner Existenz als Einzelwesen zwar sicher, aber darüberhinaus unsicher, ob es außer mir noch andere menschliche Wesen gibt.
Tod: Die Nutrition meines Gehirns ist optimal eingerichtet; mein Tod ist nicht vorgesehen. Verletzungen sind zwar schmerzhaft aber nie lebensgefährlich, da sie nur Phantomglieder betreffen.
Der Universalskeptizist kommt um die Wissbarkeit von einer realen Welt letztlich doch nicht herum, denn entweder leben wir in einer realen Welt, oder der Computer arbeitet in einer eigenen realen Welt oder der Supercomputer, der den Computer steuert, lebt in der seinigen und so fort. Außerdem muss der Skeptizist auch für sich akzeptieren, dass seine Überzeugungen ihm in Wirklichkeit von Computern injiziert wurden. Das ganze Konzept scheint mir abstrus bis zur Lächerlichkeit. Wegen seiner mangelhaften philosophischen Rechtfertigung hat es in meinen Augen nicht einmal einen philosophischen Aussagewert, ungeachtet seiner Stilisierung als Paradeargument.
So wichtig und notwendig der Skeptizismus zu Anfang in der Ablehnung des Dogmatismus war, so überholt ist seine universelle Ausformung heute. Natürlich ist es meistens angebracht Wahrheitsbehauptungen gegenüber skeptisch zu sein, aber es ist eine andere Art Skepsis. Hieß es früher, dass es fraglich ist, ob wir in der Lage sind, wahre Aussagen zu treffen, so heißt es heute viel konkreter, dass wir nicht sicher sein können, ob eine bestimmte empirische wissenschaftliche Aussage (z. B. eine Theorie) wahr ist. Die Aussage, dass wir in einer realen Welt leben, ist zwar empirisch gut belegt, aber dennoch kein universell gesichertes Wissen, es gibt ja viele Menschen, die Ihre Überzeugungen über die Realität stellen; sie ist aber unverzichtbare Prämisse wissenschaftlichen Tätigseins. Diese Prämisse ist sinnvoll, solange wir Interesse daran haben, lebensweltliche, technische und wissenschaftliche Probleme, die in der realen Welt verortet sind, zu lösen.
Die Weiterentwicklung des Skeptizismus ist dem bedeutendsten Wissenschafts- und Erkenntnisphilosophen der Neuzeit in der Tradition E. Kants, Karl Raimund Popper zu danken: „Die hier [von Popper] vertretene Auffassung ist grundverschieden von dem, was … ‚Skeptizismus’ genannt wird: Das ist die Theorie, die skeptisch hinsichtlich der Möglichkeit der Erkenntnis ist. Doch die hier vertretene Auffassung baut auf die Möglichkeit des Erkenntnisfortschritts und daher der Erkenntnis. Sie verzichtet lediglich auf die Sicherheit, die der Alltagsverstand als wesentlich für die Erkenntnis hielt … Man wird jemanden kaum als Skeptiker bezeichnen, der an die Möglichkeit unbegrenzten Erkenntnisfortschritts glaubt.“, K. R. Popper, Objektive Erkenntnis – Ein evolutionärer Entwurf, Campe Paperback, 2. Aufl., S.101 f.
Skepsis gegenüber festen Überzeugungen ist sicher angebracht. Da wissenschaftliche Theorien jedoch grundsätzlich fehlbar sind, geht es hier nicht um Skepsis sondern um fundierte Kritik, um zu besseren Theorien zu gelangen.
Da Popper ein vehementer Kritiker der Sprachphilosophie war, überrascht es mich nicht, dass die in der Wolle gefärbte Sprachphilosophin Elke Brendel den führenden Wissenschaftsphilosophen Popper in ihrem wissenschaftsphilosophischen Aufsatz unerwähnt ließ. Das ist schade, denn so blieb dieser Artikel letztlich für die Ansprüche und Erfahrungswelt der Leserschaft dieser Zeitschrift ziemlich unergiebig.
Sokrates weiß und weiß nicht
26.04.2011, Fritz Kronberg, RondeshagenDes Weiteren weiß ich nicht, ob sie mit dem Skeptizismus, der, wenn man ihn ernst nimmt, letztlich auf den Solipsismus hinausläuft, nicht eben jenen meint. In der Beziehung scheint mir ihre Argumentation nicht stringent.
Zum Dritten wundert es mich, dass sie in ihrer Argumentation gegen den "Skeptizismus" die meiner Ansicht nach einfachste Widerlegung desselben, nämlich Ockhams Rasiermesser völlig außer Acht lässt.
"Erkennen" richtig verstehen
26.04.2011, Karl Hostettler, Aadorf (Schweiz)Der Sachverhalt lässt sich leicht einsehen. Einem erkennenden Wesen steht eine zu erkennende „Welt“ gegenüber. Soweit das Wesen sie erkennen muss, ist sie ihm unbekannt. Es kann nicht auf seine Eigenschaften folgernd schliessen. Wir können auch sagen: „Die zu erkennende Welt ist immer so, wie sie selbst sein will.“ Immer könnte sie anders sein. Daher lässt sich grundsätzlich nie eine Aussage über ihre Beschaffenheit als wahr beweisen. Mit anderen Worten: Beweise haben im Erkenntnisprozess nichts verloren! Aber selbstverständlich können sich manche Sachverhalte als evident erweisen. Niemand kann zum Beispiel im Ernst daran zweifeln, dass der gegenwärtige Präsident der USA Obama heißt. Es ist diese Nichtbeweisbarkeit, welche den Philosophen ihre beliebten Gedankenexperimente mit möglichen Welten erlaubt. Es ist auch diese Nichtbeweisbarkeit, auf welche Popper mit seiner Aussage über die Unmöglichkeit der Verifikation von Allaussagen Bezug nimmt.
Beweise gehören in gedankliche Systeme, in welchen nach exakten Regeln Prozesse durchgeführt werden. In solchen Systemen lässt sich beweisen. Beweisen bedeutet, den Nachweis erbringen, dass das Resultat bei korrektem Vorgehen zwangsläufig folgt. Zu solchen Systemen gehört die Mathematik und gehören viele Spiele, zum Beispiel das Schach. 7 + 8 = 15. Wer etwas anderes sagt, hat falsch gerechnet.
Da gibt es ein Problem, welches uns als Alltagsmenschen verwirrt und wohl die Hauptursache dafür ist, dass wir den skeptischen Zweifel als Problem betrachten. Ich nenne es das „Apfelproblem“. Wir nehmen drei Äpfel und tun sie in einen leeren Korb. Dann nochmals zwei Äpfel. Jetzt befinden sich im Korb fünf Äpfel. Niemand kann dies bestreiten. Also muss die Welt doch der Mathematik gehorchen! Sie muss es nicht. Sie tut es. Sie tut es, weil sich erfahrungsgemäss materielle Gegenstände nicht einfach so in nichts auflösen oder sich auch vermehren. Wir können uns aber leicht eine Welt vorstellen, in welcher ein allmächtiger Weltgeist beim Zusammenfügen von Äpfeln jeweils einen für sich beansprucht. Die Welt könnte anders sein, wir können nie beweisen, dass sie sich immer nach unseren Vorstellungen verhält. Aber dass sie in einem solchen Falle tatsächlich so ist, können wir nach unserer Erfahrung getrost als evident betrachten.
Wie schnell geht das Denken oder gibt es eine biologische Re
26.04.2011, Dr. Dr. Horst Koch, AueAn einem praktischen Beispiel der sei dieser Sachverhalt erläutert: Ein Tennisball im Tennis erreicht um die 150 km/h (ca 42 m/s), gelegentlich auch mehr. Nun leiten die schnellsten Nerven etwa 120 m/s. Die Latenz für zwei Synapsen kann grob mit 1 ms überschlagen werden. Die simple Reaktionszeit (Wahrnehmung und Handlung) nach Präsentation eines visuellen Reizes beläuft sich auf zirka 250 ms. Legen wir etwas vereinfacht eine Strecke von einem Meter (Auge bis Schlaghand) zu Grunde, berechnet sich die Geschwindigkeit für die Reizaufnahme und Verarbeitung approximativ zu 1m/250 ms oder 4 m/s. Wie bewerkstelligt das Nerven-Muskelsystem überhaupt, auf eine extrinsische Bewegung, die zehnmal schneller als der zugrunde liegende interne Prozess abläuft, zu reagieren? Und dennoch können Menschen diese Leistung erbringen.
Die Frage liegt auf der Hand, ob wir nicht doch Zellen besitzen, die quasi „vor der Zeit“ antworten. Das visuelle System scheint in der Tat über solche Neurone zu verfügen, die, reizt man sie mit einem sich mit konstanter Geschwindigkeit bewegenden Lichtbalken ∆x/∆t, scheinbar früher feuern („negative Latenz“), als experimentell nach der Balkengeschwindigkeit erwartet. Anders ausgedrückt, die Erregung auf dem visuellen Kortex (zwischen zwei Elektroden mit definiertem Abstand) erreicht höhere Geschwindigkeiten als die Geschwindigkeit des stimulierenden externen Balkens (Koch, 1997). Die Latenz von einigen Zellen ist geringer, als man dies erwarten würde. Scheinbar kompensiert das Gehirn intrinsische Zeitverzögerungen und ermöglicht somit eine adäquate Reaktion. Es scheint als verkürze sich die Zeit ∆t bei gleicher Neuroanatomie ∆x? Eine plausible Erklärung für dieses Phänomen gibt es derzeit nicht. Vielleicht spielen veränderte biophysikalische Effekte auf der Nanoebene (Nanotubes, Nanoballs) und die Berechnung der Bahn – sofern Zeit bleibt - eine Rolle? Oder fahren wir, bezogen auf unsere freie Willensentscheidung, quasi ständig in die Vergangenheit wie einst Admiral J. T. Kirk und seine Crew?
Referenzen
Koch HJ: Intrinsic neuronal time delays can be compensated in cat visual cortex and frog tectum with regard to motion analysis. Acta Physiol Hung (1997), 303-313
Pauen M: Eine Frage der Selbstbestimmung. Spektrum d. W. 3 (2011), 68-72
Kornhuber HH, Deecke L: Bereitschaftspotential und Willensfreiheit. Schweizer Archiv für Neurologie und Psychiatrie 159 (2008), 133
Singularitäten
25.04.2011, Andreas Bergmann, HaselWeiter schreiben Sie auf Seite 42: "Quarks und Elektronen allein sind als Grundlage für Uhren ebenfalls ungeeignet, da sie überhaupt keine Größe haben: Sie erscheinen stets punktförmig, einerlei wie dicht ihnen die Teilchenphysiker auf den Leib rücken."
Da Elektronen eine Ruhemasse von größer null, andererseits aber ein Volumen von null haben, bedeutet das dann im Umkehrschluss, dass es sich bei den Elektronen um Singularitäten handelt, wie weiter oben beschrieben? Wenn es aber keine Singularitäten sind, sind sie dann möglicherweise nicht punktförmige Gebilde? Wenn es aber keine punktförmigen Gebilde sind, was sind sie dann?
Was das Elektron angeht, so zählt Ihre Frage zu den zahlreichen guten Fragen, auf die es keine Antwort geben kann, weil die Gesetze der Quantenmechanik eine solche vereiteln.
Man kann die Ausdehnung eines Elektrons nicht wirklich messen, weil dazu die Ortsunschärfe beliebig klein sein müsste. Dann aber wäre die Impulsunschärfe entsprechend beliebig groß. Wenn die Physiker das Elektron für "punktförmig" erklären, dann weil es keine Ausdehnung gibt, die das Elektron nachweislich überschreiten würde.
"Aber dann müsste doch die Massendichte unendlich sein?" Schon – aber es kann (s. o.) nicht gelingen, diesen Widerspruch dingfest zu machen. Es stellt sich heraus, dass man Physik mit einem punktförmigen Elektron und endlicher Masse betreiben kann, ohne je auf einen Widerspruch zu stoßen.
Die ganze Masse des Universums in einem Punkt – das ist schon etwas anderes.
Dr. Christoph Pöppe, Redaktion
Fantasie gegen Logik und Realität
25.04.2011, Wilfried Köhler, Bad SalzuflenEin Zitat wie „Mit dem Triumph der Urknalltheorie …“ lässt mich ungebildeten Menschen staunend zurück. Wo oder was genau ist denn dieser „Triumph“? Hier möchte ich gern auch eine Gleichung aufstellen.
Genau die Sache mit der Division durch null wird in dem Artikel ausführlich diskutiert.
Im Prinzip sind unendliche Größen den Physikern durchaus vertraut. Schon der bei theoretischen Berechnungen beliebte Massenpunkt versammelt eine endliche Masse in einem mathematischen Punkt – da muss die Massendichte in diesem Punkt unendlich sein.
Aber der Massenpunkt ist nur eine Vereinfachung, die das Rechnen erleichtert. Neu an den Singularitäten des Artikels ist, dass sie "ernster gemeint" sind. Da wäre dann tatsächlich eine endliche Masse in einem mathematischen Punkt versammelt.
Die Physiker wissen genau, dass das genau so nicht sein kann, sondern wie beim Massenpunkt nur eine bequeme Näherung an die Realität ist. Allerdings lässt sich mit dieser Näherung trefflich rechnen (wenn man einige spezielle Rechenregeln für das Unendliche richtig anwendet). Wie die Realität hinter der Vereinfachung denn nun wirklich ist – das ist Thema des Artikels.
Es ist in den letzten Jahrzehnten gelungen, so ziemlich alles, was es an kosmologischen Beobachtungen gibt, mit einer einheitlichen Theorie in Einklang zu bringen, der Urknalltheorie. Das nennen die Leute den Triumph dieser Theorie. Ich wüsste allerdings nicht, dass sich diese Theorie in eine oder auch nur wenige Gleichungen fassen ließe.
Dr. Christoph Pöppe, Redaktion
Genial
22.04.2011, Markus KocheisePflanze, Stärke und Gift
20.04.2011, Dr. Norbert Mundigler, WienMal andersrum
20.04.2011, Harald Weiche, GarbsenMeines Erachtens macht es keinen Unterschied, ob unsere Welt so ist, wie wir sie erfahren oder ob sie nur vorgetäuscht ist. Solange die Dinge so sind, wie sie sind, sind sie so, so oder so. Erst in dem Moment, in dem Dinge möglich sind, die es eigentlich nicht sie, erst dann darf man von einer "Simulation" sprechen.
Ich sehe keine Äpfel, ich sehe das Licht, dass von ihnen ausgeht. Dieses Licht wird von mir wahrgenommen, interpretiert und zum Apfel in mir. Wie viele Kerne er hat, bleibt mir verborgen. - Es ist nichts Ungewöhnliches, dass wir nur ein "Bild" von der Welt haben. Aber im Rahmen dieses Bildes bleibt der Apfel ein Apfel. Erst wenn ich darauf beiße, dann merke ich, dass er aus Wachs ist.
Bevor man darüber sinnvoll spekulieren kann, ob ich nur in einer Petrischale schwimme, sollte man in Wachs gebissen haben, so lange unterscheiden sich die Äpfel nicht.
Zwei Funktionen, die an allen Stellen gleich sind, sind identisch.
Also liebe Skeptiker, ich behaupte, euch gibt es gar nicht. Beweist mir euere Exsistenz.
Unterschiede Mensch zu Tier
20.04.2011, Sven Schmidt, StuttgartWas nicht untersucht wird, ist die Frage, welche andere Spezies außer Homo kann all dies in der Summe meines Erachtens nachgehen vor allem folgende Aspekte immer unter: Welche andere Spezies interessiert sich überhaupt für andere Spezies, außer in den Kategorien Futter, Gefahr oder neutral? Welche, außer der Gattung Homo, möchte denn wissen, was über ihren eigenen "Kultur"- oder Lebensraum noch vorhanden ist? Welche andere Spezies denkt darüber nach, inwieweit eine andere Spezies oder ein Werkzeug permanent zu einem Vorteil eingesetzt werden kann? Welche andere Spezies besitzt etwas wie ein kollektives Gedächtnis und tradiert Erfahrungen derart intensiv wie die Spezies Homo?
Vielleicht gibt es dazu auch Antworten die einen spannenden Artikel ergeben.
Grober technischer Fehler im Artikel
20.04.2011, Werner BeckerZitat:
"Das liegt an ihrer Nonius-Skala, die aus zwei Maßstäben besteht: einer normalen Millimeterskala und einer anderen, bei der ein Zentimeter in neun statt zehn Teile untergliedert ist. Da die beiden Zahlen keine gemeinsamen Teiler haben, kann jeweils nur ein Strich der Neuner- mit einem der Zehnerskala zusammentreffen."
Korrekt wäre in etwa:
"Das liegt an ihrer Nonius-Skala, die aus zwei Maßstäben besteht: einer normalen Millimeterskala und einer anderen, bei der die Zehnerskala um einen Millimeter verkürzt ist. Da die beiden Zehnerskalen unteschiedliche Teilungslänge haben, kann jeweils nur ein Strich der Nonius- mit einem der normalen Skala zusammentreffen."
Ich könnte noch anmerken, dass es "Schieblehren" ohnehin nicht gibt - die korrekte Bezeichnung lautet "Meßschieber".
Für die Verwendung der Bezeichnung "Schieblehre" gab es zu meiner Lehrzeit mindestens einen tadelnden Blick des Ausbilders.
Gläubiger versus Wissenschaftler
19.04.2011, Martin Overbeck, WolfenbüttelEs gibt bis heute keine allgemein anerkannte wissenschaftliche Definition des Phänomens Religion. Dies ist aber nicht wenig erstaunlich, wie der Rezensent Wolf hinsichtlich der Glaubensvielfalt festhält, sondern höchst erstaunlich, wie der Autor des Buches feststellt. Immerhin gibt es seit Jahrhunderten theologische Lehrstühle, jede Menge gläubige Naturwissenschaftler und seit neuestem auch Religionswissenschaftler, die exakt diese Definition erbringen müssten, so sie könnten oder wollten. Als Biologe sollte Herr Wolf wissen, dass man auch trotz Millionen Arten von Lebewesen sagen kann, was Biologie ist.
Wolf fällt ein vernichtendes Urteil über das Buch und den Autor, wenn er sagt, dass weder eine bessere noch ein brauchbarere Definition dabei herausgekommen ist. Brauchbar für wen oder was? Im Vergleich zu den bisherigen Definitionen, die mit dem nicht messbaren, nicht erklärlichen Transzendenten spielen, kommt bei Andreas Kilian sogar eine erstaunlich präzise und streng biologische Definition des Begriffs Religion heraus, mit der Naturwissenschaftler arbeiten können. Es ist weltweit die erste biologische Definition dieses Phänomens! Möge bitte die Wissenschaft selbst entscheiden, ob diese brauchbarer ist.
Auch der suggestive Hinweis, dass mit dem Zitat von Ambrose Bierce doch schon alles gesagt sei, ist nicht die Hälfte der Wahrheit. Wolf zitiert Kilians Definition erst gar nicht, obwohl sie wesentlich weiter greift.
Richtig bemerkt Wolf, dass Kilian verhältnismäßig wenig auf neurobiologische Ergebnisse eingeht. Dies ist aber nicht verwunderlich, da der Schwerpunkt des Buches auf verhaltensbiologischen Aspekten liegt.
Der Rezensent lobt zwar den klug formulierten Text und die Logik des Autors, stellt ihn aber in die Ecke von Richard Dawkins und Daniel Dennett. Hier gehört Andreas Kilian nun wirklich nicht hin, denn der konsequent wissenschaftlich-biologische und nicht polemische Ansatz bildet eine eigenständige Forschungsarbeit.
Verwunderlich ist auch, dass dem Biologen Kilian eine fehlende Antwort auf die Sinnfrage vorgeworfen wird. Herr Wolf, selber Biologe und Mediziner, sollte eigentlich wissen, dass die Evolution gerichtet, aber nicht zielgerichtet verläuft. Herr Kilian arbeitet als Biologe also vollkommen korrekt, wenn er nicht auf den Sinn von evolutiven Ereignissen oder "letzten" Sinnfragen eingeht, sondern stattdessen nach dem Zweck der Argumentationsebene Religion fragt. Und eine mögliche Antwort ist korrekterweise die Interpretationshoheit, nach der alle Vertreter der Religionen streben.
Völlig untragbar ist der persönliche Angriff des Rezensenten auf den Autor. Suggestivfragen nach persönlichen Problemen des Autors sind unter der Gürtellinie und gehören nicht in eine Zeitschrift wie "Spektrum der Wissenschaft". Hier disqualifiziert sich der Rezensent.
Am Ende unterstellt Herr Wolf die Überflüssigkeit des Buches, wenn er resümiert, was der Mensch damit anfangen soll, wo er doch einen rettenden Strohhalm der herzerwärmenden Lebenslügen haben will. Nun, möge dies jeder Leser selbst entscheiden, ob er wissenschaftlich und intellektuell kühl, aber hochkarätig mitdiskutieren möchte. Argumente und Ergebnisse findet er bei Kilian.
Auch die Behauptung, dass man unter diesem Titel ebenfalls die "großen und letzten" Fragen der Quantenmechanik und Astrophysik hätte beschreiben können, weist in die Ecke Überflüssigkeit. Herr Wolf übersieht offensichtlich den Unterschied zwischen Ursache und Wirkung in dem Titel "Die Logik der Nicht-Logik" und der Alternative des Zufalls in "Logik" oder "Nicht-Logik".
Mit seiner Behauptung, dass die Gottesfrage auch unter Einhaltung streng wissenschaftlicher Kriterien hier mitspielt, erhärtet sich noch einmal der Verdacht, dass der Rezensent wohl selber gläubig ist. Wissenschaftler arbeiten bekanntlich nicht mit dieser Hypothese. Sie sollte auch bei dem biologisch-kulturellen Phänomen Religion sowie dessen Definition außen vor bleiben können.
O Gott!, drängt es mich als Atheisten auszurufen.
Herr Overbeck hat die Formulierung wie auch die Intention der Rezension missverstanden. Einen Großteil meines Textes habe ich auf die Würdigung des Buchinhaltes verwendet, wobei ich im Sinne Kilians - anders als von Herrn Overbeck dargestellt - weit mehr dem Religionsskeptiker als dem Gläubigen das Wort rede. Das Ringen um eine neue Definition mag dem Autor zwar ein wichtiges Anliegen gewesen sein, im Buch aber nimmt es verhältnismäßig wenig Raum ein. Weit mehr Respekt ist der Leistung Kilians für die Analyse des Phänomens Religion zu zollen – ich stelle ihn insoweit in eine Reihe mit Dawkins und Dennett!
Dass nach wie vor eine allgemein akzeptierte Definition für Religion fehlt, hat Gründe, die ähnlich auch für die begriffliche Abgrenzung von Obst und Gemüse gelten. (Üblich ist "essbare Früchte" versus "essbare Nichtfrüchte". Aber das passt schon für Gurke und Tomate nicht. Ähnlich hängt von der Enge oder der Weite der Religionsdefinition ab, ob man den Schamanismus und den Buddhismus hinzurechnet.) Oder sollten die vom Autor entwickelten Begriffsbestimmungen wirklich einen solchen (von mir verkannten) Durchbruch bedeuten?
1. Religion (Definition »allgemein«, S. 205): Angstminderndes Konzept aus Betrug und Selbstbetrug, um seine Egoismen besser ausleben zu lassen.
2. Religion (Definition »biologisch«, S. 176 und 205): Durch ego-zentrierte neuronale Module hervorgerufene Erschaffung, individuelle Bereitstellung und tradierte Aufrechterhaltung einer nicht-logischen Argumentationsebene, um seine individuellen Egoismen mit und gegen seine Gruppenmitglieder rechtfertigen, durchsetzen und befriedigen zu können.
Beide Definitionen sind wenig spezifisch und vernachlässigen zudem ein durchaus auch evolutionsbiologisch begründbares sozialstrategisches Prinzip: den Altruismus. Der Begriff kommt bezeichnenderweise im Sachregister des Buches gar nicht vor, im Gegensatz zu dem des Egoismus, für den hier zig Seiten angegeben werden. Bei allen Problemen und Gefahren, die den Religionen durch egoistisch Motivierte oder Verleitete innewohnen, darf nicht übersehen werden, dass es viele Menschen gibt, die in ihrer Haltung zum Glauben von Selbstlosigkeit, Edelsinn und Herzensgüte geprägt sind. Wer zum Zynismus neigt, mag freilich selbst im Uneigennutz den Eigennutz entdecken - das »egoistische« Stiften von Mit-Freude etwa oder das Überwinden von Mit-Leid durch Mildtätigkeit. Anders als die Religionsdefinition des Autors zeugt die von Ambrose Bierce zitierte (zugegeben, ein Bonmot eher) wenigstens von Witz.
Herr Overbeck verübelt, dass ich auf den wunderschönen Titel von Kilians Werk auch für Bücher zur Quantenmechanik oder zur Astrophysik rekurriere. Jeder denkende Mensch, zumal jeder Naturwissenschaftler, muss fasziniert sein, wenn er vernimmt, dass es auf diesen Feldern mit den Prinzipien unserer gewohnten Logik ebenfalls hapert. Und wie sympathisch: Die jeweiligen Fachvertreter kokettieren damit sogar!
Meine persönliche Haltung ist in einem Interview nachzulesen, das am 20. April in "Christ und Welt" (Beilage zu "Die Zeit") erschienen ist.
Prof. Dr. Gerald Wolf, Magdeburg
Viel Spekulation und wenig Wissen
19.04.2011, Walter Pfohl, München