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Lexikon der Neurowissenschaft: posttraumatische Belastungsstörung

posttraumatische Belastungsstörung w [von latein. post = nach, griech. trauma = Wunde], posttraumatisches Streßsyndrom, traumatische Neurose, E posttraumatic stress disorder (Abk. PTSD), posttraumatic-psychoreactive stress syndrome, psychische Reaktion auf ein traumatisches Ereignis, also im Gefolge eines stark emotional belastenden Geschehens (psychisches Trauma), z.B. Unfall, Gewalttat oder Krieg (daher früher als "Bomben- oder Kriegsneurose" bezeichnet). Betroffen sind etwa 25% aller einem psychischen Trauma ausgesetzten Menschen (bei Vergewaltigungen noch mehr). Das Syndrom kann mitunter erst Jahre nach dem Ereignis ausbrechen. Symptome sind Alpträume, Angstattacken, immer wiederkehrende Erinnerungen (Blitzlicht-Erinnerung, "Flashback"), Halluzinationen, Vermeidungsreaktionen, Identitätsstörungen (dissoziative Identitätsstörung), Amnesien (posttraumatische Amnesie, psychogenes Weglaufen), Bewußtseinsstörungen, eine allgemeine, unspezifische Leistungsschwäche, Schlaf-, Konzentrations- und Denkstörungen, Kontaktschwäche, Phobien, Depressionen bis hin zum Suizid. Ursache der teilweise Jahrzehnte andauernden PTSD ist wahrscheinlich eine Konditionierung von Angst über die Amygdala. Als Therapie wird eine psycho- oder sozialtherapeutische Betreuung eingesetzt, evtl. auch Sedativa. Die Nachwirkungen können aber auch dann lange anhalten. Gespräche sind wichtig, eine Tabuisierung, wie sie oft aufgrund von Scham, falscher Rücksichtnahme oder Feigheit entweder vom Betroffenen selbst oder von der Umwelt ausgeht, erschwert die Besserung. Die Streßstörung bleibt nicht immer auf die Opfer beschränkt, sondern zeigt sich mitunter noch bei ihren Nachkommen, z.B. bei später geborenen Kindern von Überlebenden des Holocausts. – PTSD, z.B. nach sexuellem Mißbrauch in der Kindheit oder bei Kriegsveteranen, scheint mit einem um bis zu 20% und mehr verkleinerten Hippocampus zu korrelieren. Unklar ist, ob diese Veränderung eine Ursache des Traumas ist (weil sie z.B. die Sensibilität dafür erhöht) oder eher die Folge (entweder direkt oder indirekt aufgrund von Alkohol- und Drogenmißbrauch, die traumatische Erfahrungen häufig nach sich ziehen). Tierversuche mit Ratten, Mäusen und Affen haben gezeigt, daß starker, aber zeitlich begrenzter Streß Dendriten im Hippocampus vorübergehend schrumpfen läßt (was von Hormonen der Nebennierenrinde vermittelt wird; siehe Zusatzinfo ). Hält der Streß an, werden die Veränderungen irreversibel. Belastungsstörungen.

Lit.: Ehlers, A.: Posttraumatische Belastungsstörung. Göttingen, Bern 1999. Maercker, A. (Hrsg.): Therapie der posttraumatischen Belastungsstörungen. Berlin u.a. 1997. Saigh, P.A. (Hrsg): Posttraumatische Belastungsstörung. Bern 1995.

posttraumatische Belastungsstörung

Psychische Störungen aufgrund von Kindheitserfahrungen:
Wie schon S. Freud vermutete, können frühkindliche Erfahrungen zu verschiedenen psychischen Störungen führen. Experimente mit Makaken ergaben indirekte Hinweise für die Richtigkeit dieser Hypothese. Zunächst wurden die Mütter von 30 Affenbabys in drei Gruppen eingeteilt und über zwölf Wochen hinweg unterschiedlich mit Nahrung versorgt: Die eine Gruppe bekam direkt und ausreichend Futter dargeboten, die andere mußte es sich selbst aus aufgeschütteten Holzhaufen herausgraben oder mit Geschicklichkeitstests verdienen, bei der dritten wurde alle zwei Wochen zwischen diesen beiden Alternativen gewechselt (die Babys aller Mütter bekamen jeweils ausreichend Nahrung). Die Mütter dieser dritten Gruppe entwickelten die meisten Streßsymptome und kümmerten sich am wenigsten um ihren Nachwuchs. Zwei Jahre später zeigte dieser eine stärkere Furcht bei neuen Situationen und größere Angst bei vorübergehender Trennung von der Mutter als der Nachwuchs der Kontrollgruppen. Die Cerebrospinalflüssigkeit der Kinder der gestreßten Mütter enthielt auch viel größere Konzentrationen des Streßhormons Corticoliberin (Abk. CRF) als die ihrer gleichaltrigen Artgenossen, und zwar unabhängig davon, ob deren Mütter ihre Nahrung ausreichend und leicht oder knapp und schwierig erhielten. Die Unregelmäßigkeit und Nichtvorhersehbarkeit der Fütterungsart war bei den Weibchen also Streßauslöser, und dies bekamen ihre Kinder zu spüren. CRF und seine Rezeptoren sind in vielen Hirnregionen lokalisiert, die vermutlich bei Angststörungen und Depressionen eine Rolle spielen (z.B. präfrontaler Cortex, Cingulum, Insula, Amygdala). Hohe CRF-Werte sind auch typisch für Menschen mit Angst- und posttraumatischen Belastungsstörungen, die eine Folge von Mißbrauch oder Vernachlässigung in der Kindheit sein können. So zeigten Hormonmessungen, daß Frauen, die in ihrer Kindheit sexuell mißbraucht oder geschlagen wurden, als Erwachsene einen sechsfach höheren Spiegel von ACTH (adrenocorticotropes Hormon) und Cortisol hatten als unversehrte Frauen gleichen Alters, und zwar unabhängig davon, ob sie nun unter einer Depression litten oder nicht. Die Ausschüttung von ACTH und Cortisol wird von CRF gesteuert.

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