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Grams' Sprechstunde: Der Danach-also-deswegen-Fehlschluss

Wenn's uns nach einer Krankheit besser geht, wissen wir oft sofort, warum - und liegen damit dann gerne völlig falsch. Das macht uns zur leichten Beute für Scharlatane.
Salbeitee

Neulich meldete sich nach einer meiner öffentlichen Veranstaltungen zum Thema Homöopathie ein Universitätsdozent und beschwor, dass die Homöopathie eine Wirkung haben müsse. Denn: Nach langjähriger Behandlung eines schweren Hautausschlags sei dieser nach der Gabe eines weiteren Homöopathikums einfach verschwunden. Was für ein schöner, erhellender Beleg – für den »Post-hoc-ergo-propter-hoc«-Fehlschluss.

Diese »Danach-also-deswegen«-Problematik kennen wir alle, Patienten wie Therapeuten, in diversen Varianten: Man bemerkt Halsweh, man gurgelt mit Salbeitee, das Halsweh geht weg. Klar geht man nun davon aus, dass der Salbeitee geholfen hat. Klar enthält Salbeitee antimikrobielle und entzündungswidrige Wirkstoffe – allerdings ist eben nicht klar, dass wirklich und ursächlich der Salbeitee geholfen hat. Immerhin verschwindet Halsweh in der Regel ja auch von selbst wieder. Wir alle neigen stark dazu, jede Verbesserung der zuletzt unternommenen Medikation oder Intervention zuzuschreiben. Doch das bleibt immer bloß eine Interpretation, solange nicht nachgewiesen ist, was wirklich den Ausschlag gegeben hat.

Eigentlich wäre das nun kein Problem, wenn der allgegenwärtige Fehlschluss nicht oft etwas sehr Wichtiges unterminieren würde: das Vertrauen in die Selbstheilungskräfte und das Verständnis für den natürlichen Verlauf einer Erkrankung.

Denn vieles vergeht von selbst, vieles schafft der Körper allein. In meiner täglichen Aufklärungsarbeit verstehe ich mich, zusammen mit vielen anderen Skeptikern, daher quasi als »Anwältin der Selbstheilungskräfte«. Ich möchte diese Kräfte in Schutz nehmen und vor der Vereinnahmung durch Therapeuten und fehlschließende Selbstanwender verteidigen!

Beim Heilen helfen lassen

Kritikern der »Alternativmedizin« wie mir wird oft unterstellt, sie wollten nur BigPharma zu noch mehr Profiten beim Medikamentenverkauf verhelfen oder hätten ein durch Wissenschaft beschränktes Weltbild. Überhaupt, so heißt es häufig aus der Ecke der »Alternativmediziner«, würden Wissenschaft und »Schulmedizin« mit Arroganz und Überheblichkeit einhergehen.

Ich meine, wir dürfen an dieser Stelle von Therapeuten und selbst ernannten Heilern mehr Demut verlangen. Ein altertümlicher Begriff, ich weiß. Aber es ist anmaßend, wenn die Selbstheilungskräfte und der natürliche Verlauf zur Gesundung ohne ein Hinterfragen als Effekt der eigenen Intervention gekapert werden. Es ist Selbstheilungspiraterie.

Und es ist alles andere als demütig. Vielleicht sind Anhänger der Alternativmedizin nun irritiert – doch wirklich demütig, ehrlich und realistisch ist deutlich eher jeder, der den Selbstheilungskräften und dem natürlichen Verlauf die Bedeutung zugesteht, die ihnen zukommt.

Kurz: Es hilft, die Natur helfen zu lassen – aber es bleibt wichtig herauszufinden, wie dies geschieht. In klinischen Studien zur Überprüfung von Wirkungen von Medikamenten und Interventionen wird daher gerade auf den »Post-hoc-ergo-propter-hoc«-Fehlschluss geachtet, um ihn zu vermeiden. Ein Vergleich mit einem Placebo ist genau deshalb etabliert worden, weil auch die gefühlte Behandlung, dieses »Etwas wurde getan und eingenommen!«, bereits eine eigene Wirkung hat. Gerade in der Rückschau, wenn es einem besser geht, ist es schwer bis unmöglich, selbst herauszufinden, was denn nun wirklich die Verbesserung gebracht hat. Den Unterschied zwischen Korrelation (dem rein zeitlichen Zusammenhang) und Kausalität (dem ursächlichen, bedingenden Zusammenhang) zu verstehen, hilft wesentlich dabei, den Unterschied zwischen guter Medizin und gut gemeinter Scheinmedizin festzumachen.

Aus guten Gründen sind wir deshalb in der Medizin dazu übergegangen, Einzelerfahrungen nicht als »Beweis« zu deklarieren und statt einer viele Ursachen in Betracht zu ziehen. Was am Ende dem Menschen am besten geholfen hat – die Selbstheilungsfähigkeit, der natürliche Verlauf, die vergangene Zeit, der Placeboeffekt oder die spezifische Wirkung eines Medikaments oder einer Therapie –, ist im Einzelfall nicht leicht zu unterscheiden. Dafür brauchen wir standardisierte Bedingungen und einen möglichst neutralen Blick von weit außen und über längere Zeit auf viele vergleichbare Patienten. Sprich: Studien. Studien fassen die Erfahrungen von vielen zusammen und blieben so objektiver, als ein einzelner Anwender oder Therapeut es je sein könnte. Sie lassen uns auch beurteilen, ob wirklich etwas gewirkt hat oder Glück, Zufall und Selbstheilung – ganz sanft – am Werk waren.

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