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Warkus' Welt: Guter Stoff zum Philosophieren

Zumindest dem Klischee nach sind Philosophen des Kiffens eher unverdächtig. Doch wie steht es mit dem Erkenntnisgewinn unter Drogeneinfluss? Unser Philosophie-Kolumnist Matthias Warkus geht dieser und weiteren Sachen nach.
Ein Joint liegt bereit
Nach einem Joint kommt man schnell mal ins Philosophieren. Was sagt das über die Erkenntnisse, die man dabei gewinnt? Auf der Suche nach Antwort lassen sich historische Parallelen ziehen.
Gibt es vernünftige Rassisten? Hat nicht nur der Ärger unseres Vorgesetzten eine Ursache, sondern auch alles andere auf der Welt? Und was ist eigentlich Veränderung? Der Philosoph Matthias Warkus stellt in seiner Kolumne »Warkus’ Welt« philosophische Überlegungen zu alltäglichen Fragen an.

Zum 1. April gab der Bundestag »das Hanf frei«, um den Urgrünen Hans-Christian Ströbele zu zitieren (Ältere werden sich erinnern). Die eingeschränkte Legalisierung ist ein guter Anlass, sich einmal damit zu beschäftigen, was die Philosophie zum Thema Hanf beziehungsweise Drogen ganz allgemein zu sagen hat. Um eines vorwegzunehmen: Fertige Antworten sollte man nicht erwarten. Die Philosophie dealt ja seit jeher lieber mit bewusstseinserweiternden Fragen.

Dröseln wir doch einmal auf. Zwei Felder, in denen psychoaktive Substanzen in der Philosophie eine Rolle spielen könnten, lassen sich recht schnell abhaken: Erstens seine Funktion als möglicherweise bei im Fach Tätigen besonders beliebtes Mittel der Freizeitgestaltung. Das können wir deshalb abhaken, weil das Klischee die Philosophie eher mit Alkohol in Verbindung bringt als mit Marihuana. Aber selbst, wenn es anders wäre und sich Philosophen tatsächlich nach Feierabend besonders häufig einen Joint genehmigen würden, braucht das mit ihrer denkerischen Tätigkeit nichts zu tun zu haben.

Schon interessanter ist das zweite Feld. Nutzen Menschen, die philosophische Texte schreiben und über die Texte anderer Leute nachdenken, dazu vielleicht gerne bestimmte Substanzen? Hier ist die Antwort ein sonores Ja, denn selbstverständlich erfreut sich das gute alte Koffein in der Philosophie ebenso großer Beliebtheit wie bei anderen Schreibtischberufen. Zudem wird, soweit ich das beurteilen kann, unter Philosophinnen und Philosophen vergleichsweise viel geraucht, wenn auch längst nicht mehr in dem Maße, wie es etwa die notorische Kettenraucherin Hannah Arendt repräsentierte.

Und wie steht es um ihren Cannabiskonsum? Da es in allen sozialen Schichten und Berufsgruppen Alltagskiffer genauso gibt wie Alltagsraucher, wird es auch in der Philosophie Menschen geben, die Cannabis bei der Arbeit begleitet. Nun wird inzwischen allerdings nicht nur in der Theorie der Naturwissenschaften, sondern auch darüber hinaus allgemein akzeptiert: Ob einer zugedröhnt am Schreibtisch gesessen hat, als ihm ein guter Gedanke kam, oder frisch ausgeschlafen, macht diesen Gedanken nicht mehr oder weniger wertvoll oder nachdenkenswert. Anders gesagt: Die Genese beziehungsweise der Entdeckungskontext ist unabhängig von der Geltung beziehungsweise dem Begründungskontext.

Mittelchen zum Zweck

Bleibt noch die Auseinandersetzung mit dem Drogenkonsum als Gegenstand philosophischen Nachdenkens. Ein oft hervorgehobener Aspekt ist die Leistungssteigerung. In den letzten Jahren hat sich eine ganze Teildisziplin entwickelt, die Neuroethik, die sich damit beschäftigt, wie mit »Enhancement«-Techniken umzugehen ist. Solche Techniken steigern die Fähigkeiten des Menschen, sei es durch Pharmaka, sei es durch Gentechnik oder elektronische Eingriffe. In dieser Diskussion geht es um hypothetische Szenarien, aber auch alltägliche Praktiken wie die weit verbreitete Einnahme von Methylphenidat (Ritalin) als »Lerndroge«. Ist es fair gegenüber anderen, wenn ich ein Medikament nehme und damit quasi die Disziplin, die ich nicht aus mir selbst heraus aufbringe, chemisch substituiere?

Und was ist mit den Auswirkungen auf den Charakter: Dass eine Studentin, die versucht, sich auf den Kommentar zum Allgemeinen Teil des BGB zu konzentrieren, immer wieder davon abgelenkt wird, dass ihr geniale Ideen dafür kommen, welche Musikstücke man miteinander remixen könnte – ist das nicht Teil ihrer Persönlichkeit? Kann und soll man das einfach so abstellen?

Eine Brücke zur Mystik

Cannabis ist weniger bekannt dafür, leistungssteigernd zu wirken. Philosophisch interessant sind am ehesten noch seine leicht bewusstseinsverändernden Effekte. Beim Kiffen erleben manche eine Veränderung der Wahrnehmung von Farben oder des Zeitgefühls; manche haben das Empfinden, gerade auf besonders bedeutsame Gedanken zu kommen; verspüren Gefühle des »Einsseins«. Hier lässt sich die Brücke schlagen zu einem historisch bedeutenden, aber auch umstrittenen Thema, nämlich der so genannten mystischen Erfahrung. Dabei werden in der Regel bestimmte Erlebnisse diskutiert, die etwa bei Meditations- oder Gebetspraktiken vorkommen und oft religiös konnotiert sind (es aber nicht sein müssen).

Bewusstsein, Erfahrung, Erkenntnis sind nun Megathemen der Philosophie. Ein Knackpunkt bei mystischen Erlebnissen ist die Frage, ob sie uns auch etwas vermitteln, was man als »Wissen« bezeichnen darf, und wenn ja, worüber. Vielleicht erfüllt das, was man aus solchen Erfahrungen mitnimmt, nicht die Kriterien, die die Philosophie gemeinhin an Wissen anlegt, zum Beispiel, weil es sich nicht in Worte fassen lässt oder keinen inhaltlichen Gegenstand hat. Mit Einsichten oder Erlebnissen im THC-Rausch könnte es sich ähnlich verhalten.

In der buddhistischen, aber auch christlichen Tradition gibt es etwa die Vorstellung, durch Entleerung des Geistes von allen Gedanken und Wahrnehmungen das eigene Bewusstsein als solches, quasi »nackt«, zu erleben. Bereits die theoretische Möglichkeit eines solchen »Pure Consciousness Events« wird von anderen heftig bestritten. Wie ohnehin jede mystische und religiöse Erfahrung steht sie heute in dem Ruf, sich auf die profane Aktivität irgendwelcher Gehirnzellen zurückführen zu lassen. Andererseits: Trifft das nicht auf jede Erfahrung überhaupt zu? Was folgt daraus? Und hat es eine Bedeutung, dass man außergewöhnliche Erfahrungen unter Umständen durch den bloßen Konsum bestimmter Pflanzenteile leichter erreichen kann?

Der Einfluss von psychoaktiven Substanzen auf den menschlichen Geist und sein Verhältnis zu sich selbst ist offensichtlich ein Thema, mit dem sich die Philosophie sinnvoll auseinandersetzen kann. Aber man kann auch den Eindruck bekommen, dass der Geist und sein Verhältnis zu sich selbst bereits vor jeder pharmakologischen Einwirkung ein hinreichend komplexes Thema ist.

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