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Lexikon der Astronomie: Pyknonukleare Reaktionen

Es handelt sich um eine besondere Form von Kernreaktionen, die nur bei extrem hohen Massendichten ablaufen (grch. pyknos: dicht). Die Stellarphysiker Cameron (1959), Van Horn und Salpeter (1969) sind die Pioniere auf diesem Gebiet. Auf typischen Zeitskalen von 100000 Jahren ereignen sich folgende pyknonukleare Reaktionen:

  • Wasserstoff verwandelt sich in Helium (oberhalb etwa 106 g/cm3),
  • Helium-4 in Kohlenstoff-12 (oberhalb etwa 8 × 108 g/cm3),
  • und Kohlenstoff-12 in Magnesium-24 (oberhalb etwa 1010 g/cm3).

pykno vs. β

Es werden also aus leichteren Elementen durch diese Reaktionen schwerere Elemente. Damit handelt es sich um konkurrierende Prozesse zu den inversen β-Zerfällen, die gerade die Neutronisierung von Neutronensternen herbeiführen.

Was passiert mikrophysikalisch?

Die Behandlung fällt in den Bereich der Kernphysik und Festkörperphysik. Eine mikrophysikalische Erklärung für pyknonukleare Reaktionen gestaltet sich wie folgt: die Atomkerne sind bei diesen hohen Dichten in ein Gitter eingebaut, wie bei einem Festkörper. Gemäß der Quantentheorie weisen sie eine endliche Nullpunktsenergie auf (siehe auch Quantenvakuum). Normalerweise stoßen sich die positiven Atomkerne ab, aber wenn die Dichte zunimmt, kann ihre Nullpunktsenergie ausreichen, um diesen Coulomb-Wall zu überwinden. Auch der quantenmechanische Tunneleffekt gewährleistet eine Überwindung des Walls, auch wenn die Energie klassisch nicht ausreichen würde (analog dem radioaktiven α-Zerfall). Die so genannte WKB-Methode (nach Wentzel, Kramers, Brillouin, 1926) liefert dann quantenmechanisch konsistent einen Transmissionskoeffizienten, der gerade die Wahrscheinlichkeit für die pyknonukleare Reaktion angibt. Diese Reaktionsrate wird allerdings maßgeblich von Verunreinigungen im Gitter (Defekte) und von endlichen Temperaturen beeinflusst.
Die neueren Berechnungen von Van Horn und Salpeter nahmen realistischere Gitterpotentiale an und berücksichtigten außerdem Gitteranisotropien. Dies korrigierte die kritischen Dichten der einzelnen Spezies nach oben und senkte die Reaktionsraten ab.

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  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

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