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Lexikon der Biologie: Strahlenbelastung

Strahlenbelastung, Gesamtheit der Einwirkungen natürlicher und künstlicher ionisierender Strahlen (u.a. Alphastrahlen, Betastrahlen, Gammastrahlen, Röntgenstrahlen, Ultraviolett, Proton, Neutron; Bestrahlung, Ionisation) auf Organismen, die somatische und genetische Schäden verursachen können (Strahlenschäden), i.w.S. auch die bislang noch wenig erforschte Einwirkung bestimmter Arten von Radiowellen (Radar, Mikrowellen; Elektrosmog). Für Mobiltelefone wurde der SAR-Wert (spezifische Absorptionsrate) als Maß für die von einem kg biologischem Gewebe absorbierte Energiemenge eingeführt (Grenzwert in Deutschland: 2W/kg). – Die natürliche Strahlenbelastung setzt sich aus der kosmischen, der terrestrischen und der inneren Strahlung (durch Aufnahme natürlicher Radionuklide) zusammen. Sie ist starken Schwankungen unterworfen (u.a. durch die Schwankungen der Sonnenaktivität) und vom geographischen Standort abhängig (Höhe über dem Meeresspiegel: Zunahme der Strahlung mit der Höhe [kosmische Strahlung]; Breitengrad: im allgemeinen leichte Zunahme vom Äquator zu den Polen; Gesteine: z.B. Granit mit Kalium-40 und anderen radioaktiven Isotopen). Jeder Mensch in Deutschland ist einer natürlichen Strahlenbelastung von durchschnittlich 2,4 mSv/Jahr (1 mSv = 103Sievert) ausgesetzt (Strahlendosis [Kleindruck]), wovon die kosmische etwa 0,3 und die terrestrische Strahlenbelastung ca. 0,5 mSv/Jahr ausmachen. Der Rest beruht auf der inneren Strahlung, wobei das Edelgas Radon mit 1,4 mSv/Jahr den größten Beitrag liefert. Wegen der Akkumulierung im Körper (Radiotoxizität) ist die Strahlenbelastung durch inkorporierte Radionuklide von Bedeutung. (Häufig handelt es sich dabei um Radionuklide, die von künstlichen Strahlenquellen stammen.) So reichern sich z.B. Strontium 90 und Blei 210 in Knochen an und können Knochenschäden sowie Leukämie verursachen (Krebs). Die Strahlenbelastung durch künstliche bzw. zivilisatorische Strahlenquellen beträgt durchschnittlich für jeden heute in Deutschland lebenden Menschen ca. 1,6 mSv/Jahr ( vgl. Tab. ). Zu den künstlichen Strahlenbelastungen gehören u.a.: Fallout („radioaktiver Niederschlag“) infolge von Kernwaffenversuchen und Reaktorunfällen, Strahlen-Exposition durch kerntechnische Anlagen und vor allem durch medizinische Strahlenanwendung (Bestrahlungsverfahren, Nuklearmedizin, Strahlentherapie, Röntgendiagnostik; Röntgenstrahlen). Durch letztere wird – statistisch gesehen – jeder Mensch in Deutschland mit ca. 1,5 mSv/Jahr belastet. Die Verwendung radioaktiver Stoffe und ionisierender Strahlen in Technik, Forschung, Landwirtschaft und Haushalt belastet den Menschen durchschnittlich mit ca. 0,02 mSv/Jahr. Da manche Baumaterialien (z.B. Bimsbaustoffe, Fliesen und andere) radioaktive Substanzen (u.a. Radon) enthalten, ist man unter Umständen im Haus einer relativ hohen Strahlenbelastung (etwa 0,05–0,2 mSv/Jahr) ausgesetzt (Baubiologie). Gelangen Radionuklide auf bzw. in den Boden, so können sie von den Pflanzen über die Wurzeln bzw. Blätter aufgenommen werden. Der häufige Genuß solcher Pflanzen bzw. Pflanzenteile (Gemüse, z.B. Hülsenfrüchte [Hülsenfrüchtler] oder Obst) bzw. von Fleisch solcher Tiere, die sich von strahlenbelasteten Pflanzen ernährt haben, kann zu einer ständigen Strahlenbelastung führen, wenn es sich bei den aufgenommenen Radionukliden um solche mit einer mehrjährigen Halbwertszeit (z.B. Cäsium 137) handelt (Radioaktivität). Das Problem der Strahlenbelastung ist durch die Reaktorkatastrophe am 26.4.1986 in Tschernobyl, bei der nahezu ganz Europa und auch andere Teile der nördlichen Hemisphäre von radioaktivem Niederschlag (Fallout) betroffen wurden ( vgl. Abb. ), der breiten Öffentlichkeit eindringlich bewußt geworden und hat zu einer Neubewertung der Risiken der Kernenergietechnik geführt. Bestrahlungssyndrom, Mutagene, Strahlenbiologie, Strahlenschutz, relative biologische Wirksamkeit.

Ch.G./M.F.



Strahlenbelastung

Die Kurve gibt den zeitlichen Verlauf der kumulierten Aktivität der Beta-Strahlung (

ca. 30% der Gesamtaktivität) in den Jahren 1955–1986 an (Meßreihe der Universität München, Meßort: München). Die Spitzenwerte (Peaks) in den Jahren 1957 und 1963 beruhen auf der großen Zahl oberirdischer Kernwaffentests (vgl. Zahlen über der Kurve), die in der Mitte der 1960er Jahre stark abnahm. Der deutliche Abfall der Kurve hängt auch damit zusammen, daß viele Radionuklide mit einer relativ kleinen Halbwertszeit vorhanden waren. Der sprunghafte Kurvenanstieg im Jahre 1986 beruht auf der Tschernobyl-Reaktorkatastrophe. Hier war eine weniger rasche Abnahme der Aktivität zu erwarten, da überwiegend Cäsium 137 mit einer Halbwertszeit von 30 Jahren vorliegt. – Unmittelbar nach dem Tschernobyl-Unglück hatte radioaktiver Regen z.B. im Süden Deutschlands eine Kontaminierung der Böden durch Iod 131, Cäsium 137 und Strontium 90 zur Folge. Auf einer Wiese im Kreis Ravensburg wurde ein Spitzenwert von 50.000 Becquerel Iod 131 pro kg Boden gemessen – der natürliche Wert liegt zwischen 2 und 10 Becquerel! (Iod 131 hat allerdings eine Halbwertszeit von nur ca 8 Tagen.) Heute, 17 Jahre nach dem Reaktorunfall, sind die Folgen in Deutschland kaum noch zu spüren, allerdings immer noch nachweisbar: Milch ist nicht mehr belastet, bei Pilzen werden nur noch wenig belastete Exemplare gefunden, auch das Wild sowie Wildfrüchte sind kaum noch mit radioaktivem Cäsium 137 belastet.

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