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Lexikon der Chemie: Strukturaufklärung

Strukturaufklärung, Strukturanalytik, Konstitutionsaufklärung, Ermittlung der Struktur eines Moleküls oder Festkörpers.

Bis etwa 1950 geschah die S. ausschließlich mit chem. Methoden. Für organische Kohlenstoffverbindungen lassen sich durch Vorproben allgemeine Strukturmerkmale ermitteln. Aus der anschließenden quantitativen Elementaranalyse ergeben sich die Prozentgehalte der Elemente. Zugleich kann eine Verhältnisformel, z. B. (C7H4O2)x, ermittelt werden. Anschließende Molmassebestimmung, die in klassischer Weise meist durch Gefrierpunktserniedrigung (Kryoskopie) erfolgt, führt zur Größe x, z. B. x = 2. Damit steht die Bruttoformel C14H8O4 fest, für die zahlreiche Konstitutionsisomere möglich sind. Durch weitere chem. Reaktionen ist deshalb das Kohlenstoffgerüst (aliphatisch, alicyclisch, heterocyclisch oder aromatisch) zu ermitteln, und vorhandene funktionelle Gruppen sind durch Nachweisreaktionen zu suchen. Dazu dienen zahlreiche bekannte Nachweisreagenzien, z. B. Fehlingsche Lösung oder Tollens' Reagens zum Nachweis der reduzierenden Wirkung, Dinitrophenylhydrazin zum Nachweis von Aldehyden und Ketonen. Handelt es sich bei der Substanzprobe um eine bereits in der Literatur beschriebene Verbindung, versucht man ihre Identität durch Vergleich der physikalischen Konstanten, durch Überführung in zwei verschiedene kristalline Derivate und Vergleich von deren Schmelzpunkten mit Literaturwerten zu ermitteln. Ist die Verbindung absolut neu und durch Synthese die wahrscheinliche Konstitution nicht gegeben, weil es sich um einen aus Naturprodukten isolierten Stoff handelt, kann die S. unter Umständen sehr aufwendig sein, besonders mit klassischen chem. Methoden (oxidative Abbaureaktionen u. a.).

Wesentlich schneller erhält man Informationen über das Kohlenstoffgerüst und seinen sterischen Bau sowie über die Anwesenheit funktioneller Gruppen mit physikalischen, vorwiegend spektroskopischen Methoden. Weitere Vorteile gegenüber den chem. Methoden sind der weitaus kleinere Substanzbedarf, die zerstörungsfreie Untersuchung (außer in der Massenspektrometrie) und die damit verbundene Möglichkeit der Rückgewinnung der Probe. Die Anwendung der modernen Methoden der S. (Tab.). hat zu einer Effektivierung der S. geführt. So wurden z. B. für die vorwiegend mit chem. Methoden durchgeführte S. des Cholesterins etwa 30 Jahre benötigt. Heute sind für die S. komplizierter Naturstoffe oft nur noch wenige Wochen notwendig. Allerdings sind die dafür benötigten Geräte und Analysenverfahren sehr teuer.

Außer der Röntgenkristallstrukturanalyse liefern die angegebenen Verfahren keine vollständigen Strukturangaben, sondern jeweils nur Angaben über Teilstrukturen, die zur Gewinnung der Gesamtstruktur kombiniert werden müssen. Da sich die verschiedenen Methoden in ihren Aussagen teilweise gegenseitig ergänzen, ist der kombinierte Einsatz verschiedener physikalischer Methoden empfehlenswert. Durch die Einbeziehung der Rechentechnik zur Datenerfassung und Datenverarbeitung sowie zum Vergleich mit eingespeicherten empirischen Tabellen der Strukturelemente oder Spektrenkatalogen zeichnen sich weitere Fortschritte ab. Für die S. muß durch vorgeschaltete Trennoperationen, meist chromatographische Methoden, die Reinheit bzw. Einheitlichkeit der Probe gesichert werden.

Strukturaufklärung. Tab.: Wichtige physikalische Methoden zur Strukturaufklärung.

Methode Information
UV-VIS-Spektroskopie Erkennung von Substanzen mit Doppelbindungen (z. B. Polyene, Aromaten, Polymethine)
Infrarotspektroskopie Erkennung von Strukturelementen und funktionellen Gruppen sowie Fragen der Molekülfeinstruktur (H-Brücken, Konfiguration,
Konformation)
Raman-Spektroskopie unter Berücksichtigung der Auswahlregeln wie Infrarotspektroskopie
NMR-Spektroskopie Erkennung von Strukturelementen und funktionellen Gruppen, die magnetisch aktive Kerne (z. B. 1H, 13C) enthalten, Erkennung ihrer Nachbarschaft sowie Fragen der Molekülfeinstruktur (z. B. Konfiguration, Konformation)
Massenspektrometrie Molekülmasse, Summenformel, Erkennung von Heteroatomen und strukturspezifischen Fragmenten)
Elektronenspinresonanz-Spektroskopie Erkennung von Struktur und Elektronenverteilung paramagnetischer Substanzen (z. B. freie Radikale, Komplexverbindungen)
Röntgenkristallstrukturanalyse Bestimmung der vollständigen Molekülstruktur einschließlich Bindungsabständen und Winkeln)
  • Die Autoren
Dr. Andrea Acker, Leipzig
Prof. Dr. Heinrich Bremer, Berlin
Prof. Dr. Walter Dannecker, Hamburg
Prof. Dr. Hans-Günther Däßler, Freital
Dr. Claus-Stefan Dreier, Hamburg
Dr. Ulrich H. Engelhardt, Braunschweig
Dr. Andreas Fath, Heidelberg
Dr. Lutz-Karsten Finze, Großenhain-Weßnitz
Dr. Rudolf Friedemann, Halle
Dr. Sandra Grande, Heidelberg
Prof. Dr. Carola Griehl, Halle
Prof. Dr. Gerhard Gritzner, Linz
Prof. Dr. Helmut Hartung, Halle
Prof. Dr. Peter Hellmold, Halle
Prof. Dr. Günter Hoffmann, Eberswalde
Prof. Dr. Hans-Dieter Jakubke, Leipzig
Prof. Dr. Thomas M. Klapötke, München
Prof. Dr. Hans-Peter Kleber, Leipzig
Prof. Dr. Reinhard Kramolowsky, Hamburg
Dr. Wolf Eberhard Kraus, Dresden
Dr. Günter Kraus, Halle
Prof. Dr. Ulrich Liebscher, Dresden
Dr. Wolfgang Liebscher, Berlin
Dr. Frank Meyberg, Hamburg
Prof. Dr. Peter Nuhn, Halle
Dr. Hartmut Ploss, Hamburg
Dr. Dr. Manfred Pulst, Leipzig
Dr. Anna Schleitzer, Marktschwaben
Prof. Dr. Harald Schmidt, Linz
Dr. Helmut Schmiers, Freiberg
Prof. Dr. Klaus Schulze, Leipzig
Prof. Dr. Rüdiger Stolz, Jena
Prof. Dr. Rudolf Taube, Merseburg
Dr. Ralf Trapp, Wassenaar, NL
Dr. Martina Venschott, Hannover
Prof. Dr. Rainer Vulpius, Freiberg
Prof. Dr. Günther Wagner, Leipzig
Prof. Dr. Manfred Weißenfels, Dresden
Dr. Klaus-Peter Wendlandt, Merseburg
Prof. Dr. Otto Wienhaus, Tharandt

Fachkoordination:
Hans-Dieter Jakubke, Ruth Karcher

Redaktion:
Sabine Bartels, Ruth Karcher, Sonja Nagel


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