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Metzler Lexikon Philosophie: Thomismus

philosophische und theologische Denkrichtung in der Nachfolge des hl. Thomas von Aquin. Zu unterscheiden ist der Th. des späten MA. von dem der frühen Neuzeit und dem der neuscholastischen Bewegung, die sich bis in die Gegenwart auswirkt. – Der Th. entstand in den Kontroversen nach der kirchlichen Verurteilung des Averroismus 1277. In einigen Punkten war hiervon die thomasische Lehre betroffen. Um die Angriffe vor allem der konservativen franziskanischen Gegner abzuwehren, formierte sich die dominikanische Schülerschaft des Aquinaten und erklärte sein Denken zur Ordensdoktrin. Drei wesentliche Punkte waren: Die Einheit der substantiellen Form im Menschen, die Lehre von der Materie als Individuationsprinzip, die Möglichkeit einer ewigen Weltschöpfung. Protagonisten des Th. in dieser ersten Epoche waren Hervaeus Natalis (gest. 1323) und der Augustinereremit Aegidius Romanus (ca. 1247–1316). – Im 15. und 16. Jh. wurde der Th. zu einer im Kern konservativen Position. Gegen den Wandel in der Kosmologie seit Kopernikus, in der Philosophie seit Ockham und in der Theologie seit Luther stellten Johannes Capreolus (gest. 1444), Juan de Torquemada (1388–1468) und Thomas de Vio Cajetan (1468–1534) den Th. als geschlossenes dogmatisches System zur Legitimation kirchlicher Ansprüche auf weltliche Vorherrschaft dar. – Der Th. des 19. und 20. Jh. versteht sich gegen alle Richtungen der Moderne als philosophia perennis, die aus einer vom 1. Vatikanischen Konzil 1870 ausdrücklich angeordneten Rückbesinnung auf Thomas zu gewinnen sein soll. Charakteristisch ist die Rationalität der Vorgehensweise bei gleichzeitiger dogmatischer Gebundenheit der Resultate. Der Th. der Neuscholastik vertritt einen »gemäßigten« Realismus in Metaphysik und Erkenntnistheorie, ein traditionell theologisches Naturrecht und, zumindest einige seiner Vertreter, eine ständische Staats- und Soziallehre. Verurteilt wird durchweg der moderne Subjektivismus und Individualismus. Seit dem 2. Vatikanischen Konzil tritt der Einfluss des Th. zurück, ohne sich gänzlich zu verlieren. Zahlreiche Autoren, u. a. J. Kleutgen (1811–1883), J. Maritain (1882–1973), E. Gilson (1884–1978), K. Rahner (1904–1984).

Literatur:

  • E. Coreth: Christliche Philosophie. Graz/Wien/Köln 1988–90
  • P. Glorieux: Les premieres pol’emiques thomistes. Le Saulchoir 1927
  • K. H. Haag: Kritik der neueren Ontologie. Stuttgart 1960
  • G. Manser: Das Wesen des Thomismus. Freiburg (Schweiz) 31949.

GME

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Herausgegeben von Peter Prechtl (†) und Franz-Peter Burkard.

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