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Geoengineering: Die Erde zu kühlen, kostet nur zwei Milliarden

Ein Schwefelsäure-Schirm für die Erde ist günstiger als gedacht, rechnen zwei Forscher vor. Ob das allerdings eine gute Idee wäre, ist eine andere Frage.
Dünne Wolken am Himmel

Von Vulkanen lernen – das ist das Prinzip hinter einer der ältesten Ideen, die Erderwärmung auszugleichen. Bei ihren Ausbrüchen speien Pinatubo und Co. regelmäßig große Mengen schwefelhaltige Verbindungen in die hohen Schichten der Atmosphäre – wo sie einen Schleier aus feinsten Schwebteilchen bilden. Diese Aerosole werfen einen Teil der Sonnenstrahlung zurück, das Ergebnis kann ein dramatischer vulkanischer Winter sein – so zum Beispiel das »Jahr ohne Sommer« 1816, nach dem Ausbruch des Tambora auf der anderen Seite der Erdkugel.

Schon lange überlegen vor allem Ingenieure, mit diesem Effekt das Klima zu stabilisieren. Nun haben Wake Smith von der Yale University und Gernot Wagner von der Harvard University ausgerechnet, wie viel diese Technik kosten würde. Das Ergebnis, veröffentlicht in den »Environmental Research Letters«, erstaunt: Nur zwei Milliarden Euro pro Jahr würde es demnach kosten, um mit einem Aerosolschleier in 20 Kilometer Höhe die Rate der Erderwärmung zu halbieren. Etwa 4000 Flüge im Jahr wären dafür nötig – Kleinkram im Vergleich mit den über 40 Millionen Flügen pro Jahr weltweit.

Die beiden Forscher untersuchten verschiedene Verfahren, die Schwefelaerosole in die angestrebte Höhe zu bekommen – darunter Kanonen, Ballons, Raketen und gigantische Sprühschläuche – und kommen zu dem Schluss, dass Sprühmissionen mit Flugzeugen die effektivste Variante sind. Allerdings sind nur wenige Flugzeuge überhaupt in der Lage, in 20 Kilometer Höhe dauerhaft zu fliegen, immerhin doppelt so hoch wie normale Verkehrsflugzeuge. Ein neuer Flugzeugtyp mit überdimensionierten Flügeln müsse deswegen her, das sei aber kein bedeutendes Problem.

Sollten sich solche niedrigen Kosten bestätigen, ist das eine beunruhigende Nachricht. Zum einen diskutieren die Autoren die Möglichkeit, dass ein einzelnes Land einen Vorteil für sich sieht und – womöglich geheim – Tatsachen schafft, ohne sich mit anderen Staaten abzusprechen. Zum anderen könnte die Bereitschaft, Treibhausgase zu reduzieren, weiter sinken – mit dem Ergebnis, dass die Erde zwar technisch gekühlt wird, aber andere negative Effekte des Kohlendioxids weiter zunehmen.

Nicht zuletzt warnen Fachleute, dass sich auch durch den Aerosolschleier Niederschläge und andere Effekte unvorhersehbar verändern werden. Und wenn irgendein unvorhergesehenes Ereignis, Wirtschaftskrise, Krieg oder einfach ein Politikwechsel, das Programm beendet, kommt der Treibhauseffekt voll zum Tragen – binnen weniger Jahre.

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