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Schlafmangel: Gestörte Nachtruhe macht einsam

Wer zu wenig Schlaf bekommt, fühlt sich einsamer, und das wirkt offenbar ebenso abschreckend wie ansteckend.
Eine Frau liegt mit offenen Augen im Bett, im Vordergrund ein Wecker

Nach einer schlaflosen Nacht ziehen sich Menschen vermehrt von anderen zurück und fühlen sich einsam. Das lässt sie wiederum für andere unattraktiver erscheinen. Kein Wunder, denn auch ausgeschlafene Menschen fühlen sich schon beim Anblick einer übernächtigten Person einsamer. Diese Befunde stellen die Hirnforscher Eti Simon und Matthew Walker von der University of California in Berkeley in der Fachzeitschrift »Nature Communications« vor.

Laut einer Vorstudie mit knapp 140 Probanden genügt eine einzige Nacht mit schlechterem Schlaf, um das Gefühl zu wecken, isoliert zu sein und niemanden zum Reden zu haben. Um die Auswirkungen experimentell zu überprüfen, verordneten sie 18 gesunden jungen Erwachsenen einmal eine normale Nacht zu Hause und einmal eine schlaflose Nacht im Labor, in der sie mit allerlei Aktivitäten wach gehalten wurden. Am nächsten Vormittag sollten sie angeben, wie weit sich andere ihnen körperlich annähern dürfen: sowohl Menschen vor Ort im Labor als auch Personen in einem Videoclip, die aus einer Entfernung von drei Metern auf die Kamera zugingen.

Nach der durchwachten Nacht hielten die Teilnehmer andere Menschen im Schnitt um rund 15 Prozent weiter von sich fern. Im Gehirn der Probanden regte sich außerdem vermehrt ein Netzwerk aus Neuronen, das aktiv wird, wenn jemand auf bedrohliche Art nahe kommt. Zugleich verminderte sich die Aktivität in einem anderen Netzwerk, das die Lust auf soziale Kontakte fördert. »Je weniger Schlaf man bekommt, desto weniger will man mit anderen interagieren. Im Gegenzug wirkt man sozial abstoßend, was die sozialen Folgen des Schlafverlustes verstärkt«, erläutert Walker.

Einsamkeit ist ansteckend

Letzteres schlossen die Forscher aus einem zweiten Experiment: Sie präsentierten mehr als 1000 Probanden Videoaufnahmen der obigen 18 Versuchspersonen, die einmal nach durchschlafener, einmal nach durchwachter Nacht je rund eine Minute lang ihre Meinung zu zehn Alltagsfragen äußerten, etwa ob jeder Mensch eine Universität besuchen sollte. Die Zuschauer wussten natürlich nicht, dass bei der Hälfte der einminütigen Clips die Sprecher in der Nacht zuvor kein Auge zugetan hatten. Tatsächlich wirkten diese dann einsamer, und die Zuschauer waren weniger daran interessiert, mit ihnen Kontakt aufzunehmen.

Aber nicht nur das: Die Probanden fühlten sich selbst einsamer, nachdem sie einen Videoclip von einer müden Person gesehen hatten. Je einsamer diese erschien, desto einsamer fühlten sich auch die Zuschauer. Schlafmangel, soziale Ansteckung und der resultierende Teufelskreis könnten ein Grund für die zunehmenden Einsamkeitsgefühle in der Gesellschaft sein, meinen die Forscher. Fast die Hälfte der US-Bevölkerung fühle sich einsam oder isoliert, und dieses Empfinden verkürze das Leben mehr als starkes Übergewicht. Immerhin, so Walker: »Schon eine erholsame Nacht macht einen kontaktfreudiger und für andere Menschen wieder attraktiver.«

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