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News: Gute Sicht unter Wasser

Das sprichwörtlich scharfe Auge des Adlers und der fast blinde Maulwurf zeigen, wie unterschiedlich das Sehvermögen bei den Wirbeltieren ausgebildet ist. Auch das Farbsehen ist im Wirbeltierreich ungleich verteilt. In lichtempfindlichen Augen mit großen Pupillen sollte der Farbfehler des Auges dessen Schärfentiefe bei weitem übersteigen, so daß Farbsehen mit guter Auflösung unmöglich erscheint. Ein Wissenschaftler vom Anatomischen Institut der Universität Tübingen hat nun durch Berechnungen herausgefunden, wie das Farbsehen bei vielen wasserlebenden und dämmerungsaktiven Tieren funktioniert.
Grundlage des Sehens ist die Lichtrezeption. Dabei reagieren bestimmte Sinneszellen im Auge von Tieren auf Licht bestimmter Wellenlänge. Die Sinneszellen in der Netzhaut enthalten Photopigmente, die durch das Licht verändert werden. Entsprechend der Menge veränderten Photopigmentes sehen die Tiere Hell-Dunkel-Abstufungen. Wenn ein Teil der Photopigmente auf jeweils einen engen Bereich des sichtbaren Spektrums spezialisiert ist, führt die Lichtrezeption zu Farbsehen. Bevor das Licht im Auge die Netzhaut erreicht, wird es durch den optischen Apparat aus Hornhaut, Augenkammer und Augenlinse gebrochen und gebündelt. Die Netzhaut wiederum enthält Nervenzellen, die die Lichteindrücke verarbeiten und an das Gehirn weiterleiten. Nachttiere wie Eulen und Fledermäuse sehen ihre Umwelt schwarz-weiß. Besonders leistungsfähig sind dagegen die Augen mancher Wasser- und Steppenvögel. Bei ihnen kann die Netzhaut der Augen besonders dicht mit Photosinneszellen besetzt sein.

Die Leistungsfähigkeit jedes Auges hängt neben dem Bau der Netzhaut aber auch von der Ausbildung des optischen Apparates ab. Das Sehen in unterschiedlicher Umwelt ist immer ein Kompromiß. Einfache Linsen haben zwei große Fehler: "Zum einen werden die Lichtstrahlen, die durch den Rand der Linse fallen und dort gebrochen werden, kürzer hinter der Linse gebündelt als die Strahlen, die durch das Zentrum der Linse gehen", sagt Ronald Kröger vom Anatomischen Institut der Universität Tübingen. Durch dieses Phänomen, auch sphärische Aberration genannt, wird das Bild unscharf. Es wird in den Linsen der Tiere weitgehend dadurch ausgeglichen, daß die Brechungsindizes in der Linse vom Zentrum zum Rand in einem präzise eingestellten Gradienten abfallen. Zum anderen wird Licht verschiedener Wellenlänge, entsprechend unterschiedlicher Farbe, an der Augenlinse nicht gleich stark gebrochen. Farben können nur verschwommen wahrgenommen werden, Wissenschaftler sprechen von chromatischer Aberration. Dieser Abbildungsfehler des Auges kann nicht ausgeglichen werden.

Die Abbildungsfehler spielen keine große Rolle, wenn die Umgebung taghell erleuchtet ist. Beim Menschen zieht sich dann die Iris im Auge zusammen, die Pupille wird klein und die Ränder der Augenlinse sind verdeckt. Ähnlich wie bei einer Kamera, bei der die Blende geschlossen wird, gewinnt das Bild an Tiefenschärfe, die sphärische und chromatische Aberration machen nur geringe Probleme. "Anders ist es bei wasserlebenden oder dämmerungsaktiven Tieren. Sie brauchen eine weite Pupillenöffnung, damit überhaupt ausreichend Licht ins Auge fällt", erklärt Kröger von der Universität Tübingen. Bei den Buntbarschen ist die Linse durch unterschiedliche Brechkraft im Zentrum und am Rand korrigiert. Doch der Farbfehler der Linse müßte voll zum Tragen kommen. Der Biologe beschreibt, wie die Welt für den Buntbarsch aussehen müßte: "Während bei einer bestimmten Entfernung das grüne Licht dann scharf erscheint, befinden sich rote und blaue Anteile im unscharfen Bereich. Für hochauflösendes Farbensehen wäre das System nicht geeignet."

Das knifflige Rätsel, warum der Buntbarsch Farben dennoch scharf sehen kann, hat Kröger mit Modellrechnungen gelöst, die auf Messungen der sphärischen und chromatischen Aberrationen beruhen: "Die Augenlinsen zeigen konzentrisch Zonen. Eine kugelförmige Zone befindet sich in der Mitte und schalenförmige Zonen darum herum. Die Zonen haben unterschiedliche Brennweiten, so daß jede Zone Licht einer anderen Wellenlänge optimal auf die Netzhaut bündelt." Beim Menschen ist die Brennweite der Augenlinse zwar veränderbar, indem das Auge auf nahe oder ferne Ojekte eingestellt wird, doch ist die Brennweite dann über die ganze Linse einheitlich. "Die zonierten Augenlinsen mit unterschiedlichen Brennweiten finden sich auch bei Landtieren, die wie manche Geckos oder Katzen in der Dämmerung aktiv sind", erklärt Kröger. Sie sind an der schlitzförmigen Pupille zu erkennen. Wenn sich die Pupille bei guten Lichtverhältnissen zu einem Schlitz verengt, kann das Licht dennoch durch alle Zonen der Augenlinse hindurchgehen. Würde die Pupille die Randbereiche einer solchen Linse wie beim Menschen beim Zusammenziehen ausblenden, würde das Farbsehen unscharf.

Die Augenlinse besteht aus Eiweiß. "Um Zonen unterschiedlicher Brennweite in der Augenlinse zu erzeugen, ist das Eiweiß unterschiedlich dicht. Erstaunlich ist, wie präzise die Verteilung auf die Optik abgestimmt wird, zumal die Zellen in der Augenlinse tot sind", sagt Kröger. Der Biologe hat die Entwicklung der Buntbarschaugen genauer untersucht. Dies ist nicht nur wegen der Fische selbst interessant, denn manche Entwicklungen bei den Fischaugen lassen auch Rückschlüsse auf die Augen der Menschen zu. Bei Menschen ist die Augenlinse bei der Geburt dick und wird im Laufe der Entwicklung dünner. "Bei kurzsichtigen Menschen geht das besonders schnell, wodurch die Brennweite des Auges sinkt. Leider verlängert sich das Auge aber noch schneller, so daß die abnehmende Brechkraft der Linse die Kurzsichtigkeit nur teilweise kompensieren kann", erklärt Kröger. Beim Sehen in die Ferne entsteht dann nur ein unscharfes Bild.

Im Experiment lassen sich auch Buntbarsche kurzsichtig machen. Dazu hat der Biologe sie zunächst in Aquarien gesetzt, die mit Rotlicht nur einer bestimmten Wellenlänge beleuchtet wurden. Durch die chromatische Aberration ist die Brennweite des Auges länger, was die Tiere durch beschleunigtes Wachstum des Auges ausgleichen. "Setzt man die Fische anschließend in Weißlicht, so sind die Tiere kurzsichtig", erklärt Kröger. Inwieweit sich Fisch- und Menschenaugen ähneln, ist nicht bis ins Detail klar. Während Kurzsichtigkeit beim Menschen nicht heilbar ist, können sich die Fischaugen schon nach etwa sechs Wochen an neue Lichtbedingungen in der Umgebung anpassen. "Die Fischaugen wachsen ein Leben lang weiter, daher lassen sich Abbildungsfehler wieder korrigieren", sagt Kröger. Aber auch die menschliche Linse wächst lebenslang und es ist bisher nicht geklärt, wie ihre optischen Eigenschaften kontrolliert werden. Die Entwicklung der Augenlinse läuft möglicherweise nicht starr ab, sondern in Anpassung an das Licht in der Umgebung. Der Biologe hat auch bereits einen Botenstoff in der Netzhaut von Fischen entdeckt, der bei der Brennweitenregulierung der Augenlinse eine Rolle spielt. "Diese Kenntnisse helfen uns vielleicht, die Mechanismen zu verstehen, die in menschlichen Augen wirken", erklärt Kröger.

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