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Hunde: Mit Spürnasen gegen die Zitrusplage

Die Nasen von Hunden sind offenbar noch feiner als gedacht. Sie erschnüffeln einen Schädling, der Zitrusbäume killt - und zwar früher und zuverlässiger als der Labortest.
Hund neben krankem Zitrusbaum

Hunde haben bekanntlich eine feine Nase: Sie erschnüffeln, wenn Menschen bestimmte Krankheiten haben oder Käfer Bäumen schaden und spüren auch bedrohte Tierarten in der Wildnis auf. Zudem können die Vierbeiner offenbar sogar einzelne Bakterienstämme unterscheiden, wie nun ein Team um den Agrarwissenschaftler Timothy Gottwald vom US Department of Agriculture vermutet. Gottwald hatte mit seinen Kollegen Schäferhunde darauf trainiert, Zitrusbäume zu erkennen, die von einem tödlichen Schädling befallen sind. Dabei unterschieden die Hunde nicht nur gesunde und kranke Orangen-, Zitronen- oder Grapefruitbäume: Sie witterten das krank machende Bakterium Candidatus Liberibacter asiaticus, den Auslöser der Gelbe-Trieb-Krankheit, auch auf anderen Pflanzenarten und weiteren Proben. Demnach erschnuppern die Hundenasen offenbar nicht die Symptome der sich entwickelnden Krankheit, sondern den Keim selbst – und dies sogar früher und zuverlässiger als molekularbiologische Untersuchungen, schreibt das Forscherteam in »PNAS«.

Die Gelbe-Trieb-Krankheit, auch als Citrus Greening oder Huanglongbing bezeichnet, bedroht weltweit die Zitrusindustrie: In Florida sind Schätzungen zufolge bereits 90 Prozent der Zitrusbäume mit dem Bakterium infiziert. Der Erreger befällt das Phloem, die siebartigen Leitbahnen der Pflanzen. Sie sind dafür zuständig, Nährstoffe aus den Blättern in andere Pflanzenteile zu transportieren. Das Bakterium bringt diesen Stofftransport zum Erliegen. Die Folge: Die Blätter werden fleckig, die Triebe gelb, die Früchte bleiben klein – und die Pflanze verhungert nach und nach.

Bei den 20 Vierbeinern, die Gottwalds Team nun auf die Spur der Zitrusbakterien setzte, handelte es sich um Belgische oder Deutsche Schäferhunde sowie Mischlinge beider Rassen. Trainer, die Hunde normalerweise auf das Erschnüffeln von Drogen oder Sprengstoffen abrichten, setzten den Vierbeinern Kübel mit gesunden und von C.-Liberibacter-asiaticus infizierten Zitruspflanzen vor. Glaubten die Tiere, eine kranke Pflanze erkannt zu haben, sollten sie sich danebensetzen und brav warten. Deckte sich ihr Verdacht mit den Ergebnissen einer molekularbiologischen Untersuchung, wurden sie gelobt und durften kurz mit einem Spielzeug spielen. Nach acht bis zehn Wochen Training identifizierten die Hunde zuverlässig kranke Bäume. Und zwar nicht nur auf einer Art Spielfeld, sondern auch auf echten Zitrusplantagen in Florida, Texas und Kalifornien.

Ein Schädlingsbefall in Zitruskulturen kann mit Polymerase-Kettenreaktion (PCR) eindeutig nachgewiesen werden. Dabei vervielfältigt man das Erbgut eines Erregers aus Blättern oder anderen Pflanzenteilen – was bei C. Liberibacter asiaticus allerdings frühestens ein paar Monate nach dem ersten Befall sicher funktioniert. Dann zeigen die betroffenen Pflanzen jedoch oft schon Symptome, und es ist zu spät, um sie zu retten. Damit sich die Seuche nicht auf benachbarte Bäume überträgt, müssen sie sofort gefällt und entfernt werden. Die Hunde können den Bakterienbefall dagegen wohl viel früher erschnüffeln: Bereits nach 30 Tagen erkannten sie 18 von 30 Zitrusbäumen, die die Forscher absichtlich mit dem Schädling infiziert hatten. Im Lauf der Zeit wurden sich die Vierbeiner zudem immer sicherer und schlugen bei mehr als 90 Prozent der Pflanzen Alarm. Die PCR-Methode hingegen stufte fast die Hälfte der kranken Bäume während des gesamten Untersuchungszeitraums von 32 Monaten als gesund ein.

Denkbar war nach den ersten Experimenten von Gottwald und Kollegen, dass die Hunde nicht den Erreger, sondern spezielle Duftstoffe erkennen, die die Zitruspflanzen auf Grund der Infektion herstellen. Die Tiere rochen einen Bakterienbefall aber auch bei Tabakpflanzen und dem Madagaskar-Immergrün; Pflanzen, die nicht mit Zitrone, Grapefruit und Co verwandt und auf Pathogene subtil anders regieren. Im nächsten Schritt sollten die Tiere dann Zitrusblattflöhe beschnuppern, die mit C. Liberibacter asiaticus infiziert waren. Diese Insekten sind – gemeinsam mit einer weiteren Art – für die Übertragung des Bakteriums von Baum zu Baum zuständig. Die sensiblen Vierbeiner konnten befallene von bakterienfreien Blattflöhen unterscheiden. Dabei reagierten die Hunde aber nur auf den Bakterienstamm, den sie aus den Experimenten davor bereits kannten: Andere Schädlinge, wie das Citrus-tristeza-Virus oder eine verwandte Liberibacter-Spezies, interessierten sie hingegen nicht.

Das Team um Gottwald plädiert nach diesen Erkenntnissen nun dafür, trainierte Hunde als Frühwarnsystem einzusetzen, um Zitrusplantagen vor der Gelbe-Trieb-Krankheit zu bewahren. In Computersimulationen kamen die Forscher zu dem Ergebnis, dass man mit der Schnüffel-Methode über einen Zeitraum von zehn Jahren weniger als acht Prozent der Bäume fällen müsste. Auf einzelnen Plantagen in Florida und Süd-Kalifornien wird die Methode laut den Forschern schon angewendet. Am besten funktioniere sie, wenn erst wenige Bäume, etwa fünf bis zehn Prozent einer Plantage, betroffen sind. Hat sich die Krankheit bereits verbreitet, schlagen die Hunde oft Alarm und brauchen mehr Pausen. Dementsprechend brauche man sehr lange, um eine Plantage zu durchkämmen, schreiben die Forscher. Statt auf C. Liberibacter asiaticus könnte man die Hunde zudem auf andere Schädlinge trainieren. Möglicherweise könnten sie sogar mehrere Krankheiten zur selben Zeit diagnostizieren und Pflanzenzüchtern teure Labortests ersparen, spekuliert das Team um Gottwald.

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