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Wir können auch anders

Nette: Steve, ich kann nicht einparken ...

Steve: ... klar, bist ja auch eine Frau ...

N: ... wenn das Auto hinter mir drängelt und der Fahrer wütende Blicke verschießt. Wenn ich dagegen gemütlich vor mich hinzirkeln kann, passt auch die größte Kutsche in die kleinste Lücke. Ist das typisch Frau oder universal menschlich –, dass die Konzentration auf eine Sache davon abhängt, ob die Umgebung Stress macht? Wie ist das bei dir?

S: Ganz genauso, nur würde ich das natürlich niemals zugeben ... so was tut Mann nicht!

N: Ok, lassen wir mal den Subjektivismus und wenden wir uns der Wissenschaft zu. Zum Beispiel Frau Brizendine und ihrem Buch »Das weibliche Gehirn«. Das Feuilleton raschelte ja merklich, als das Werk der »Neuropsychiaterin« aus Kalifornien in Deutschland auf den Markt kam. Offenbar seien Frauen und Männer doch unterschiedlich, jedenfalls hirnmäßig. Und nicht nur das – sofort stand die Frage im Raum: Darf man das denn eigentlich sagen?

S: Ich verstehe die ganze Aufregung nicht. Mann und Frau sind verschieden – äh, klar! Ist das nicht das Offensichtlichste auf der Welt? Wieso sollte das im Kopf anders sein? Kritisch wird's allerdings, wenn man Können und Sollen verwechselt. Wenn ich dir zum Beispiel von vornerein die Fähigkeit abspräche, dass du deinen Wagen beulenfrei herumkutschieren kannst.

N: Du meinst: Der Determinismus, der da drinsteckt, ist falsch: »Frau hat kleineres Areal soundso – deswegen ist sie auf Gebiet X für das das Areal zuständig ist, nicht so gut wie Mann«?

S: Genau. Auf die Größe kommt es nicht an ... das muss ich dir als Frau doch nicht erklären, oder?!

N: Ich mein's ernst: Was nützt uns die Lektüre dieses Buchs – außer, dass vielleicht ein paar durch politische Korrektheit eingelullte Feuilletonisten sich jetzt wieder etwas mehr trauen, den Unterschied zwischen Frauen und Männern zu akzeptieren? (Schlimm genug, dass sie dafür die Hirnforschung brauchen.)

S: Ich hoffe, dass jetzt nicht wieder die Leier losgeht: »Herrje, sie kann nicht anders, sie hat eben ein weibliches Gehirn!« Dito für Herren. Leider erheben wir Durchschnittswerte (»Frauen sind verbal intelligenter als räumlich, Männer umgekehrt«) gerne zur Norm für jedermann: DU kannst nicht einparken, weil ... ICH kann nichts zugeben, denn ...

N: Mir sind Aussagen wie »Areal X ist kleiner/größer, deswegen klappt Fähigkeit X besser/schlechter« auch suspekt. Wissen wir wirklich genug über das Gehirn, um so etwas behaupten zu können? Nur als Beispiel: Einparken ist ja nicht bloß »Lenkrad drehen«, »Augenmaß einsetzen«, »Gefühl im Gasfuß walten lassen«, sondern noch viel mehr, eben auch – Stressmanagement. Wie lässt sich das alles experimentell sauber auseinander halten?

S: Na hör mal, du traust uns Psychologen aber nicht viel zu, was?! Das kann man schon trennen in schlauen Experimenten – fragt sich nur, ob sich das alles auch am Hirn ablesen lässt. Wer Gehirn sagt, meint meistens »Wir können nicht anders!« Mit Verlaub: Des is a Schmoarrrn!

N: Aber bei Brizendine klingt das alles so einfach: »Jane hat mehr Angst vor dem Scheitern ihrer Ehe als ihr Mann, weil in ihrem Gehirn bestimmte Vorgänge anders ablaufen als bei ihrem Mann«. Das ruft in meinem weiblichen Gehirn zwei Reaktionen vor. Erstens: Ach, wirklich?! Und zweitens: Professor Brizendine, woher wissen Sie das so genau? Klingt alles zeimlich nach einem dieser Ratgeber über Frauen und Männer, nur das in jedem dritten Satz »Hirnareal«, »Hormone« oder »Evolution« vorkommt.

S: Mir scheint, die Dame benutzt ihre Hormon-Suada mindestens zum Teil als Verkaufsargument, um ihre Pillen an die Frau zu bringen. Das ist eigentlich Brisante an ihrem Buch: die Vermischung von Wissenschaft und Geschäftsinteresse!

N: Kann es sein, dass wir uns – irgendwie – einig sind? Wie langweilig! Und das, obwohl wir verschiedenen Geschlechts sind. Lass uns doch lieber über Logik streiten. Ich mag Logik. Und du?

S: Logik?! Bäh – ich steh eher auf MÄNNLICHE INTUITION!

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