Direkt zum Inhalt

Kindesentwicklung: Armut macht dumm

Wie sich die Gehirne von Kindern entwickeln, hängt auch von Wohlstand und Bildungsniveau der Eltern ab. Ein niedriger sozioökonomischer Status schwächt laut Forschern vor allem die Sprachkompetenz, Merkfähigkeit und Handlungsplanung.
Kein Raum zur Entfaltung
In kaum einem anderen Industrieland bestimmen Einkommen und Bildung der Eltern so sehr über die Zukunftschancen von Kindern wie in Deutschland. Jungen und Mädchen aus wohlhabenden Akademikerfamilien besuchen vier- bis fünfmal häufiger ein Gymnasium als Arbeiterkinder. Hirnforscher können nun belegen, dass sich der sozioökonomische Status nicht nur in der Intelligenzentwicklung niederschlägt, sondern auch ganz konkret die Arbeit der grauen Zellen beeinträchtigt. Das berichtet das Wissenschaftsmagazin "Gehirn&Geist" in seiner aktuellen Ausgabe (10/2009).

So ist ein Teil des Stirnhirns – genauer gesagt der "präfrontale Kortex" – ist bei Jungen und Mädchen aus armen Familien weniger aktiv, wenn sie sich auf eine bestimmte Aufgabe konzentrieren sollen. Auch können die Kinder Impulse schlechter kontrollieren und Handlungen planen, wofür die betreffende Hirnregion besonders wichtig ist. Auch das Sprachzentrum im so genannten Broca-Areal regt sich weniger und fällt zudem durchschnittlich kleiner aus. Damit geraten die Kleinen bei Aufgaben ins Hintertreffen, die sprachliches Geschick erfordern.

Natürlich beflügeln ein gut gefülltes Bankkonto und die Abiturzeugnisse von Mama und Papa die Sprösslinge nicht direkt. Den Ausschlag geben wohl vielmehr ein anregendes Umfeld, gemeinsame Vorlesezeiten und andere Aktivitäten, die sich Besserverdiener nun einmal eher leisten können. Laut Untersuchungen hören arme Kinder bis zu ihrem vierten Geburtstag schätzungsweise 30 Millionen gesprochene Wörter weniger als solche aus Durchschnittshaushalten. Der Wortschatz von Dreijährigen mit berufstätigen Eltern ist mehr als doppelt so groß wie der des Nachwuchses von Sozialhilfeempfängern.

Geldsorgen im Elternhaus und damit verbundene Entbehrungen können zudem Stress auslösen, der über den Cortisolspiegel im Gehirn unter anderem das Gedächtnis beeinträchtigt. Je länger Kinder in Armut gelebt haben, desto weniger Informationen können sie bei Tests im Kurzzeitgedächtnis behalten. Chronischer Stress schädigt offenbar vor allem den Hippocampus, eine bei Kindern noch sehr formbare Struktur, die eine entscheidende Rolle für das Gedächtnis spielt.

Über Gehirn&Geist:
Gehirn&Geist ist das Magazin für Psychologie und Hirnforschung aus dem Verlag Spektrum der Wissenschaft. Es erscheint seit 2002, mittlerweile in 10 Ausgaben pro Jahr. Fundiert und allgemein verständlich berichten Wissenschaftler und Fachjournalisten in Gehirn&Geist über die Welt im Kopf. Schwerpunkte liegen dabei auf Psyche und Verhalten, Wahrnehmung und Bewusstsein, Intelligenz und Kreativität, Gefühle und Gedächtnis. Neue Erkenntnisse und Trends in der Psychotherapie und Medizin gehören ebenso dazu wie gehirngerechtes Lernen, Kindererziehung, Coaching und gesellschaftliche Debatten. Daneben informieren spezielle Sonderhefte ausführlich über Einzelthemen.

Die Homepage www.gehirn-und-geist.de mit aktuellen Nachrichten, Newsletter und dem kompletten Heftarchiv runden das redaktionelle Angebot ab. Außerdem bieten wir mit www.brainlogs.de das größte deutsche Blogportal für Psychologie und Neurowissenschaften, in dem Experten und Laien diskutieren.

Zu unseren rund 100 000 Lesern gehören Mediziner, Therapeuten, Manager, Lehrer, Eltern, Studenten und Interessierte, die sich umfassend, kompetent und aus erster Hand informieren wollen. Das erfolgreiche Konzept von Gehirn&Geist stand Pate für zahlreiche ausländische Schwestermagazine unter anderem in Italien, Spanien, Frankreich, Brasilien, Belgien und den Niederlanden. Mit "MIND" eroberte ein weiterer Ableger von Gehirn&Geist sogar den hart umkämpften Zeitschriftenmarkt in den USA.

Abdruck honorarfrei bei Quellenangabe: Gehirn&Geist, 10/2009
Ein Beleg wird erbeten.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.