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Kommentare - - Seite 1

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  • ....und endlich reinen Wein einschänken!

    12.03.2012, Dr. Jürgen Götz
    Im Beitrag von Herrn Lingenhöhl vermisse ich die Aussage, dass die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) - der Hausgutachter des BMU in Sachen Reaktorsicherheit - in einer inzwischen auch öffentlich zugänglichen "Weiterleitungsnachricht" zu Fukushima festgestellt hat, dass die Ereignisse in Japan gerade nicht auf deutsche Anlagen übertragbar sind. Dies steht im Einklang mit dem im Mai/Juni 2011 vorgelegten Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung der deutschen KKW durch die Reaktorsicherheitskommission (einem Gremium berufener anerkannter Sachverständiger, welches den BMU berät), dass die deutschen Anlagen - bei durchaus vorhandenen Unterschieden - insgesamt deutlich robuster gegen solche extremen äußeren Einwirkungen ausgelegt sind, mehr und besser geschützte Notstromversorgungen, Wasserstoffrekombinatoren, gefilterte Druckentlastung, trainierte Notfallprozeduren haben, um einige Beispiele zu nennen. Es ist richtig, dass ältere deutsche Anlagen nicht so gut gegen terroristischen Flugzeugabsturz gesichert sind , wie jüngere. Aber: die gesetzlichen Anforderungen waren damals nicht so! Ist das nun ein Anzeichen der generellen Unsicherheit dieser Technologie? Ich meine nein, weil man dies inzwischen beherrscht, Anlagen auch gegen solche Ereignisse auszulegen.
    Im Verlauf der Aufklärung der Abläufe und der Ursachen wurde deutlich, dass die Industrienation Japan offensichtlich die Forderungen der Convention of Nuclear Safety (CNS) doch nicht so gut umgesetzt hat: sowohl bei der Standortwahl als auch bei der Berücksichtigung schwerer Tsunamis sind solche Ereignisse wider besseres Wissen - in rund 500 Jahren rund 10 schwere Tsunamis - nicht ausreichend berücksichtigt worden. Auf der Sommer 2012 anberaumten Sonderkonferenz im Rahmen der CNS wird sich die japanische Delegation den sicher sehr kritischen Fragen der anderen Länder stellen müssen. Es wird um die Unabhängigkeit und die Korrektheit der staatlichen Aufsicht über Kernanlagen und um Zugeständnisse an Unternehmenspolitik gehen. Damit stellt sich die Frage: warum meint Deutschland seine Kernanlagen außer Betrieb nehmen zu müssen? Weil in einem 10.000 km entfernten Staat die Gewährleistung der nuklearen Sicherheit nicht ernst genommen wurde? Ich meine wiederum: nein. Warum das trotzdem geschah, dazu verweise ich auf die politische Lage zur damaligen Zeit: in Baden-Württemberg standen Wahlen an. Es gab (und gibt) genügend Kräfte, die Stuttgart 21 als die Gelegenheit nutzten, es "den Regierenden" mal so richtig zu zeigen, wer der Souverän ist. Das hat neben Herrn Mappus auch die Bundeskanzlerin begriffen und erklärt insofern den Sinneswandel zur erst ein halbes Jahr zuvor beschlossenen Laufzeitverlängerung. Wer das nicht glauben mag, dem empfehle ich den Artikel "Die Abhängigkeit der Politiker als Funktionsmangel der Demokratie" von Professor Dr. Dr. h.c. W. Schmitt Gleaser, Bayreuth, in ZRP 1/2006 zu lesen!

    Sie, Herr Lingenhöhl, meinen: siehe da, es geht doch. Dazu kann ich nur sagen: schauen Sie auf die Internetseiten der Überttragungsnetzbetreiber und dort werden Sie finden, dass in mehr als der Hälfte der Tage im Jahr ernsthafte Regulierungseingriffe notwendig waren, Tendenz: steigend.
    Und: unsere Nachbarn beschweren sich über den unabgestimmten Alleingang Deutschlands. Tschechien hält sich zurück mit der Installation von Phasenschiebern an den Grenzübergabestellen, ermahnt aber Deutschland, sich in Bezug auf die Erweiterung des KKW-Standorts Temelins zurück zu halten. Polen ist sauer auf Deutschland, weil es aus Deutschland zehntausende Einwendungen gegen sein Kernenergieprogramm erhalten hat und bereitet die technischen Voraussetzungen zur Installation von Phasenschiebern, welche die Durchleitung von Strom aus Erneuerbaren von Mecklenburg und Brandenburg via Tschechien nach Bayern unterbinden sollen, vor. Diese Durchleitung ist eine Last für unsere Nachbarn, macht deren Strom teurer und ist deswegen unerwünscht, weil es kein Geben und Nehmen ist, sondern egoistische Inanspruchnahme. Auch Frankreich hat den energiepolitischen Alleingang Deutschlands kritisiert.
    Frankreich hat unlängst die Gestehungskosten für Strom aus Kernernergie unter Berücksichtigung notwendiger Neubauten bzw. sicherheitstechnischer Nachrüstungen veröffentlicht: etwa 5 ct/kWh! Damit ist selbst unter Berücksichtigung von Netzentgeld und Steuern ein Strompreis unter 20 ct/kWh möglich, ohne den Gewinn für das Unternehmen zu vernachlässigen. Und so CO2-frei wie Wasserkraft oder Photovoltaik. Zum Abschluss: die sichere Endlagerung der radioaktiven Abfälle in tiefen geologischen Formationen ist möglich. Finnland und Schweden beweisen, dass dies möglich ist auf der Grundlage einer sachorientierten Kommunikation mit der betroffenen Bevölkerung. Wenn man ernsthaft meint, dass CO2 zur Erderwärmung maßgeblich beiträgt, ist unter den gegenwärtig zur Verfügung stehenden Technologien die Kernspaltung die einzige, die im großtechnischen Maßstab den Energiebedarf der Menschheit sicher und zuverlässig stillen kann, vorausgesetzt, dass die bisherigen Erkenntnisse aus der Nutzung konsequent umgesetzt werden. Das heißt, alte Anlagen schrittweise abschalten und neue, sichere zu bauen und in Betrieb zu nehmen - so wie es andere Staaten in nah und fern uns vormachen. Leistungsfähige Speichertechnologien - heißt in der Größenordnung von TWh - sind nicht in Sicht!
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