Direkt zum Inhalt

Kommentare - - Seite 1

Ihre Beiträge sind uns willkommen! Schreiben Sie uns Ihre Fragen und Anregungen, Ihre Kritik oder Zustimmung. Wir veröffentlichen hier laufend Ihre aktuellen Zuschriften.
  • Warum fehlen denn Nahrungsmittel?

    16.02.2014, Christian Krippenstapel
    Weil die Produktion nicht mit der Nachfrage Schritt halten kann und weil Nahrungsmittel deswegen knapp und teuer wären? Weit gefehlt! Nach wie vor werden weltweit tonnenweise Agrarüberschüsse zur "Marktregulierung" vernichtet. Wenn der Hunger in der Welt aber gar nicht auf einen Mangel an Nahrungsmittel zurückgeht, was soll es da nützen, die Erzeugung von Energiepflanzen zu drosseln, um die Nahrungsmittelproduktion hoch zu halten?

    Der Hunger in der Welt ist nicht erst mit der Erfindung der Biotreibstoffe in die Welt gekommen. Darum wird er auch kaum zu besiegen sein, wenn Biokraftstoffe verboten bzw. verteufelt werden. Wer hier eine Verbesserung erzielen will muß den Hebel da ansetzen, wo er auch was bewegen kann: Es gibt nicht zu wenig Nahrungsmittel auf der Welt, sondern zu wenig Menschen, die sich diese Nahrungsmittel leisten können! Wer den Hunger besiegen will muß also nicht mehr Nahrungsmittel, sondern mehr Existenzen mit gesichertem Einkommen schaffen, damit sich die Menschen die reichlich vorhandenen Nahrungsmittel endlich kaufen können! Die Ernährngslage in China und Indien hat sich auch nicht dadurch bedeutend verbessert, daß dort plötzlich mehr Nahrungsmittel produziert wurden, sondern durch den wirtschaftlichen Aufschwung, der Arbeitsplätze in der Industrieproduktion brachte und die dort arbeitenden Menschen in die Lage versetzte, sich Nahrungsmittel zu kaufen.

    Einer der Hauptgründe für den Verlust wirtschaftlich tragfähiger Existenzen in den Entwicklungsländern ist, daß sich die traditionelle, kleinbäuerliche Nahringsmittelproduktion einfach nicht mehr lohnt, weil industriell erzeugte Nahrungsmittel praktisch überall zur Verfügung stehen, die vergleichsweise spottbillig sind. Dadurch ist mit dem Verkauf der (bescheidenen) Überschüsse vom eigenen, kleinen Hof nichts mehr zu verdienen. Die Folge ist Landflucht mit massivem Anwachsen der Elendsviertel im urbanen Raum. In vielen von Hunger geplagten Ländern stehen weite Flächen zur Verfügung, die einstmals beackert, aber aufgegeben wurden, weil es einfach nicht mehr lohnt. Konkurrenzfähige Nahrungsmittelproduktion ist nur mit intensiver Wirtschaftsweise auf großen Flächen mit einem hohen Mechanisierungsgrad möglich. Das ist für die allermeisten Kleinbauern in den Entwicklungsländern aber völlig utopisch und schafft auch nur wenig Arbeitsplätze! So ist das Problem also nicht zu lösen.

    Dagegen eröffnet "Energy Farming" gerade in den Entwicklungsländern echte Chancen: da die Erzeugung viel Handarbeit erfordert werden viele Arbeitsplätze geschaffen, die durch die vergleichsweise hohen Preise, die "Energy Crops" erzielen, auch finanziert werden können. So können auch kleine Höfe wieder existenzfähig werden, wo neben den Energiepflanzen natürlich trotzdem Nahrungsmittel für den Eigenbedarf angebaut werden können. Da diese Höfe in aller Regel nicht intensiv witschaften, belasten sie auch die Umwelt viel weniger als industriell arbeitende Großfarmen. Naturzerstörung ist jedenfalls nicht auf den Anbau von Energiepflanzen beschränkt, sondern tritt bei rücksichtsloser, intensiver Nahrungsmittelproduktion genau so auf - auch und gerade in den Tropen.

    Fazit: bevor man das Kind mit dem Bade ausschüttet, indem man mit Tatarenmeldungen wie: "Biosprit verusacht Hunger!" die Biotreibstoffe pauschal verteufelt sollte man erstmal prüfen, welche Chancen dieser Weg eröffnet! "Energy Farming" ist sicher kein Allheilmittel ohne Nebenwirkungen und völlig neue Konzepte schüttelt man nicht einfach aus dem Ärmel, aber es gibt in diesem Bereich viele vielversprechende Ansätze, die es wert sind eingehend geprüft und weiter entwickelt zu werden. Also nicht ablehnen, sondern richtig machen!
Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.