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Kommentare - - Seite 929

Ihre Beiträge sind uns willkommen! Schreiben Sie uns Ihre Fragen und Anregungen, Ihre Kritik oder Zustimmung. Wir veröffentlichen hier laufend Ihre aktuellen Zuschriften.
  • "Glaube ist die Illusion zu wissen, was niemand wissen kann."

    11.01.2012, Rainer Rosenzweig, Nürnberg
    Dass sich Spektrum als populärwissenschaftliches Magazin dem Thema "Vernunft vs. Religion" widmet, ist mutig und äußerst begrüßenswert. Die Wissenschaft sollte nicht länger so tun als finde sie im wertfreien Raum, im "Elfenbeinturm", statt und könne sich abkoppeln von jeglicher Weltbild-Diskussion. Das ist verfehlt und verhilft nur Fanatikern und Fundamentalisten aufs Schild, die dann unwidersprochen das Blaue vom Himmel herunter behaupten können, sei es noch so absurd und längst durch Fakten und Erkenntnisse widerlegt.

    Durch das Interview ist neben einem religiösem Standpunkt auch ein nichtreligiöser vertreten, insofern ist das Thema auch halbwegs ausgewogen behandelt, sofern das in der gebotenen Kürze überhaupt möglich ist. Den Hauptartikel einem Theologen zu überlassen, ist ein nahe liegender Gedanke der Redaktion. Allerdings weisen die einseitig aus der christlichen Ecke heraus formulierten Gedanken des Artikels von Herrn Tapp – obwohl sehr zurückhaltend und unter Einbeziehung kritischer Argumente vorgebracht – so viele Schwächen und Angriffspunkte auf, dass man sich wohl doch eher einen allgemeinen, vielleicht eher religionswissenschaftlichen Überblick gewünscht hätte.

    Der christliche Glaube ist – wie bereits in einigen Kommentaren hier vermerkt – nur *ein* Angebot unter vielen anderen religiösen Weltbildern. Schon das ist eigentlich eines der wesentlichsten Argumente gegen jede Art von religiösem Glauben (im Sinne von "für wahr halten"): Dann müssten sich alle anderen religiösen Vorstellungen in anderen Teilen der Welt irren. Zufällig wir seien also im "wahren" Glauben aufgewachsen und erzogen worden? Schwer zu "glauben" …

    Die im Artikel zu Beginn gemachte nötige Trennung des Wortes "Glaube" in ein emotionales Gefühl ("faith") und ein "für wahr halten" ("belief"), wird im Artikel dann leider wieder vermischt, etwa wenn zum Beispiel auf S. 58 von der Bibel als "Heiliger Schrift" und der dafür notwendigen "anderen Bedeutungsebene" die Rede ist.

    Der Vorschlag (auf S. 62), am Wissenschaftsstatus der Theologie festzuhalten, solange die Unwissenschaftlichkeit nicht bewiesen ist, mutet gar abenteuerlich an. Würde Herr Tapp das Gleiche auch für den Glauben an UFOs, Elfen oder Klabautermänner vorschlagen? Da bleibt man doch lieber bei dem ontologisch sparsamen Gebot, eine (außergewöhnliche) These erst dann ernst zu nehmen, wenn relevante und mindestens ebenso außergewöhnliche Belege dafür zu finden sind, und nicht etwa dann, wenn es möglichst viele Menschen gibt, die daran geglaubt und Schriften darüber verfasst haben.

    Die Theologie auf die Hermeneutik historischer Schriften zu beschränken, würde weder den Theologen noch ihren Kritikern gefallen – dann könnte man ja auch ganz auf "Theologie" verzichten und stattdessen gleich nur von Hermeneutik sprechen.

    So bleiben am Ende des Artikels die vielen, auch vom Autor eingeräumten Gegenargumente gegen den Glauben: Von der Theodizee über die missglückten Gottesbeweise bis hin zur "umstrittenen" Wissenschaftlichkeit. Damit ist die Titelfrage des Spektrum-Hefts aus meiner Sicht klar beantwortet: Sind Wissenschaft und Religion vereinbar? Nach dem heutigen Stand von Wissenschaft und Theologie zu urteilen: definitiv nein.
  • Nicht verstanden?

    11.01.2012, Torben
    Was hab ich daran nicht verstanden? Antibiotikaresistenzen sind ein umfassendes Problem. Über einen Aspekt wird berichtet und die Reaktion darauf ist hier, auf einen gerade mal nicht berichteten anderen Aspekt mit vollkommen anderen Akteuren zu verweisen (der im Übrigen ungleich mehr professionelle und öffentliche Zuwendung erfährt als das entsprechende Problem in der Landwirtschaft, da gibt es deutlich weniger Forschung, weniger Leitlinien, weniger Handlungswillen und weniger Öffentlichkeit). Mit EHEC hat das nichts zu tun, aber das dient der Argumentation offenbar ebenso wie banale Methodenkritik ohne Substanz. In der deutschsprachigen Wissenschaftsblogossphäre - und die ist überschaubar - reagiert man bei Vorwürfen gegenüber Praktiken in der hiesigen Landwirtschaft reflexartig: Von Ausgewogenheit keine Spur, das ganze wird schnell weltanschaulich verortet und dann als fehlerhaft und unwissenschaftlich gegeißelt.

  • Keine Bagatellisierung

    10.01.2012, Sören Schewe
    Hallo Torben!

    Ich glaube, Du hast die Aussage des Kommentars nicht ganz verstanden. Es geht nicht darum, etwas zu bagatellisieren. Lars warnt lediglich - völlig zurecht - davor, dass wir uns jetzt mit großer Begeisterung auf die Tierhaltung stürzen und darüber völlig vergessen oder ausblenden, dass es in der Humanmedizin ein ähnlich drängendes Problem gibt.

    PS: "Die Veterinärmedizin" hat damit übrigens auch nichts zu tun.
  • Weiter so!

    10.01.2012, Johannes Maschke
    Klingt ja super! Ich hoffe, dass diese Methoden schnell weiterentwickelt werden, und dass ihrer Förderung nichts im Wege steht!

  • 2. Sphärenmusik

    10.01.2012, Patricia Otero
    Ja, diese Frequenzen hätte ich auch sehr gerne gehört :-)!!
  • Nee

    10.01.2012, Torben
    Weil ein großer Teil der Resistenzen vom Patient „Mensch“ ausgeht, wird das Wirken der Veterinärmedizin bagatellisiert? Seltsame Reaktion. Ich kann mich nicht erinnern, dass in der Berichterstattung ein „Hauptschuldiger“ ausgemacht wurde, etwas, das jetzt wohlfeil kritisiert werden könnte.
  • Verwirrende Zahlen

    10.01.2012, Fabian Cundano Maltez
    Heißt es auf Seite 80, dass mit der Enercon E-126 Windkraftanlage (7,5 MW) etwa 10.000 Haushalte mit Strom versorgt werden können, so heißt es auf S. 82, der Èole Vertikalrotor habe mit seinen etwa 4 MW rund 800 Einfamilienhäuser versorgt.

    Das heißt, pro MW Windenergie können zwischen 1300 "Haushalten" und 200 "Einfamilienhäusern" versorgt werden - also ein Unterschied von mehr als Faktor 7 (schließlich ist ein Einfamilienhaus genau ein Haushalt). Welche Zahlen stimmen denn nun?

    Leider erlebe ich immer wieder, das Vertreter von unterschiedlichen Energiekonzepten sich ihre Zahlen schönrechnen, um am Ende die Überlegenheit ihres Systems zu preisen. In einem wissenschaftlichen Artikel wünsche ich mir mehr Klarheit. Es wäre wünschenswert, dass Standards erklärt werden, nach welchen Energiekonzepte objektiv verglichen werden können - um den Leser eben gegen Schönfärberei durch Lobbygruppen zu rüsten.
    Stellungnahme der Redaktion

    Schön, dass es Leser gibt, die kritisch alles noch einmal nachrechnen. In der Tat tut sich hier eine Diskrepanz auf. Die erklärt sich folgendermaßen: Die Angabe zum Darrieus-Rotor Èole ist eine Quellenangabe aus: http://www.energyprofi.com/jo/Besondere-Windenergiesysteme.html (Internetseite zu besondere Windenergiesystemen, dort relativ weit unten). Da der Rotor nicht mehr arbeitet, kann ich diese Angabe nicht weiter nachprüfen. Sie deckt sich aber mit anderen Quellen. Hier wird von (kanadischen) Einfamilienhäusern(!) aus dem Jahr 1992 geredet.



    Die Angabe zur Enercon E-126 kann man errechnen (respektive: habe ich errechnet). Energieversorger gehen davon aus, dass ein (deutscher) Haushalt heute im Schnitt 3.500 Kilowattstunden Strom im Jahr verbraucht. (Das deckt sich mit meinen Erfahrungen). Ich habe vorsichtshalber sogar
    einen Wert von 4500 kWh angenommen. Dividiert man dies durch die Anzahl der Stunden im Jahr (365 x 24 = 8760) macht das einen durchschnittlichen (kontinuierlichen) Verbrauch von etwas über 500 Watt. Dann habe ich nur noch die 7,5 MW durch 514 W geteilt (das kommt heraus, wenn man genau
    rechnet) und erhielt 14591 Haushalte. Zur Sicherheit habe ich diesen Wert großzügig auf 10.000 Haushalte abgerundet, weil die Haushalte ja nicht immer gleich verbrauchen, sondern mal mehr (und mal weniger). Garniert mit einem "etwa" kann die Aussage wolh so stehenbleiben, denke ich.



    Das hat also nichts mit Schönfärberrei oder gar Lobbygruppen zu tun.



    Gerhard Samulat



    Bitte beachten Sie dazu auch die Stellungnahmen des Autors: Kommentare 12, 18 und 19!

  • Wie viel Gramm Metaphysik dürfen’s denn sein? –: Naturalismus und Agnostizismus

    10.01.2012, Dr. Josef Klein, Berlin
    Eckart Voland meint, nach Leibniz’ Begriff von Wissenschaft könne Theologie dazu gehören, nach dem Begriff von Science im Sinne Galilei indes nicht (abgesehen davon einmal, dass Galilei eigentlich mehr Italienisch sprach). Mir geht es hier weniger um die Theologie, die noch zu Galileis Zeiten scholastisch verfügte, dass die Philosophie einzig ihre Magd sein könne und die anderen Wissenschaften sozusagen die Hilfskräfte von Fall zu Fall. Wichtiger scheint mir zu betonen, dass die Wissenschaft, von Galilei initiiert, fortan eine Mathematisierung der Natur als Forschungsstrategie sich zur Aufgabe bei der theoretischen Aufbereitung der empirischen Daten und zur obersten Forschungsmaxime gemacht hat. So liest man das noch bei Max Bense, dem Atheisten pur, bis Ernst Cassirer. Davon kann indes heutzutage nicht mehr die Rede sein. Würde die Mathematisierung der Natur tatsächlich der Standard sein, so würden noch ganz andere „Wissenschaften“ als die Theologie aus dem Tempel der Alma Mater hinausfliegen, so zum Beispiel die auf Populismus schielende Soziobiologie à la R. Dawkins – die Jurisprudenz wollen wir mal ganz beiseitelassen (die hat es nicht notwendig, sich auf die Albernheiten des Naturalismus überhaupt einzulassen, da sie einen unbedingten Bedarf der „Zweiten Natur“ des Menschengeschlechts erfüllt, der aus der gesellschaftlichen Organisation der Menschennatur per Moral, Sitten und Recht entspringt). Was nun die Biowissenschaften anlangt, so wird man ja wohl nicht ernsthaft glauben machen wollen, dass metaphorisches Geklingel wie „egoistisches Gen“ einen exakten Terminus abgeben kann, da allenthalben sogar beim Menschen bestritten wird, dass das „Ich“ was Handfesteres denn eine „Illusion“ sei. Oder zu erinnern wäre an die Figur von den „betrügerischen“ Einzellern, Bakterien und Viren, die andere ihrer Art im Überlebenskampf der Evolution aufs Kreuz legen wie der Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi den Max-Ernst-Experten Werner Spies mit völlig frei im Stil von Max Ernst und anderen zeitgenössischen Malern verfertigten Kunsterzeugnissen. Mit der Mathematisierung der Natur ist es also nicht weit her. Ebenso kann die Neurobiologie nicht gerade alles auf den mathematischen oder gar bloß auf den formal-logischen Kalkül bringen, nicht anders die Verhaltensbiologie, die Evolutionäre Emotionsforschung, von den Blumen- und Tierkundlern ganz zu schweigen. Das Galilei-Programm von der Mathematisierung der Natur ist hier nicht ansatzweise gefragt. So dient hier ebenfalls der Name „Galilei“ lediglich als Metapher für etwas, was man selbst nicht so ganz genau weiß und nicht genau wissen will noch kann. Und diese theoretische Vagheit samt Unvermögen wird kaschiert mit dem Anglizismus „Science“, als ob das die Patentlösung wäre. Science ist sozusagen alles, gleich ob es exakte oder bloß deskriptive Naturwissenschaft oder nur Sachbuch-Naturwissenschaft ist.

    Die Zersetzung des positivistischen Begriffs von Wissenschaft geht geistesgeschichtlich nicht nur einher mit dem Postszientismus (bzw. der Postmoderne) und der Aufkündigung aller erkenntniskritischen und wissenschaftstheoretischen Standards durch den Naturalismus. Freilich ist das Spektrum des Naturalismus breit gefächert, da W. Sellars (mit metaphysischem Anstrich), dort W. v. O. Quine und so weiter. Dabei bleibt bei Quine rätselhaft, wie sein Naturalismus einerseits und seine beträchtlichen Arbeiten zur Logik andererseits zusammen harmonieren sollen. Denn wie Logik und Mathematik empirisch sich herleiten und sonst in der Natur sinnlich wahrnehmbar gründen und per Beobachtung gleich kapitaler Hirsche und Elche im Forst sich bewahrheiten lassen sollen, bleibt Quines und der übrigen Naturalisten Geheimnis. Möglicherweise weiß da die eine Gehirnhälfte nicht, was die andere tut. Bei der Unterhöhlung des Begriffs von den exakten Naturwissenschaften tut das Erstarken der Biowissenschaften ihr Übriges. Zu erinnern wäre etwa an deren Nachweis tierischer Intelligenz bei Experimenten, von denen man sich wünschen würde, dass sie den Härtetest bestehen gleich den epochemachenden Forschungen des nobelpreisverdächtigen Nanophysikers Jan Hendrik Schön. Da haben doch die drolligen Tierchen so liebliche Namen wie Ulla, Udo, Kasimir und Cosima, damit auch noch dem letzten Begriffsstutzigen klar wird, welch groß angelegte Feldstudien die Generalisierung der tierischen Intelligenz bei Hund, Ratte, Affe und Katz belegen sollen, nämlich reduziert auf zumeist ein Exemplar der Gattung. Und so nimmt es nicht wunder, was solcherart in einem westfälischen Hühnerhof Großartiges beobachtet ward. Dort in Westfalen, wo sinnigerweise Voltaires „Candide“ bekanntlich in die Schule von Maître Pangloss am Hof des Leibniz-Land-schlosses von Baron von Thunder ten Tronckh ging, soll es Hennen geben, die beim Aufpicken der Körner tatsächlich ganz artig zählen, ja sogar Additionsspiele um die Wette betreiben und mitunter – als Höchstleistungen in Sachen höherer Mathematik – über den gödelschen Unvollständigkeitssatz sinnieren, indem sie, plötzlich innehaltend, sich hinterm Ohr verlegen mit dem rechten Hühnerbeinchen kratzen. Oder anders gesagt: Man weiß bei diesen Sensationsmeldungen nur allzu oft nicht, was Dressur, was intelligente Versuchsanordnung durch den Menschen und was überhaupt durch andere Experimente empirisch da überprüfbar ist. Aber wir haben eben alle so gerne unseren „echten“ Max Ernst, unseren „echten“ Picasso und unseren „echten“ Mann mit dem Goldhelm (Rembrandt respektive Rembrandtschule) über dem Kanapee hängen. Und ein Naturwunder zur Abwechslung ist doch auch mal schön. Es muss ja nicht immer gleich ein Marienwunder à la Fatima sein – da hätte die Gottesmutter denn wirklich viel zu tun. Aber nicht dass ich etwas gegen die These von der tierischen Intelligenz einzuwenden hätte! Als ich noch Pennäler war, hatte unser Hund zu Hause, ein Foxterrier, Bello geheißen, mein Lateinbuch aufgefressen, ganz wißbegierig, und fortan hat er immerzu Zitate von Tacitus, Caesar, Lukrez, Seneca und Cicero sowie von Sextus Empiricus gebellt, aber so deutlich und klar artikuliert, dass er nicht nur Petronius, den Verschwörer des guten Geschmacks, sondern auch Descartes derart entzückt hätte, dass letzterer über die Tiere etwas anthropomorpher gedacht haben würde. Seit geraumer Zeit weilt Foxterrier Bello indes in den ewigen Jagdgründen und paukt mit Winnetou und Old Shatterhand das Anglerlatein. Auf die Idee, ihm mein Mathematikbuch zu verfüttern, bin ich leider damals nicht gekommen. Sonst hätte ich Quines Naturalismusdoktrin sicherlich verifizieren können. Schade.

    Bliebe also der Begriff vom „Naturalismus“. Kein Zweifel, dass das biologische Erkenntnisproblem ein eigenes biologisches Wissensideal zeitigt, das, auf die eigene WissenschaftrRegion begrenzt, neben dem der exakten Naturwissenschaften herläuft, ist mehr als selbstverständlich, nicht aber, dass dies für alle Wissenschaften – gleichgültig ob diese Natur- oder Geisteswissenschaften seien – allgemein-verbindlich sein soll. Den methodologischen Naturalismus, der nur die Naturwissenschaften auf die experimentell und logisch kontrollierbare Erfahrung verpflichtet, wollen wir dahingestellt bleiben lassen. Der „ontologische Naturalismus“ geht indes weiter in seinem Alleinvertretungsanspruch in Sachen Wissenschaft, der einzig der Naturwissenschaft gebühre. Ich kann hier die Widersprüchlichkeit desselben – zudem in all seinen Varianten, sei’s der von W. Sellars, sei’s der von G. Vollmer etc. – nicht im einzelnen ausbreiten.

    Aber wie bereits mit dem Hühnerhofbeispiel zur höheren Mathematik angedeutet, ist der starke Begriff vom „ontologischen Naturalismus“ – von dem Christian Tapp meint, dass er der Theologie als Glaubenswissenschaft Kopfschmerzen bereiten würde – schon einmal ein theoretisches Unding, da ein Widerspruch in sich wie jene Figur von der Güte „rundes Viereck“; denn noch nie, seit sich die Erde um die Sonne dreht, war die Ontologie eine Naturwissenschaft, und wird wohl auch nie eine sein. Diese contradictio in adiecto läßt sich selbstverständlich ganz leicht umgehen, indem wir den Namen „ontologischer Naturalismus“ kurz in „starken Naturalismus“ abändern. Aber das hilft nicht viel. Denn alles, was zu diesem Thema überhaupt geschrieben und erörtert wird, ist metatheoretischer Natur und gehört nicht der ersten Natur noch der Objektsprache an. Die metatheoretischen Erörterungen gehören stattdessen der Welt III an – ich verwende nun der Einfachheit halber den Trialismus der Drei-Welten-Theorie von Popper; diese Drei-Welten-Theorie hat, wie Popper (in: Objektive Erkenntnis) zugibt, eine Ähnlichkeit mit Hegels Unterscheidung vom subjektiven und objektiven Geist; nur sei sie enttheologisiert. Welt I ist die Welt der Physik und der Biologie, Welt II ist die Welt des subjektiven Erlebens, Welt III ist die Welt der geistigen Gegenstände und der Gestalten des objektiven Geistes – also das Reich der Wissenschaften, der Mathematik nicht zuletzt, sowie zudem des Rechts etc.

    Aber auch in Ansehung dessen, dass es von dem seit Pythagoras, Euklid und Archimedes nicht gerade geringsten Vertreter unter den Mathematikern, Kurt Gödel, einen mathematisch ontologischen Gottesbeweis gibt, der seiner Widerlegung erst harrt, muss festgehalten werden, dass einige Herrschaften da denn doch etwas zu voll den Mund in Sachen „Naturalismus“ als höchstes Stadium des wissenschaftlichen Atheismus nehmen. R. Dawkins geht im „Gotteswahn“ vorsichtshalber oder aus Unkenntnis gar nicht darauf ein; möglicherweise wäre ihm hierzu auch nur eine Sottise (von wegen Wissenschaftsblenderei) eingefallen wie zur Kontroverse Euler versus Diderot. Schon I. Kant muß Dawkins als „Atheisten“ verkaufen, was Kant nie war: Die Gottesbeweise (den ontologischen, den kosmologischen und den physiko-theologischen) hat Kant nur „deshalb“ widerlegt, um seinen eigenen Gottesbeweis, den moralischen mit dem Postulat Gottes, zu installieren (vgl. hierzu J. Klein, Semiotik des Geistes, Buch I, Berlin 2010, S. 761,771). Und ferner wird Frank J. Tipler – als Beiträger zum „anthropischen Prinzip“ – implizit zum Atheisten umfunktioniert und zurechtgebürstet, als ob der nicht sich in einer „Physik der Unsterblichkeit“ versucht hätte. Tiplers wissenschaftlich positives Argument für das Dasein Gottes, auf informationstheoretischer Basis, habe ich – neben dem von C. F. v. Weizsäcker – in der „Semiotik des Geistes I“ (S. 689, 692 ff.) freilich zurückgewiesen. Was Gödel anlangt, so bin ich allerdings selbst nicht der Auffassung, dass das quod erat demonstrandum unter Gödels Gottesbeweis allzu lange Bestand haben würde: Das q. e. d. steht freilich ohnehin nirgendwo darunter. (Ich selbst gehe erst in Buch II der „Semiotik des Geistes“ darauf ein; in SdG I – Berlin 2010 – habe ich mich nicht dazu geäußert.) Gleichwie. Haltbar ist einzig ein methodologischer Agnostizismus.

    Auch E. Volands Eingeständnis, Naturwissenschaftler würden notgedrungen nicht voraussetzungslos arbeiten – hierin ganz Popper folgend, dass seine Prämisse vom Realismus nur eine metaphysische sein kann, da sie nicht wissenschaftlich überprüfbar sei (vgl. Popper, Objektive Erkenntnis) –, ist nicht ohne kurios pikante Würze, wenn er meint, trotzdem sei es den Naturwissenschaften vergönnt, empirisch zu arbeiten, obwohl sie gar nicht darüber entscheiden könnten, ob sie nun in einer Simulation leben oder nicht! Da können wir gleich an Wunder glauben. Was ist da noch der Unterschied zwischen kritischer Wissenschaft, Sciencefiction und Lourdes respektive Fatima? (Aber zum Thema Skeptizismus und Simulation habe ich schon im Sommer 2011 einen Vorschlag gemacht, wie externalistisches Wissen trotz des Gehirn-im-Tank-Problems nach Putnam & Brendel möglich ist: www.spektrumverlag.de/artikel/1073683, www.spektrumverlag.de/artikel/1115669 . Und dieser mein Vorschlag erfüllt sogar mit den Sherrington-Formeln die Mindestanforderungen des Galilei-Programms der Mathematisierung der Natur. (Trotzdem trete ich Quines Naturalisierungen der Erkenntnistheorie mitnichten bei, obgleich gerade meine Sherrington-Formeln genau diese wie nichts anderes sonst wohl zu bestätigen scheinen.)

    Ähnlich wie Popper (der kein Naturalist ist) und wie Voland für den Realismus räumt für den Naturalismus unter anderem auch Vollmer ein bißchen Metaphysik ein, die sich nicht vermeiden lasse, schon um sich von den großen Systemen der Metaphysik abgrenzen zu können: Aber wie viel Gramm Metaphysik dürfen's denn sein? Wenn Johannes Paul II. äußert, dass der Geist nicht aus der Evolution stammen könne, so ist das für E. Voland schon eine gehörige Prise zu viel an Metaphysik. Dabei muss das päpstliche Statement vom Primat des Geistes in philosophie-systematischem Anbetracht mitnichten dem Prinzip der Evolution widersprechen, so etwa, nun rein als Hilfskonstruktion, wenn die Theologen sich der Grundannahme des objektiven Idealismus von Ch. S. Peirce bedienen würden, wonach (ähnlich wie im System Schellings), die Materie geronnener Geist sei; dies läßt sich desgleichen in die informationstheoretische Hypothese von C. F. v. Weizsäcker übertragen, wonach Materie gleich Form gleich Information sei (vgl. hierzu J. Klein, SdG I, S. 357, 404 f., 412, 481). Und Peirce ebenso wie Weizsäcker vertreten evolutionistische Positionen. Woher der Geist stammt, dies ist eine noch ziemlich ungeklärte Frage. Der (Inquisitions-)Fall Galilei liegt hier indes total außer jeder Vergleichbarkeit. Überdies rekurrieren nicht wenige Physiker auf platonistische bzw. neuplatonistische Positionen, so Weizsäcker, Heisenberg, Shimon Malin etc., welche immer auf den Primat des Geistes hinauslaufen. Wollen oder sollen wir diese Herrschaften nun aus der Science-Kirche exkommunizieren? Wer gäbe wem das Recht dazu? Die kritische Vernunft etwa? Womöglich die von der Vernunftreligion des Immanuel Kant! Mit dem stehen unsere Naturalisten ja auf bestem Fuß! War nur ein kleiner Scherz am Rande.

    Nach alledem kurzum: Der Agnostizismus ist kein „windelweicher Atheismus“, wie die Spektrum-Redakteure fragend in den Raum stellen, sondern ein wissenschaftliches Gebot, aus dem Ignoramus-ignorabimus und aus der Einsicht, daß Gott keine wissenschaftlich überprüfbare Hypothese abgeben kann, eine wissenschaftliche Tugend zu machen, statt sich im Smalltalk (irgendwo zwischen den „Feuchtgebieten“, den „Schoßgebeten“ und „Harry Potter“) zu ergehen oder in verunglückter Poetry of Science, und möge auch laut Dawkins Wissenschaft die Poesie der Realität sein[1]. Da täte eine kritische Ästhetik wider naturalistische Spekulationen ohnehin not, ein „Candide“ à la Voltaire: Diesmal gegen den Pseudo-Galilei als Inbegriff der naturalistischen Spekulationen vom Biohühnerhof statt gegen die spekulative Metaphysik von Leibniz.
  • Windkraftpotenzial für Europa

    10.01.2012, Dipl. Ing. Wolfgang Fischer, Pitten (Österreich)

    Im 2. Teil der Serie Energie wird die Nutzung der Energie des Windes behandelt. Dabei wird kaum auf die Frage eingegangen, wie groß ist das Windkraftpotenzial für Europa bzw. weltweit? Als Versuch einer Antwort möchte ich meine eigenen Berechnungen hinsichtlich Windenergie vorlegen: Ausgehend von der eingestrahlten Energie der Sonne auf die Erdoberfläche mit rund 5,6. 1021 kJ/Jahr (Erdoberfläche 510. Millionen km², eingestrahlte Energie durchschnittlich 8,7 kWh/m² Tag, Albedo rund 0,35) wird angenommen, dass nur 1 Promille in Windenergie umgesetzt wird. Das bedeutet, im Wind sind weltweit etwa 5,6 1018 kJ enthalten oder 1,56 1015 kWh.

    Das oben angeführte Windkraftpotenzial von Europa beträgt 1300 TWh oder 1300. 1012 kWh. Das sind ein 0,083 % Anteil der Gesamtwindenergie. Wenn weltweit das Zehnfache der in Europa geernteten Windenergie, das sind 13.000 TWh genutzt werden, ist das immer noch weniger als ca. 1 % der Gesamtwindenergie.

    Ein negativer Einfluss auf Windverhältnisse bzw. dem Klima und - der erzeugten Windenergie ist somit kaum denkbar.

    Den oben genannten Zahlen soll der Gesamtstrombedarf Europas (EU mit Schweiz und Norwegen) mit 4300 TWh für das Jahr 2020 und 5000 TWh für 2050 gegenübergestellt werden. Zusätzlich werden das Potenzial der Wasserkraft Europas (ca. 400 Th) und der Fotovoltaik mit realistischen 600 TWh hinzugezählt. Erst dann können knapp die Hälfte des europäischen Strombedarfs – in Summe 2300 TWh in Europa bereitgestellt werden. Soll Europa aber sicher mit elektrischer Energie versorgt werden, bleibt nur ein Ausweg, die moderne Kernenergie. Gerade hier hat der Kontinent alle Möglichkeiten, beginnend mit der vorhandenen Technik bis zu gut ausgebildetem Personal.

    Ein ganz entscheidender Punkt in allen bisher bekannten Konzepten ist das Fehlen leistungsfähiger Stromnetze. Hier hätte ich den Vorschlag entlang von Autobahnen oder Eisenbahnlinien einen geschlossenen Betonkanal mit den Innenabmessungen von etwa 4,0 x 2,5 m zu verlegen. In diesem werden auf beiden Seiten insgesamt 4 Hochspannungsgleichstromrohrgasleitungen für +/- 500 kV geführt. Jede Leitung ist für 2,5 GW Übertragungsleistung ausgelegt. Insgesamt kann so ein „Stromhighway“ 10 GW übertragen. Über Europa wird so ein Leitungsnetz gelegt, welches die regionalen Netze über Umrichterstationen verbindet.

    Zum Abschluss finde ich es äußerst störend, mit den Begriffen Leistung und Energie locker umzugehen. Was hat es für einen Sinn, wenn von installierter Windparkleistung von 27 GW und 20 GW Fotovoltaik berichtet wird, aber die erreichten Volllaststunden im Jahr unterschlage. Bei obigen Zahlenwerten wäre die Jahreserzeugung bei Windkraftanlagen etwa 55 TWh (2500 Volllaststunden/a) und bei der Photovoltaik nur geringe 18 TWh (900 Volllaststunden/a). Oder umgekehrt: Sollen angenommener Maßen die Stromlücke Europas von ca. 2000 TWh mit Photovoltaikanlagen geschlossen werden, ergibt sich ein Flächenbedarf von etwa 20.000 km². Von dem Materialbedarf gar nicht gesprochen.
    Stellungnahme der Redaktion

    Der Beitrag "Frische Brise" beginnt mit dem Satz: "... die Forscher um Michael B. McElroy von der Harvard University (Cambridge, Massachusetts) haben [ausgerechnet, dass] ... sich mit Windkraftanlagen eine Leistung erzielen [lässt], die mehr als dem 40-fachen des derzeitigen globalen Bedarfs an elektrischer Energie entspricht ..." Die Quelle dazu lautet: http://www.pnas.org/content/early/2009/06/19/0904101106 (Global potential for wind-generated electricity). Das ist mithin eine saubere Angabe über die Potenziale der Windenergie. Und zwar gleich zu Beginn des Beitrags. Sie deckt sich aber offensichtlich nicht mit Ihren Kalkulationen.



    Im Gegenteil: Von der Harvard University (und andere Quellen bestätigen das) wird behauptet, dass allein mit Windenergie der gesamte Strombedarf der Welt gedeckt werden könne, selbst wenn die Anlagen (ausschließlich an Land aufgestellt) nur zu einem Fünftel der Zeit laufen sollten und ansonsten Flaute herrscht. Zusammen mit der Fotovoltaik und weiteren erneuerbaren Energien sollte sich demnach (leicht) ein Energiesystem aufbauen lassen, das auf fossile Energieträger und der Atomkraft verzichten kann.



    Dreh- und Angelpunkt ist - wie Sie richtigerweise erkannt haben - das Stromnetz. Überaus interessant finde ich Ihren Vorschlag, entlang von Autobahnen oder Eisenbahnlinien einen Tunnel zu verlegen, in dem Hochspannungsleitungen verlegt werden sollten. Das deckt sich mit dem Positionspapier "Stromübertragung für den Klimaschutz" (http://www.vde.com/de/InfoCenter/Seiten/Details.aspx?eslShopItemID=d5fef2e1-d1e6-4e07-b26d-0e26f8699416) des Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik VDE und ist sehr unterstützenswert. (Für ein anderes Magazin habe ich darüber bereits berichtet.)



    Zu Ihrem letzten Punkt möchte ich vermerken, dass ich als Physiker sehr wohl darauf achte, die Begriffe Leistung und Energie sauber zu trennen. Falls es mir in dem vorliegenden Beitrag mal nicht gelungen sein sollte, bitte ich Sie, mir die Stelle(n) zu benennen.



    Dass sowohl Windenergieanlagen als auch Solaranlagen nicht immer gleichmäßig Strom produzieren, ist mir selbstverständlich bewusst. Daher hatte ich bereits zu Beginn des Artikels (als es um das Gesamtpotenzial der Windenergie ging) angemerkt: "... Die durchschnittliche Auslastung deutscher Windkraftanlagen ... [betrug] in den vergangenen zehn Jahren etwa 17 Prozent. Das heißt, die Anlagen standen die meiste Zeit still ..." Man muss in diesem Zusammenhang fairerweise aber auch erwähnen, dass die Potenzialanalysen der Harvard University ausschließlich auf Windkraftanlagen mit einer Leistung von 2,5 MW berechnet wurden, es mittlerweile aber bereits deutlich leistungsfähigere Anlagen gibt (was ich im Beitrag auch erwähnte).



    Herzlichen Dank für das aufmerksame Lesen des Beitrags.




    Bitte beachten Sie dazu auch die Stellungnahmen des Autors: Kommentare 12, 18 und 19!

  • Es ist ja so einfach

    10.01.2012, Ulrich Dittmann
    Im Grunde könnten wir alle "Heiligen Schriften" der verschiedenen Religionen, oder auch langatmige philosophische Abhandlungen über Moral und Ethik, einstampfen - wenn wir uns an dem alle Werte umfassenden schlichten Sprichwort, "Was du nicht willst das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu", orientieren würden.
    Der daraus folgende, logische Umkehrschluss, "Was du willst, das man dir tu, das füg auch anderen zu", beinhaltet auch das Gebot einer allumfassenden Nächstenliebe zu allen unseren kleinen tierischen Mitgeschwistern, was Albert Schweitzer so trefflich mit vier Worten, als die "Ehrfurcht vor dem Leben" definierte.
    Es ist ja so einfach.
    Alles ist vielfach gesagt und geschrieben - und auch allen bekannt. Logischerweise wäre ein solches Leben auch im Sinn eines möglichen Schöpfergotts.
    Doch offenbar ist der Mensch unfähig, all das in dicken Büchern verstaubende, hehre Gedankengut zu Religionen und Wissenschaften im Alltag umzusetzen.
  • Glaubensfragen

    10.01.2012, Martin Schade
    Die beiden Artikel zu "Vernunft und Glaube" gehen von einer falschen Fragestellung aus; die gebrachten Beispiele sind gegenüber Fragen menschlichen Verhaltens banal (und Jesus war kein Palästinenser, dieser Begriff hatte damals eine andere Bedeutung). Bereits zur Diskussion um den Empiriokritizismus bin ich&np;- als Ingenieur - der Meinung, dass es nicht darauf ankommt Empfindungen zu erklären, sondern welche hervorzurufen bzw. zu vermeiden. So sollte man auch hier akzeptieren, dass - solange man keine Maßnahmen daran knüpft - eigentlich egal ist, ob man z.B. die Welt als Kugel oder als Scheibe auffasst. Erst wenn man ein Ziel verfolgt, und aus unterschiedlichen Weltmodelle verschiedene Wege dorthin folgert, wird der Unterschied relevant.
    Man kann sein Vorhaben, z.B. eine Brücke, zwar exakt berechnen, aber ob es dann gelingt, diese auch gemäß den Plänen zu errichten, ob alle Mitarbeiter richtig arbeiten, ob sich die Projektgegner wie angenommen verhalten, und wie sich die bisher Unbeteiligten dazu positionieren werden, das weiß man nicht. Hier kann man nur glauben, dass es gelingt, das Vorhaben zu realisieren. Das heißt, Ihr Artikel engt unzulässig auf religiösen, insbesondere etablierte Varianten des christlichen Glaubens, ein. Den Glauben an den technischen Erfolg des Bauvorhabens und an den kaufmännischen Ertrag - und wie man Chancen und Risiken gegenüber stellen kann - betrachten Sie nicht. In [*] finden wir meines Erachtens richtig formuliert: "Bei beiden Spezies sitzt das Gefühl am Steuer, der Verstand pflastert nur die Straße" und meint, dass man mit dem Verstand nur Varianten ausarbeiten, aber sich nicht für eine entscheiden kann. Letztlich geht es darum, ob man vernünftig ist und es bleiben läßt, oder im Glauben an den Erfolg das Risiko eingeht. Und manchmal muss man seinen Verstand sehr anstrengen, um etwas Spaß zu haben.
    Das Problem läuft meines Erachtens darauf hinaus, dass man einschätzen muss, wie sich die Leute, insbesondere die Mitarbeiter, gegenüber den auf sie zukommenden Aufgaben und Problemen verhalten werden, ob sie diese richtig und gemeinsam angehen werden oder ob Streit und Zwietracht mehr Aufmerksamkeit gewinnen als die vorliegende Aufgabe. Die Hermeneutik - deren Hintergrund unzureichend erklärt worden ist - sollte deshalb auch angewandt werden, das Verhalten der Projektbeteiligten besser zu verstehen.
    Die Atheisten haben zweimal versucht, das Problem zu lösen: Die Rechten haben in der genetischen Disposition die Ursache für alle Probleme gesehen, eine aufwändige Auswahl betrieben und viele Leute kaum mitwirken lassen. Und die Linken haben in materiellen Bedingungen z. Zt. der Kindheit die eigentliche Ursache für alle Abweichungen gesehen und versucht, diese auszugleichen. Von diesem Standpunkt ausgehend sind sogar Einsatzbereitschaft und überdurchschnittliche Ergebnisse als Fehler gewertet und bekämpft worden. Der Sozialismus hat damit geendet, dass viele Leute auf Positionen festsaßen, von denen sie nur noch wegwollten.
    Eine Freund-Feind-Maschine wäre sicherlich hilfreich, aber aus dem Scheitern beider Diktaturen ergibt sich, dass man einen Menschen nicht unabhängig von seiner Persönlichkeit einschätzen kann. Gläubige Menschen gehen davon aus, dass Gott - ob absichtlich, oder weil auch er das nicht anders kann - die Seelen der Menschen mit unterschiedlichen Vororientierungen erschafft, oder dass diese bereits aus einem vorigen Leben vorgeprägt sind. Unser Apostel Paulus hat in seinem Ersten Brief an die Korinther erläutert: "12,4 Es gibt aber Verschiedenheiten von Gnadengaben, aber [es ist] derselbe Geist; 12,5 und es gibt Verschiedenheiten von Diensten, und [es ist] derselbe Herr; 12,6 und es gibt Verschiedenheiten von Wirkungen, aber [es ist] derselbe Gott, der alles in allen wirkt. 12,7 Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes zum Nutzen gegeben. 12,8 Dem einen wird durch den Geist das Wort der Weisheit gegeben, einem anderen aber das Wort der Erkenntnis nach demselben Geist; 12,9 einem anderen aber Glauben in demselben Geist, einem anderen aber Gnadengaben der Heilungen in dem einen Geist, 12,10 einem anderen aber [Wunder-]Kräfte, einem anderen aber Weissagung, einem anderen aber Unterscheidungen der Geister; einem anderen aber [verschiedene] Arten von Sprachen, einem anderen aber Auslegung der Sprachen. 12,11 Dies alles aber wirkt ein und derselbe Geist und teilt jedem besonders aus, wie er will." [aus dem Web]
    Der Staat bzw. das Bildungssystem erhält daraus die Aufgabe, die mit der Seele gegebenen Anlagen der Menschen frühzeitig zu erkennen, auszubilden und die Menschen dementsprechend einzusetzen. Dazu ist auch zu klären, inwieweit ideelle Werte wie Orden und Ehrenzeichen sowie Titel zur materiellen Produkton erforderlich seien, und demzufolge auch Mittel aufzuwänden sind, um diese zu reproduzieren. Schwer verständlich ist für mich, dass das atheistische Gleichheitsgefasel immer noch Anhänger findet. Dabei ist mit Stirners "Einzigen" schon 1844 die schlechte Perspektive des atheistischen Standunktes offenbart worden.

    Sowohl in der Technik als auch in der Ökonomie ist heute akzeptiert, daß Hard- und Software beide Arbeit erfordern und ihren Wert haben; sonst wäre das Urheberrecht gegenstandslos. Bei dem Kopieren von Information von einer CD auf eine Diskette, einen Flashspeicher oder andere Datenträger wird keine Materie übertragen, sondern nur Information weitergegeben - und diese verschwindet dabei nicht an ihrem Ursprungsort. Übliche Computer benötigen nach ihrer materiellen Fertigstellung noch ein Betriebssystem, welches auch von einer RAM-Disk laufen kann, aber nach dem Ausschalten weg ist.
    Wieso bitte können die Geisteswissenschaftler schwerlich akzeptieren, dass ein Mensch sowohl den materiellen Körper auch eine Initialisierungssoftware - die Seele - erhält, bzw. dass diese überhaupt erst den Menschen ausmacht, und dass diese aus einer anderen Welt stammt?

    Für unser finales Projekt, die Rückkehr in die andere Welt, fragen wir uns, wie wir unsere Seele für den Übergang vorbereiten. Die Regeln, nach denen der Herr die Tür zum Paradies öffnet oder verschlossen hält, sind das Thema der Religion. Diese zu verstehen ist die Erkenntnis der Welt sicherlich nützlich; schließlich hat der Herr sie geschaffen, damit wir unsere Anlagen in ihr zu Fähigkeiten ausprägen. In einer Diskussion mit Zeugen Jehovas ist mir klargeworden, dass "Welt" für das im griechischen Original stehende "Kosmos" gesetzt ist; welches damals so viel wie das heutige "Wirtschaftssystem" bedeutet hat. In dessen der Verständnis liegt die Kirche auch einige Jahrhunderte hinter dem aktuellen Stand.
    Meine Erfahrung ist, dass
    * viele Vorgänge heute auf mehrere Leute aufgeteilt sind, so daß andere beeinflussen, ob das, was jemand tut, böse oder gut wird;
    * die ausschlaggebende Entscheidung - während sich die klugen zurückhalten - oft von einem dummen Menschen getroffen wird;
    * von jeder Alternative immer weitere Leute sowohl un- als auch günstig betroffen sind, so dass es keine Egoistischen Handlungen gibt;
    * wir dazu neigen, Menschen als Angehörige einer Gruppe zu sehen und als "einen von denen" zu beurteilen;
    so dass eine moralische Wertung des Anteils einzelner schwer möglich ist. Die Kirche hat mir bisher keine Antwort darauf gegeben. Hier sollten sich Philosophen und Theologen um eine Klarstellung bemühen.

    Da die Rückkehr in die andere Welt im Prinzip um die Verschiebung einer Datei vom diesseits an einen ihr entsprechenden Ort im Jenseits handelt, ist die Religion als ein Teilgebiet der Informatik anzusehen. Die überkommenen, ungenauen Begriffe der Theologie sollten in Begriffe der IT übersetzt werden; zuvor wäre allerdings die Begriffswelt der IT zu ordnen und sinnverändert übernommene Begriffe anderer Fachgebiete zu ersetzen.

    [*] Richard Wrangham Dale Peterson : Bruder Affe, S. 237
  • Exponentiell oder quadratisch?

    10.01.2012, Dr. Jens-Uwe Bußer, München
    Auf Seite 82 (linke Spalte, ganz unten) heißt es, dass die Leistung einer Windkraftanlage EXPONENTIELL mit dem Durchmesser des Rotors steigt. Meines Wissens nimmt die Leistung aber QUADRATISCH zu - wie die überstrichene Fläche eben …



    Stellungnahme der Redaktion

    Vielen Dank für Ihr Interesse an Spektrum der Wissenschaft. Der Zusammenhang zwischen Rotordurchmesser und Spitzenleistung hat sich in Untersuchungen tatsächlich als nahezu exponentiell erwiesen, wie Sie der angehängten Grafik entnehmen können, die von der Website www.weltderphysik.de stammt. Sie zeigt den Zusammenhang zwischen Spitzenleistung und Rotordurchmesser in halblogarithmischer Auftragung; es ergibt sich nahezu eine Gerade. Das überrascht möglicherweise, denn mit wachsendem Rotordurchmesser steigt die Rotorfläche nur im Quadrat. Jedoch steigt zugleich die Höhe der Rotornabe über dem Boden und damit auch die Windgeschwindigkeit (diese wächst mit der Höhe) - und die Leistung der Anlage wächst mit der dritten Potenz der Windgeschwindigkeit. Diese Zusammenhänge ergeben gemeinsam offensichtlich eine nahezu exponentielle Funktion, zumindest im untersuchten Bereich.

  • Religion nicht auf gleicher Stufe wie Naturwissenschaften

    10.01.2012, Dr. J. Mueller-Schroeder
    Schade, dass sich Spektrum der Wissenschaft als indirektes Sprachrohr der katholischen Kirche (Sekte) verwenden lässt. Wenn sie einen wirklich kompetenten Gesprächspartner zu diesen Fragen engagieren wollten, dann müsste es jemanden vom Kaliber eines Michael Schmidt Salomon oder Richard Dawkins sein. In Ihren Artikeln wird die Religion viel zu ernst genommen und auf die gleiche Stufe gestellt wie die Naturwissenschaften. Tatsache ist und das weiß jeder ehrliche seriöse Naturwissenschaftler, dass Religion 300 Jahre nach Newton, 150 Jahre nach Darwin, nichts mehr auf dieser Welt zu suchen hat. Religion verhindert seriöse Entwicklung und bindet massiv Kräfte, welche viel vernünftiger zum Wohle der Mitwelt eingesetzt werden könnten. Personen, welche noch immer an übernatürliche Kräfte glauben, sind noch nicht in unserem Jahrtausend angekommen und zeichnen sich durch einen eklatanten Mangel an Bildung aus.


  • Patt auf erkenntnistheoretischer Ebene

    10.01.2012, Jürgen Jensen, Bremen
    Die erfreulich respektvolle, ja entspannte Atmosphäre scheint mir ein Hinweis dafür zu sein, dass einige Vertreter religiöser Ansichten in der Tat eines von Humanismus und Aufklärung gelernt haben: Toleranz. Was Vertreter wissenschaftlicher Ansichten von Religionen lernen können, wird nicht so ganz klar. Bescheidenheit oder auch eine gewisse Demut ist für Wissenschaftler allerdings immer angebracht.

    In dem Gespräch zwischen Eckart Voland und Winfried Löffler werden viele Argumente genannt, die seit Langem in der Debatte um ,Glauben und Wissen' ausgetauscht werden. Hier das Problem der Theodizee, dort das Unvermögen dem Ganzen einen Sinn zu geben, einen Grund der Welt zu finden. Ob die Antwort der Religion befriedigt und sie nicht als dogmatischer Abbruch erscheint, ist eine andere Sache.

    Auch auf der erkenntnistheoretischen Ebene scheint es nach einem Patt auszuschauen, wenn der Glaube des Wissenschaftlers an die Existenz einer Welt erwähnt wird. Hier möchte ich eine zuspitzende Anmerkung machen; kann man die Annahme einer existierenden Welt mit dem Glauben eines religiösen Menschen an einen, auch nicht hinterfragbaren, Gott vergleichen, von dem es bekanntlich mehrere Ausfertigungen gibt, was nicht verwundert, da er/sie menschliche Konstruktionen sind? Von der logischen Herangehensweise kann man die jeweiligen Annahmen wohl gleichsetzen, ich frage mich aber in eher pragmatischer Hinsicht: Ist der Glaube an die Existenz des Weihnachtsmannes das gleiche wie der Glaube an die Existenz eines Tannenbaums?
    Stellungnahme der Redaktion

    Danke für Ihren freundlichen Brief! Auch mir kam das Gespräch - gut vorbereitet unhd moderiert von der SdW-Reaktion! – als ein Beispiel rationaler, respektvoller und freundlicher Auseinandersetzung vor. Zu Ihrer sachlichen Frage: Natürlich nicht. Der Tannenbaum wie auch der Weihnachtsmann sind beide als empirisch problemlos umschreibbare Objekte konzipiert, wobei aber für die Existenz des Tannenbaums erdrückend viel spricht, für die des Weihnachtsmannes nichts (für das fliegende Spaghettimonster u. a. Karikaturen gilt dasselbe). Aber so einfach machen es sich die großen Religionen ja auch nicht: Ihr "Gott" ist kein seltsames empirisches Zusatzobjekt, sondern eher so etwas wie eine Annahme zur weltanschaulichen Komplettierung oder zusammenordnenden
    Einbettung all dessen, was uns unseren verschiedenen Lebensbereichen (Wissenschaft, Alltagsrationalität, Zwischenmenschliches, ...) so begegnet. Meinem Verständnis nach meinen sich religiöse Menschen einen besseren, zusammenhängenderen Reim auf die Gesamtwirklichkeit machen zu können. Nichtreligiöse Menschen meinen ohne so eine Annahme auszukommen, nehmen aber dafür vielleicht andere weltanschauliche Komplettierungen vor (gar nicht so selten trifft man z. B. auf Vorstellungen eines in sich
    verehrungswürdigen Kosmos). Das "Beweisziel" in Debatten über solche weltanschauliche Gesamtdeutungen ist aber gar nicht, dem Gesprächspartner die eigene Position "anzudemonstrieren", sondern der Nachweis, dass es nicht grundsätzlich unvernünftig ist, so zu denken (Ähnliches gilt übrigens für viele Grundlagendebatten in der
    Philosophie, aber auch z. B. um Deutungen der Mathematik oder Quantenphysik). Und hier scheint mir der Theismus bessere Karten zu haben, als seine momentane Presse glauben machen mag.


    Freundliche Grüße, Ihr Winfried Löffler

  • Vernunft & Glaube

    10.01.2012, Ralf Sprenger, Ravensburg
    Wow. Einfach nur wow. Ich bin immer wieder überrascht, dass es im 21. Jahrhundert Menschen gibt, die tatsächlich händeringend und mit vielen blumigen Worten eine Rechtfertigung für bronzezeitliche Märchen suchen. Die Theologie ist ein System, das entwickelt wurde, um den Glauben an eine Märchenfigur respektabel und rational erscheinen zu lassen, ein Vehikel zur Rationalisierung des Irrationalen. Die Gründe für den Glauben an das Übernatürliche (von dem Götter eine Teilmenge sind), lassen sich ohne Probleme auf evolutionäre Anpassungen zurückführen; wie im Streitgespräch gesagt, wir sind alle Animisten, bedingt durch unsere Entwicklungsgeschichte. Christian Tapps Artikel strotzt nur so vor all den Widersprüchlichkeiten, die in allen Religionen stecken. Der Versuch, diese durch Theologie zu rationalisieren (und damit wegzudiskutieren), nimmt dabei teils bizarre Züge an: Da wird von "direkten Aussageinhalten" ("Schöpfung durch Gott") und bildhaften Ebenen geredet. Was aber ist ein direkter Aussageinhalt? Eine Realität? Heißt das, dass (der christliche) Gott real ist? Wenn dem so ist, dann sollten dafür auch Belege aufgezeigt werden. Wo sind diese? Und weshalb spricht der Artikel ausschließlich vom christlichen Gott? Wieso ist dieser real, alle anderen Götter, an die geglaubt wird oder wurde, aber nicht?
    Es mag durchaus sein, dass Richard Dawkins in vielen seiner Formulierungen "über das Ziel hinausschießt". Aber er ist in der Lage, hinter die aufgeblasenen Phrasen der Apologeten zu sehen und das Nichts dahinter zum Vorschein zu bringen. W. Löffler behauptet, fast alles, was Dawkins in Bezug auf Religionen behauptet, sei falsch - nur um ein paar Paragrafen weiter das müde alte kosmologische Argument zu bringen: Gott als ursachenlose Ursache des Universums. Dawkins und vor ihm andere (etwa Ernst Nagel) haben zu Recht gefragt, weshalb dieser Gott Ursache seiner selbst sein kann, das Universum aber nicht. Und auch andere "Gottesbeweise" werden von Dawkins durchaus angemessen behandelt. Wem dabei sauer aufstößt, dass Dawkins' Formulierungen einen höflichen Ton vermissen lassen, der kann sich ohne Weiteres anderen Philosophen, die dieselben Fragen weniger "schrill" formuliert haben (beispielsweise Russell), zuwenden.
    Beide Artikel (Hauptartikel und Streitgespräch) lassen auch moderne wissenschaftliche Erkenntnisse vermissen. Was ist mit modernen neuro- und evolutionsbiologischen Forschungsergebnissen?
    Theistische Auffassungen hatten lange genug Zeit, für ihre Behauptungen Belege zu bringen. Sie sind damit regelmäßig gescheitert. Zu keiner Zeit wurde ein direkter oder indirekter Beweis oder ein vernünftiges philosophisches Argument für die Existenz von Göttern oder anderen übernatürlichen Entitäten erbracht. Übernatürliche Deutungen für Phänomene sind immer wieder durch natürliche Erklärungen ersetzt worden. Religionsphilosophie, und dies verdeutlichte mir Christian Tapps Artikel wieder einmal, ist nur der verzweifelte Versuch, die letzten Reste vom Boden eines leeren Fasses zu kratzen.
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