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Gute Frage: Werden wir im Alter ängstlicher?

In einer alternden Gesellschaft nimmt der Wagemut im Schnitt natürlich ab. Dennoch lassen sich auch die meisten Seniorinnen und Senioren nicht von ihren Ängsten beherrschen.
Eine ältere Dame hilft einem Mann die Treppe hinauf.
Mit dem Alter wird man gebrechlicher und daher oft auch unsicherer. Besorgnis erregend wird es aber erst, wenn Ängste sich verstetigen.

Ältere Menschen, vor allem wenn sie bereits das 80. Lebensjahr überschritten haben, gelten typischerweise als ängstlich. Sie haben den Ruf, im Alltag oft überfordert zu sein, sich schnell zu fürchten, etwa vor Kriminalität oder Unfällen, und sich im Lauf der Zeit auch immer weniger zuzutrauen.

Wie hoch ist der Anteil der über 65-Jährigen mit Angststörungen tatsächlich? Je nachdem, welche spezifischen Formen von Ängsten man berücksichtigt, liegt die Quote zwischen 3 und 14 Prozent. Betrachtet man nur die generalisierte Angststörung, die am ehesten einer allgemeinen Überängstlichkeit entspricht, so ergibt sich ein Anteil von ungefähr 3,5 Prozent, gegenüber nur 1,7 Prozent bei den 17- bis 65-Jährigen. Über alle Angstformen hinweg sind Frauen stärker betroffen als Männer.

Dabei gilt es allerdings zu bedenken: Das Alter macht nicht plötzlich aus einem wagemutigen Draufgänger einen Hasenfuß. Vielmehr kann ein vorhandener Hang zur Ängstlichkeit mit den Jahren vermehrt durchschlagen. Manche Menschen sind schlicht anfälliger für das mächtige Gefühl der Unsicherheit und Bedrohung, und dies gründet zum Teil in den Genen. Wer auf Grund ­seines Erbguts und bestimmter Lebenserfahrungen zu Angst neigt, nimmt Situationen schneller als bedrohlich wahr und reagiert eher mit Rückzug.

Während eine nicht so ängstliche Person dieselbe ­Situation möglicherweise als positive Herausforderung auffasst, sich aktiv und lösungsorientiert damit auseinandersetzt, wittert ein Mensch mit einer entsprechenden Prädisposition rasch Unheil, sucht gar nicht erst nach Lösungen und hält sich lieber fern. Dieses Zurückweichen vor kritischen Situationen trägt wiederum dazu bei, dass er diesen künftig ein höheres Gefahrenpotenzial zuschreibt. So verstärken sich Ängste häufig selbst.

Im hohen Alter wachsen nun – das muss man fairerweise sagen – auch die potenziellen Auslöser für Angst. Es kommt öfter zu Situationen, die belasten und in die Enge treiben: Man muss sich immer häufiger etwa von langjährigen Freunden und Bekannten verabschieden, und eigene gesundheitliche Probleme nehmen ebenfalls zu. Denken wir zum Beispiel an einen alten Menschen, der stürzt, sich etwas bricht und hilflos daliegt, bis ihn jemand findet. Nach solch einem Erlebnis schwingt im Alltag natürlich die Sorge mit, man könnte erneut unglücklich fallen. Wer an chronischen Krankheiten leidet, fürchtet sich zudem vermehrt vor schmerzintensiven Phasen. Solche Ängste sollten daher bei einer ärztlichen Behandlung standardmäßig zur Sprache kommen.

Obwohl derartige Ängste zum großen Teil nachvollziehbar sind, können sie doch therapiebedürftig werden, wenn sie das Leben über längere Zeit stark beeinträchtigen. Manchmal verbergen sich dahinter grund­legende Existenzängste, die sich angesichts der immer mehr ins Bewusstsein rückenden Endlichkeit einstellen, aber nicht offen angesprochen werden. Zu bedenken ist außerdem, dass Angstzustände im Alter als Begleitsymptom einer Depression oder einer beginnenden Demenz auftreten können. Deshalb ist bei andauernden, ausgeprägten Ängsten im Alter eine umfassende Diag­nostik anzuraten.

Die gute Nachricht: Angststörungen lassen sich sogar im hohen Alter psychotherapeutisch und wenn nötig auch mit Medikamenten gut behandeln. Zudem kann man in dieser Lebensphase selbst viel dafür tun, um mit Ängsten besser umzugehen – etwa indem man im Rahmen der eigenen Möglichkeiten körperlich wie geistig aktiv bleibt und möglichst viel am sozialen Leben teilnimmt. Wichtig ist, dass ältere Menschen Vertrauen in sich selbst entwickeln, damit sie den Herausforderungen des Alters gelassener entgegentreten.

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  • Quellen

Kruse, A.: Lebensphase hohes Alter – Verletzlichkeit und Reife. Springer, 2017

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