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Sex matters: Mütze auf, Socken an

Auf den ersten Blick ist flauschige Kleidung im Bett nicht sonderlich sexy. Aber im Winter kann kuschelige Wärme die Lust entfachen, sagt Sexualtherapeut Carsten Müller. Eine Kolumne.
Zwei Paar Füße in Kuschelsocken wärmen sich am brennenden Kamin
Wolldecke und Kuschelsocken lassen erst mal nicht an Sex denken, sorgen aber für die nötige Entspannung. (Symbolbild)

»Meine Freundin und ich sind seit einem halben Jahr zusammen und sehr verliebt. Aber seit ein paar Wochen haben wir viel weniger Sex. Wenn wir ins Bett gehen, verschwindet meine Freundin sofort unter der Decke. Wenn ich sie unter dem Shirt anfassen will, beschwert sie sich, weil ihr meine Hände zu kalt sind. Manchmal habe ich das Gefühl, dass sie gar keine Lust mehr auf mich hat. Ich glaube, es liegt am Winter. Kann das sein?« (Paul, 31)*

18 Grad im Schlafzimmer, dicke Wolldecke im Bett, schon am Nachmittag wird es dunkel, und wir werden früh müde: Ja, das hat Auswirkungen auf unser Sexleben. Vor allem, wenn das Temperaturempfinden zweier Menschen so unterschiedlich ist wie das von Paul und seiner Freundin, die sich mit dieser Frage an mich gewandt haben. Es ist eine Tatsache: Die Temperatur und das Licht beeinflussen unsere Lust und damit auch die Frage, ob wir Lust aufeinander haben.

Biologisch funktioniert das so: Wärme fördert die Durchblutung, indem sie die Blutgefäße erweitert. Eine bessere Durchblutung der Genitalien kann die sexuelle Erregbarkeit erhöhen. Wärme und Sonnenlicht beeinflussen auch unsere Stimmung, denn sie regen die Produktion der körpereigenen Glückshormone Serotonin und Endorphin an. Und wenn wir uns emotional gut fühlen, haben wir auch mehr Lust auf Sex.

Wie fühlen Sie sich, wenn Ihnen kalt ist – und wie, wenn Ihnen warm ist? Ganz genau. Kälte ist unangenehm, man bekommt eine Gänsehaut, zieht die Schultern hoch und ist einfach nicht entspannt. Wenn dann noch eine kalte Hand ins Spiel kommt, ist es vorbei, man hat keine Lust auf Sex. Wärme dagegen ist angenehm, sie entspannt, unsere Muskeln und auch unsere Geschlechtsorgane werden gut durchblutet. Eine Hand, die eine angenehme Temperatur hat, darf uns an empfindlichen Körperstellen wie Brust, Bauch, Oberschenkel, Vulva oder Penis berühren.

Warm zu werden, ist keine Frage des Willens, sondern der körperlichen Voraussetzungen

Was also tun, wenn es kalt wird? Erkennen Sie als Erstes an, dass Menschen ein sehr individuelles Temperaturempfinden haben. Warm zu werden, ist keine Frage des Willens, sondern der körperlichen Voraussetzungen. Frauen frieren statistisch gesehen mehr als Männer. Die Gründe dafür liegen im Körperbau. Männer haben im Durchschnitt etwa ein Viertel mehr Muskelmasse als Frauen, und Muskeln produzieren Wärme. Außerdem haben Frauen eine dünnere Haut und sind somit schlechter gegen Wärmeverlust geschützt. Seien Sie also in der Partnerschaft offen für Wärmetausch und ausgleichende Gerechtigkeit in Sachen Körpertemperatur.

Akzeptieren Sie, wenn Ihr Partner oder Ihre Partnerin friert, und gehen Sie darauf ein. Schwitzen oder frieren Sie nicht gemeinsam unter einer gemeinsamen Bettdecke, nur weil jemand meint, das sei romantisch. Achten Sie lieber darauf, dass beide eine jeweils passende Decke haben: Wer friert, kann sich unter dicke Daunen kuscheln. Wer schnell schwitzt, bekommt eine dünne Sommerdecke.

Vorspiel mit Warm-up-Programm

Beginnen Sie dann, das Aufwärmen ins Vorspiel zu integrieren. Reiben Sie die Hände warm, bevor Sie sich gegenseitig anfassen. Küssen Sie Ihrem Lieblingsmenschen die kalte Nasenspitze. Nehmen Sie sich Zeit, um herauszufinden: Ist meiner Partnerin oder meinem Partner warm genug? Kuscheln Sie unter der Decke und spüren Sie bewusst, wie sich Ihre Körper gegenseitig wärmen und entspannen. Gönnen Sie sich ein Warm-up mit allen Sinnen.

Körperliche Nähe schafft eine Form von Verbundenheit, die auch innere Wärme spendet und ganz nebenbei die Bindung stärkt, weil das so genannte Kuschelhormon Oxytozin produziert wird. Wie wichtig Oxytozin für Paare ist, hat die Biologin Sue Carter in einer Metaanalyse untersucht. Sie beschreibt, dass das Hormon eine zentrale Rolle in der Liebe hat, insbesondere bei langfristigen Bindungen. Eine stärkere emotionale Verbindung wirkt sich wiederum positiv auf die Libido aus.

Oft sehen Menschen den Körperkontakt nur als Mittel, um möglichst schnell zur sexuellen Erfüllung zu kommen. Wenn Sie sich von diesem Gedanken lösen, können Sie Momente der Nähe unabhängig von dem genießen, was folgt. Wir essen auch keine Vorspeise, damit danach der Hauptgang besser schmeckt. Sondern wir genießen eine warme Suppe vor dem Fischfilet, weil sie einfach köstlich schmeckt.

Das Bedürfnis nach Wärme und Geborgenheit ist tief in uns verwurzelt. Wer im Winter ein erfülltes Sexualleben haben möchte, sollte wärmende Zärtlichkeiten in seinen Alltag einbauen. Begegnen Sie sich im Alltag so, dass Ihnen warm ums Herz wird: mit Herzenswärme. Wenn Ihr Partner durchgefroren und nass zur Tür hereinkommt, wärmen Sie ihn mit einer Tasse Tee. Kuscheln Sie sich auf dem Sofa aneinander, bis Ihnen wohlig warm ist. Die Frierenden dürfen sich am warmblütigen Partner wärmen.

Wie wäre es, die Kälte des Winters als Chance zu sehen? Üben Sie, auf ein ähnliches Wärmeniveau zu kommen. Schaffen Sie besondere Momente, in denen Sie sich bewusst Wärme gönnen. Gehen Sie gemeinsam duschen oder baden. Bereiten Sie Schlafzimmer und Bett so vor, dass es dort kuschelig warm ist. Eine Heizdecke ist dafür übrigens super – auch wenn man jung ist.

Für lustvollen Sex muss niemand nackt sein. Ganz im Gegenteil. Alles, was wärmt, tut gut: eine Wärmflasche im Bett. Kuschelige Socken. Im Zweifelsfall sogar eine Mütze. Das alles darf bei Wintersex sein. Hauptsache, Ihnen wird warm.

Und nun sind Sie dran: Warme Momente

Überlegen Sie sich Ideen für einen Wintertag. Ihr Ziel ist es, so viel Wärme wie möglich einzubauen. Für sich allein oder mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin. Trinken Sie Tee. Essen Sie eine heiße Suppe. Laufen Sie sich bei einem Spaziergang warm oder gehen Sie gemeinsam in die Sauna. Sammeln Sie warme Momente und nehmen Sie ganz bewusst wahr, wie positiv und entspannend sich das auf Ihren Körper auswirkt.

* Name von der Redaktion geändert

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