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Editorial: Wer ist schuld?

Es ist Mitte Juli, und es ist – wieder einmal – seit Wochen zu warm und zu trocken. Jedenfalls für Mitteleuropa im Vergleich zu früheren langjährigen Durchschnittswerten. Auch der letzte Winter fiel ein weiteres Mal sehr mild aus, so dass im Garten neben den Oleander- und Zitronenpflanzen sogar die Dahlienknollen problemlos überlebt haben, die ich im Herbst aus Bequemlichkeit im Boden gelassen hatte, weil mir die Blüten nicht besonders gefielen. Im Frühjahr keimte eine Weile die Hoffnung, dass der Trend dieses Jahr eine Verschnaufpause einlegen könnte, aber seit Pfingsten ist sie in der überwiegend sengenden Sonne wieder vertrocknet.

Die konkreten Folgen des Klimawandels sind also unstrittig und werden uns allen fast täglich vor Augen geführt, sollte man meinen. Dennoch hört man immer wieder Stimmen, dass alternative Erklärungen für die sich häufenden Wetterextreme nicht genügend berücksichtigt würden – sei es aus ideologischen, politischen oder anderen Gründen. Wie kann man also herausfinden, warum ein bestimmtes Wetter zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort genau so ist und nicht anders?

Das ist das Thema der so genannten Attributions- oder Zuordnungsforschung, abgeleitet vom lateinischen »attribuere« für zuteilen, zuweisen. Ihr Ziel ist es, einem außergewöhnlichen Wetterphänomen die wahrscheinlichste Ursache zuzuordnen. Dabei handelt es sich um eine sehr junge Wissenschaftsdisziplin, die in den letzten Jahren rasch den Kinderschuhen entwachsen ist. Denn noch vor einem guten Jahrzehnt waren die zu Grunde liegenden Computermodelle sowie die Methoden und das Wissen um die Zusammenhänge noch nicht zuverlässig genug, um hier belastbare Aussagen zu treffen (siehe S. 42).

Das hat sich rasant geändert: Inzwischen können Fachleute zu einem Extremereignis wie einer Hitzewelle oder Sturzflut mitunter schon fast in Echtzeit angeben, um wie viel wahrscheinlicher es durch den Klimawandel geworden ist, und damit auch, ob dieser als wesentliche Ursache betrachtet werden kann. Das liefert Richtlinien für die Politik und kann sogar juristische Auswirkungen haben.

Um den Klimawandel und die dadurch verursachten Wetterextreme zu begrenzen, sind unter anderem industrielle Unternehmen gefordert, etwa indem sie ihre Herstellungsprozesse konsequent auf minimale CO2-Freisetzung hin optimieren oder umstellen. Im dritten und letzten Teil unserer Serie zu diesem Thema beschreibt meine Kollegin Verena Tang ab S. 56, welchen Beitrag die chemische Industrie dazu liefern kann.

Eine spannende Lektüre wünscht Ihr
Hartwig Hanser

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