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Großprojekte: Hinein in den Schlamassel

Bei öffentlichen Bauvorhaben wie dem neuen Flughafen Berlin Brandenburg laufen häufig Kosten- und Zeitpläne aus dem Ruder. Welche psychologischen ­Faktoren sind dafür mitverantwortlich? G&G sprach mit der Organisationspsychologin Nicole Torjus.
Nicole Torjus

Am südlichen Stadtrand von Berlin entsteht ein neuer internationaler Flughafen. Er sollte am 3. Juni 2012 eröffnen. Doch wenige ­Wochen vorher, am 8. Mai, sagte die Flughafen­ge­sell­schaft Berlin Brandenburg (FBB) den Termin ab. Das war eine Katastrophe – unter anderem für die Händler und Dienstleister am neuen Flughafen. Sie hatten sich auf die Eröffnung vor­­­bereitet und mussten nun Ware stornieren und Per­sonal entlassen. Zusätzliche Baukosten, mögliche Schadenersatzforderungen betroffe­ner Firmen und Airlines, entgangene Einnahmen und ein verpatztes Schallschutzprogramm führen jetzt zu Mehrausgaben von voraussichtlich mehr als einer Milliarde Euro.
Auf Unverständnis stieß vor allem, dass die Verantwortlichen quasi in letzter Minute auf die Bremse traten. Denn das Debakel hatte sich lange angekündigt. Laut Presseberichten wussten die FBB-Planer spätestens seit Dezember 2011 von massiven Schwierigkeiten mit der Brandschutzanlage des Terminals – dem Hauptgrund für die Absage des geplanten Eröffnungstermins. Auch die FBB-Geschäftsführung habe frühzeitig von den Problemen erfahren, ebenso wie ihr Aufsichtsrat, in dem Vertreter der Landesregierungen Berlin und Brandenburg sowie des Bundes sitzen.

Frau Torjus, warum hielten die Verantwortlichen bis zum bitteren Ende an einem hochriskanten Eröffnungstermin fest?
Da kam Verschiedenes zusammen. Zum einen sind an diesem Großprojekt viele Firmen be­teiligt. In solchen Fällen ist es schwierig, Informationen untereinander auszutauschen, und es gibt oft das Problem, dass in Gruppendiskussionen nicht alle relevanten Fakten auf den Tisch kommen. Zum anderen hat hier vermutlich ein klassisches Gruppendenken zugeschlagen – dieses Phänomen, dass man kollektiv ­einer Meinung ist, obwohl anders lautende Informationen vorliegen ...

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  • Quellen

Greitemeyer, T. et al.: Information Sampling and Group Decision Making: The Effects of an Advocacy Decision Procedure and Task Experience. In: Journal of Experimental Psychology: Applied 12, S. 31-42, 2006

Greitemeyer, T., Schulz-Hardt, S.: Preference-Consistent Evaluation of Information in the Hidden Profile Paradigm: Beyond Group-Level Explanations for the Dominance of Shared Information in Group Decisions. In: Journal of Personality and Social Psychology 84, S. 322-339, 2003

Torjus, N. et al.: Transforma­tionale Führung und Kommu­nika­tion. In: Bungard, W. et al. (Hg.): Psycho­logie und Wirtschaft leben. Rainer Hampp, Mering 2004, S. 271-276

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