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Serie: Die Botschaft des Genoms (Teil XII): Kollagen

Grundstoff für Haut und Knochen


Viele der rund 30000 Proteine, die in unserem Erbgut verschlüsselt sind, werden nur in ganz geringen Mengen oder zu bestimmten Zeiten benötigt. Ein Eiweißstoff ist jedoch für die schiere Existenz des menschlichen Körpers unabdingbar und wird in solchen Massen gebraucht, dass es mehr als ein Drittel der gesamten Proteinmenge im Menschen (und in Säugetieren allgemein) ausmacht: das Bindegewebsprotein Kollagen. In verschiedenen Varianten und Kombinationen mit Kohlenhydraten kommt es in Haut, Knochen, Knorpel, Sehnen, Blutgefäßen, Gelenkflüssigkeit und sogar in der transparenten Hornhaut des Auges vor.

Ähnlich wie das Keratin der Haare ist Kollagen ein Faserprotein. Es bildet seine Fasern jedoch auf einzigartige Weise. Das lässt sich schon an der ungewöhnlichen Aminosäuresequenz erkennen. Sie besteht haupsächlich aus der kleinsten Aminosäure Glycin, die strikt in jeder dritten Position auftaucht. Außerdem kommen ungewöhnlich viele Prolin-Bausteine vor. Sie werden teilweise nach ihrer Synthese mit einer zusätzlichen OH-Gruppe ausgestattet, also in Hydroxyprolin umgewandelt.

Hinter all dem steckt die ausgefallene Raumstruktur des Kollagens: eine so genannte Tripelhelix. Darin winden sich drei Moleküle des Proteins wie die Stränge eines Seils umeinander. Bei der sonst üblichen Alpha-Helix bildet dagegen nur ei-ne Aminosäurekette eine schraubenartige Spirale, während sich bei der berühmten DNA-Doppelhelix zwei Nucleotid-Stränge verzwirnen.

Auch der Zusammenhalt kommt auf andere Weise zu Stande als bei Alpha-Helices. Dort beruht er auf so genannten Wasserstoffbrücken, die Verbindungen zwischen benachbarten Windungen der Spirale herstellen. Die Kollagenhelix verdankt ihre Struktur dagegen vor allem dem Wechsel zwischen je zwei sperrigen Aminosäuren auf der Außenseite des Seils und dem kleinen Glycin, das nach innen weist. Dessen strikt periodische Wiederkehr beruht darauf, dass keine andere Aminosäure im Inneren Platz fände.

Die Hydroxyproline verleihen dem Seil zusätzlichen Zusammenhalt, indem sie mit den unmodifizierten Prolinen Wasserstoffbrücken bilden. Während eine Tripelhelix aus einem Drittel Glycin und zwei Dritteln Prolin sich schon bei 24 °C auflösen würde, ist sie mit einem Drittel Hydroxyprolin bis 58 °C stabil. Offenbar hat sich dieser Mechanismus in der Evolution entwickelt, um die Beständigkeit der Bindegewebe gerade soweit wie nötig zu erhöhen. Untersuchungen von Kollagenen aus der Haut verschiedener Tierarten ergaben, dass die Temperatur, bei der sich das Seil entwindet, jeweils einige Grade über der Körpertemperatur liegt.

Was passiert, wenn die Bildung des Hydroxyprolins ausfällt, haben Seeleute seit dem 16. Jahrhundert schmerzlich erfahren. Für die Umwandlung wird Vitamin C benötigt, und die Symptome der Mangelkrankheit Skorbut lassen sich mit der fehlenden Stabilisierung des Kollagens erklären. Auch bestimmte Formen des Muskelschwunds beruhen auf Missbildungen der Kollagenstruktur.

Die besonderen Eigenschaften von Kollagen verschaffen ihm auch einen wichtigen Platz in der Küche und im Arzneimittelschrank. Die bekannte Gelatine ist nichts anderes als eine Kollagenlösung, die sich bei der Extraktion von Knochen oder Bindegeweben mit warmer Alkalilauge ergibt.


Steckbrief


- Aminosäuren: 1057 (Alpha 1), 1012 (Alpha 2)
– Trimer aus 2 Molekülen Alpha 1 und einem Molekül Alpha 2
– Strukturprotein
– Cromosomen Nr. 17 (Alpha 1), Nr. 7 (Alpha 2)

Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 2001, Seite 14
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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