Direkt zum Inhalt

Spurenelemente in Flußschlämmen der Weißen Elster und ihrer Nebengewässer


Die Elbe ist der durch Schwermetal-le am meisten verunreinigte deutsche Strom. Ein großer Teil der Belastungen stammt dabei aus den Nebenflüssen wie der Saale und der Mulde. Seit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten im Jahre 1990 besteht die Möglichkeit, die Kontaminationsquellen aufzuspüren und Maßnahmen zur Reduzierung der Schadstoff-Fracht einzuleiten.

Dazu ist auch wichtig, das Verhalten der diversen Metalle auf dem Weg flußabwärts zu studieren. Damit sich die anthropogenen Verschmutzungen ermitteln lassen, muß ferner bekannt sein, wie hoch die natürlichen Belastungen aufgrund der geochemischen Verhältnisse im Einzugsbereich der verschmutzten Flüsse sind. Nur so lassen sich realistische Sanierungsziele anvisieren.


Flußsedimente als Langzeitdepot

Weil die Schwermetallkonzentrationen im Flußwasser kurzfristig schwanken können, ist die Untersuchung von Einzelproben wenig repräsentativ. Demgegenüber bilden die Flußschlämme sozusagen ein Langzeitgedächtnis und liefern Durchschnittswerte für größere Zeiträume. Außerdem sind die Gehalte tausend- bis zehntausendfach höher als im Wasser und stellen das eigentliche Schadstoffpotential des Flusses dar. Die interessantesten Informationen liefert daher das feinkörnige Sediment, das wegen der hohen organischen Belastung überwiegend als Faulschlamm vorliegt. Bedeutung haben aber auch die Schwebstoffe, weil sie es in erster Linie sind, welche die Schadstoffe aus dem System in Richtung Nordsee transportieren.

Außer den bekannten Schadmetallen Cadmium, Zink, Kupfer, Blei, Chrom, Nickel und Quecksilber sowie den geochemischen Leitelementen Eisen und Mangan treten in den von uns untersuchten Gewässern im Einzugsgebiet der Saale fast alle anderen Metalle des Periodensystems auf, die mit dem modernen analytischen Rüstzeug nachweisbar sind. Ihre Konzentrationen sind zum Teil so hoch, daß sie nicht mehr als Spurenelemente gelten können und der begründe-te Verdacht besteht, daß sie allein oder im Zusammenwirken mit den bekannten Schadmetallen ökologisch von Bedeutung sind. Erwiesen ist das allerdings erst für einige Elemente, die teils – wie Uran und Thallium – ökotoxisch wirken, aber auch für Organismen notwendig (essentiell) sein können; als Beispiel sei hier Molybdän genannt.

Bei der Untersuchung werden die Flußsedimente zunächst mit Königswasser (einer äußerst aggressiven Mischung aus Salz- und Salpetersäure) aufgeschlossen, so daß ihre Bestandteile in Lösung gehen. Anschließend läßt sich mit der ICP-MS (nach englisch inductively coupled plasma mass spectrometry) – einem hochmodernen Multi-Element-Analyseverfahren, bei dem die Metalle im induktiv gekoppelten Plasma ionisiert und dann in einem Massenspektrometer nachgewiesen werden – eine große Zahl von Elementen über weite Konzentrationsbereiche gleichzeitig erfassen.

Viele sehr seltene Metalle liegen dabei im ppb-Bereich (nach englisch parts per billion, millionstel Promille) und sind darum weitgehend zu vernachlässigen. Das Hauptinteresse beanspruchen Kontaminationen im ppm-Bereich (parts per million, tausendstel Promille). Aber auch Metalle, deren Anteil 1 bis 100 ppm erreicht, sind teilweise zivilisatorisch nicht oder kaum angereichert, und ihre Konzentrationsschwankungen beruhen überwiegend auf natürlichen Prozessen; Paradebeispiel ist das Lithium. Bei anderen Metallen wie Uran, Silber, Zinn, Cobalt und Wismut dagegen überlagern sich natürliche und anthropogene Faktoren.

Als Interpretationshilfe faßt man die gemessenen Konzentrationen gemäß dem Geoakkumulationsindex, den German Müller von der Universität Heidelberg 1979 eingeführt hat, in Klassen zusammen, die jeweils bis zum Zwei-, Vier-, Achtfachen und so weiter der mittleren natürlichen Konzentration reichen. Diese werden mit festgelegten Farben in Karten des Flußgebietes eingetragen (Bilder 1 und 2).


Anreicherungen von Uran

Für das radioaktive Umweltgift Uran fällt bereits bei den Oberläufen der Bäche in unserem Untersuchungsgebiet ei-ne starke Differenzierung auf (Bild 1). Für die obere Weiße Elster und die ostthüringischen Bäche, für Schnauder, Parthe und die meisten Nebenbäche der Pleiße liegen die Werte im Bereich des natürlichen Hintergrunds. Im westlichen Erzgebirge mit den Flüssen Trieb und Göltzsch sind die Gehalte dagegen stets höher und erreichen die Kontaminationsklasse 4 (bis zum Sechzehnfachen der natürlichen Konzentration, die zu 5,55 ppm angenommen wurde).

Hier werden zugleich die Schwierigkeiten für die Interpretation der Meßwerte sichtbar: Im westlichen Erzgebirge liegen bereits aufgrund der geologischen Verhältnisse erhöhte Metallgehalte vor, weil es – wie der Gebirgsname schon sagt – entsprechende Lagerstätten gibt; ebendies ist aber auch der Grund, warum sich Bergbau und Erzaufbereitung etabliert haben und Grubenbaue, Halden, Spülteiche und andere Artefakte der Industrialisierung entstanden sind, deren Auslaugung bis heute eine Quelle erhöhter Kontaminationen ist.

Beispielsweise rührt der hohe Uranwert in der oberen Göltzsch von Vererzungen im Randbereich des Eibenstocker Granits her; andererseits münden im Raum Lengenfeld auch Wässer aus Aufbereitungsanlagen für Uranerz der ehemaligen Wismut AG ein. Gerade bei Uran dürfte es kaum ein vererztes Gebiet geben, in dem kein Bergbau betrieben worden wäre. Deshalb wird es noch viel Aufwand erfordern, die natürliche Hintergrundkonzentration für dieses Metall in vererzten Gebieten festzulegen.

Klar einzuordnen ist dagegen eine zwischen Greiz und Gera plötzlich einsetzende Kontamination. Sie stammt von Wässern aus dem Ronneburger Uranbergbaugebiet der Wismut AG östlich und südöstlich von Gera und erreicht in der Weißen Elster unterhalb dieser Stadt und in Nebenbächen Klasse 6; bis kurz vor der Mündung der Weißen Elster in die Saale hat sie sich auf Klasse 4 bis 3 verdünnt. Ein anderer Teil der Wässer aus der Aufbereitung von Uranerz floß seinerzeit in Richtung Osten zur Sprotte. Wo diese in die Pleiße mündet, erhöht sich deren Urangehalt trotz der starken Verdünnung von Klasse 1 auf 2.

Weil das Isotop Uran-238 und sein Zerfallsprodukt Radium-226 stark radioaktiv sind (sie zerfallen unter Aussendung eines Alpha-Teilchens und von Gammastrahlung), läßt sich die Uranbelastung auch gammaspektroskopisch ermitteln (Bild 3). Entsprechende Untersuchungen hat Günther Just vom Institut für Geophysik und Geologie der Universität Leipzig durchgeführt.

Die niedrigen Gehalte im Gebiet von Oelsnitz, der Talsperre Pirk und von Plauen geben etwa das geochemische Hintergrundniveau dieser Region wieder, und auch die erhöhten Werte in der Trieb sind geologisch zu erklären. Dagegen spiegeln Strahlungsintensitäten von mehr als 1000 Becquerel je Kilogramm Flußschlamm bei der Göltzsch den Einfluß der Erzaufbereitung von Lengenfeld wider. Einen Spitzenwert von 3000 Becquerel je Kilogramm erreicht die Konzentration an strahlenden Stoffen in mehreren Bächen, welche vom Ronneburger Uranbergbaugebiet nach Westen zur Weißen Elster ("Ronneburg-West") beziehungsweise nach Osten zur Sprotte ("Ronneburg-Ost") fließen.

Zwar erreicht die Uranbelastung der Weißen Elster auch um Gera keine akut besorgniserregenden Ausmaße, doch leistet sie einen auf Dauer nicht hinzunehmenden Beitrag zur Gesamtstrahlenbelastung des Gebietes. Besonders im Bereich der Einleitungen um Gera und Ronneburg ist daher eine Sanierung dringend erforderlich. Bei Strahlungswerten von mehr als 1000 Becquerel je Kilogramm ist das Sediment der Bäche in dieser Region als stark kontaminiert anzusehen.


Silber – ein Risiko?

Ein illustratives Beispiel für die vielfältigen Ursachen einer Kontamination mit seltenen Elementen bietet auch das Silber (Bild 2). Westliches Erzgebirge und Vogtland gehören zu Gebieten mit hohen Silbermineralisationen. Darum wird bereits in den Quellbächen der weltweit gültige Mittelwert für den Silbergehalt toniger Sedimente (0,07 ppm) weit überschritten. Aus diesem Grunde wurde für die Obergrenze der Klasse 0 in Bild 2 ein regional gültiger Basiswert von 0,37 ppm angesetzt. Die Sedimente von Schwarzbach, Trieb und Göltzsch samt Raumbach weisen deutlich erhöhte Konzentrationen bis zu 10 ppm auf. Wie beim Uran addieren sich dabei die natürlichen Belastungen und die von Bergbau, Verhüttung und Silberverarbeitung. Das Erzgebirge ist schließlich bekannt für seine Musik- und Spielwaren, und die Galvanik sowie die Herstellung von Abzeichen und Pokalen sind wichtige Industriezweige. Für den Uranbergbau der Wismut AG, der es ausschließlich um die Erfüllung des Plansolls für die Uranförderung ging, war Silber allerdings ein nicht verwertetes, nur für die Abraumhalde bestimmtes Begleitmetall.

Auffällig ist, daß die Silberkonzentration von Plauen an elsterabwärts nicht durch Verdünnung zurückgeht, sondern sich im Gegenteil im Gebiet von Leipzig und bis zur Mündung in die Saale durch weitere Zufuhr bis auf etwa 15 ppm erhöht. Dies dokumentiert die vielfältige Verwendung dieses Metalls schon seit langer Zeit. Dazu paßt auch, daß im Gebiet des Unterlaufs der Weißen Elster die höchsten Gehalte nicht im Bett des Hauptflusses, sondern im Altwasserarm der "Alten Luppe" auftreten; hier finden sich ältere Sedimente mit besonders hohen Silberkontaminationen. Im Flußbett der Weißen Elster ist dagegen in jüngster Zeit die Belastung bereits leicht zurückgegangen.

Die auffällig hohen Silberkonzentrationen unterhalb von Altenburg und Borna sowie im Malzbach, der durch Eisenberg fließt, signalisieren gemischt industrielle und kommunale Belastungen. Allerdings hängen sie auch mit der relativ geringen Wasserführung dieser Bäche zusammen, durch die sich die Konzentration schnell kurzfristig erhöhen kann.

Nach derzeitiger Kenntnis benötigen Organismen kein Silber. Im Gegenteil – das Edelmetall wirkt zum Beispiel auf Süßwassertiere giftig: bei Wasserflöhen schon ab 1 Mikrogramm, bei verschiedenen Fischen dagegen erst ab 1 Milligramm je Liter Wasser. Die im Sediment gemessenen Silberwerte von etwa 15 ppm stehen mit einer Konzentration im Wasser bis ungefähr 0,15 ppb im Gleichgewicht (entsprechend einem Verhältnis von 100000 zu 1). Damit sind sie als solche biologisch unbedenklich. Allerdings ist nicht bekannt, wie Silber mit anderen Spurenelementen zusammenwirkt. Weil es sich aus geringen Gehalten im Wasser flußabwärts im Sediment stark anreichert, muß es jedenfalls weiterhin untersucht und ökologisch bewertet werden.


Andere Spurenelemente

Ähnlich umfangreiches Datenmaterial wie für Uran und Silber haben unsere Untersuchungen auch für die umweltgeochemisch interessanten Metalle Arsen, Bor, Barium, Wismut, Cer, Cäsium, Gallium, Lanthan, Lithium, Molybdän, Neodym, Rubidium, Zinn, Strontium, Thorium, Titan, Thallium, Vanadium, Wolfram, Yttrium und Zirconium ergeben. Dazu nur beispielhaft einige Anmerkungen.

Lithium ist ein Leichtmetall, das geologisch bedingt aus dem Schiefergebirge in leicht erhöhter Konzentration zugeführt und im Flachland wiederum etwas verdünnt wird. Ungewöhnlich ist die geringe Streuung der Gehalte nur um den Faktor vier, während sie bei anderen Metallen mehrere Zehnerpotenzen umfaßt.

Bor kommt als leicht wasserlösliches Element, das vorwiegend in Salzmineralen auftritt, in Mittelgebirgsbächen kaum vor und gewinnt erst in den Bächen, die aus dem Mesozoikum und dem Salzminerale führenden Zechstein im Randbereich des Thüringer Beckens abfließen, und in den Lockermassen des Flachlandes an Bedeutung. Um so auffälliger sind hohe Konzentrationen im Schlamm der Pleiße zwischen Crimmitschau (bis 2,5 Promille) und im Raum Altenburg, die in der Weißen Elster keine Entsprechung haben. Die Herkunft ist noch unklar, doch zeigen sich Korrelationen zu den hier ebenfalls erhöhten Chromgehalten infolge der Gerberei.

Bor ist in Bleich-, Fluß- und Düngemitteln enthalten und gilt als typischer Indikator für Verschmutzungen. Weil ein Überangebot Röhricht- und Schilfpflanzen schädigen kann, muß seine Herkunft in der mittleren Pleiße aufgeklärt werden, damit sich Maßnahmen zur Reduzierung treffen lassen.

Yttrium und die Seltenen Erden Lanthan, Cer und Neodym zeigen eine auffällige Aureole im Gebiet der unteren Pleiße, der Parthe, Wyhra, Eula und Gösel. Auch hier treffen mit Sicherheit zwei Komponenten aufeinander: Zu den Vulkaniten des nordwestsächsischen Porphyrkomplexes, in denen diese Metalle angereichert sind, kommen die gewaltigen Mengen an Braunkohlenflugasche, die in diesen Gebieten niedergegangen sind. Deren Metallgehalte entstammen letztlich allerdings ebenfalls den nordwestsächsischen Porphyren: Die Seltenen Erden wurden zur Zeit der Flözbildung bei der Gesteinsverwitterung mobilisiert und in das Braunkohlenmoor eingetragen.

Interessant sind auch die Konzentrationen von Molybdän, einem essentiellen Metall, das im Schiefergebirge unterrepräsentiert ist und deshalb in Sedimen-ten der Weißen Elster bis Plauen sowie in vielen Quellbächen – besonders der Wyhra – nur in Konzentrationen bis 2 ppm auftritt. Wo die Gehalte jedoch wie im Sediment der Elster um Gera, Zeitz und Leipzig sowie in der unteren Pleiße 10, ja teilweise 20 ppm übersteigen, sind weitere Untersuchungen erforderlich. Bei solchen Werten ist das Aufbringen von Baggerschlämmen aus Flüssen auf landwirtschaftliche Flächen zu Düngezwecken in der Schweiz bereits gesetzlich eingeschränkt.

Bisher hat sich die Diskussion über Schadmetalle auf Cadmium, Zink, Blei, Kupfer, Chrom, Nickel, Quecksilber und Arsen konzentriert. Unseren Untersuchungen zufolge müssen jedoch auch viele andere Spurenmetalle, die zumeist gemeinschaftlich in Gewässern auftreten und sich so in ihrer Wirkung potenzieren können, bei künftigen analytischen Programmen stärker beachtet werden. Untersucht werden sollten insbesondere ihr teils sehr unterschiedliches Verhalten vom Eintrag über den Transport im Wasser bis zur Sedimentation und ihre im einzelnen noch wenig bekannte ökologische Rolle.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 1994, Seite 98
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

Kennen Sie schon …

Spektrum Kompakt – Nahrungsergänzung - Was unser Körper wirklich braucht

Chiasamen und Gojibeeren, womöglich gar Vitaminpillen und Mineraltabletten - oder doch einfach nur Äpfel und Spinat? Die Frage, wie man sich rundum gesund ernährt, beschäftigt viele Menschen. Und neben wirklich sinnvollen Tipps gibt es eine ganze Reihe von Mythen und unsinnigen Empfehlungen.

Spektrum Kompakt – Erkältung - Rund um Husten, Schnupfen, Heiserkeit

Husten, Schnupfen, Kratzen im Hals, womöglich Fieber: Was steckt dahinter? Häufig eine ganz normale Erkältung, ausgelöst durch eine Vireninfektion.

Spektrum Kompakt – Rohstoffe - Wertvolle Elemente, Minerale und Seltene Erden

Wertvolle Erze, Minerale und Seltene Erden waren und sind für die Wirtschaft von größter Bedeutung. Doch ihre Vorkommen sind begrenzt und ihr Abbau bisweilen eine Gefahr für die Umwelt. Das zeigt auch ein Blick in frühere Kulturen.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.