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Geistesblitze - Gedächtnis: Unterdrückte Erinnerung

Was würden Sie tun, wenn eine Unterhaltung mit einem Freund plötzlich eine unangenehme Erinnerung hervorruft? Sie würden wahrscheinlich versuchen, sich von dem finsteren Gedanken abzulenken und das Gespräch einfach guter Dinge fortzusetzen. Laut einer aktuellen Studie des Kognitionspsychologen Justin Hulbert vom Bard College im US-Bundesstaat New York könnte das allerdings dazu führen, dass Sie Details aus der Unterhaltung auch schneller wieder vergessen.

Hulbert und sein Team baten ihre Versuchsteilnehmer zunächst, sich Wortpaare zu merken. Anschließend zeigten sie ihnen jeweils ein Wort, und die Probanden sollten sich daraufhin das andere Wort entweder ins Gedächtnis rufen oder aber die Erinnerung daran gezielt unterdrücken. Zwischen den einzelnen Gedächtnisaufgaben bekamen sie – vorgeblich zur Erholung – Bilder von ungewöhnlichen Szenarien zu sehen, etwa von einem Pfau, der in einer Parklücke steht.

Zu einem späteren Zeitpunkt überraschten die Forscher ihre Teilnehmer dann mit einem weiteren Gedächtnistest: Nun bekamen sie jeweils nur einen Teil der skurrilen Bilder gezeigt und sollten das fehlende Objekt (also zum Beispiel den Pfau) ergänzen. Dies gelang den Probanden um 42 Prozent schlechter, wenn ihnen das Bild zwischen zwei Wortpaaren gezeigt worden war, bei denen sie ihre Erinnerung unterdrücken sollten.

In einem anderen Experiment beobachtete das Team um Hulbert mit Hilfe funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT), was im Gehirn der Testpersonen vor sich ging, wenn sie versuchten, Erinnerungen abzurufen oder zu unterdrücken. In letzterem Fall nahm dabei die Aktivität des Hippocampus ab, der sowohl für das Speichern neuer als auch für den Abruf alter Erinnerungen zuständig ist.

"Der Hippocampus hat keinen An- oder Ausschalter, den man beliebig schnell umlegen kann", erklärt Studienautor Hulbert. "Er braucht seine Zeit, um hoch- und runterzufahren. Während das passiert, gehen dann möglicherweise auch andere Informationen verloren, an die man sich später eigentlich erinnern möchte."

Der Psychologe Jesse Rissman von der University of California in Los Angeles, der nicht an der Untersuchung beteiligt war, findet die Ergebnisse ebenfalls faszinierend. Er gibt allerdings zu bedenken, dass ihre praktische Bedeutung für den Alltag schwer zu ermitteln sei. Vielleicht könnten die Resultate erklären, warum manche Menschen nach traumatischen Ereignissen Schwierigkeiten beim Lernen haben – wenn sie zu häufig versuchen, negative Erinnerungen zu unterdrücken, behindern sie damit möglicherweise die Fähigkeit des Gehirns, neue zu bilden. (ds)

Nat. Comm. 10.1038/ncomms11003, 2016

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