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News: Bundestagswahl 2002

Am Sonntag konnten über 61 Millionen Deutsche zur Wahl gehen. Jeder Wahlberechtigte hatte dabei zwei Stimmen. Lesen Sie, wie aus Ihren Stimmen Sitze im Deutschen Bundestag werden.
Am 22. September 2002 wählten wir den 15. Deutschen Bundestag. Wir, das sind nach Angaben des Bundeswahlleiters rund 61,2 Millionen Wahlberechtigte. Die Frauen bilden dabei mit 31,9 Millionen die Mehrheit. Zudem durften diesmal 3,3 Millionen Erstwähler über die nächsten vier Jahre Bundesrepublik Deutschland entscheiden.

Gewählt wird nach dem Bundeswahlgesetz von 1953, das jedem Wahlberechtigten zwei Stimmen zubilligt: Die Erst- und die Zweitstimme.

Erststimme = Mehrheitswahlrecht

Die Bundesrepublik Deutschland besteht aus insgesamt 299 Wahlkreisen, die so abgegrenzt wurden, dass jeder Abgeordnete etwa die gleich große Zahl von Wahlberechtigten vertritt. Jeder dieser Wahlkreiskandidaten versucht, so viele Erststimmen wie möglich auf sich zu vereinen. Wer die Mehrheit gewinnt, zieht mit einem Direktmandat in den Deutschen Bundestag. Gewählt wird dabei im Mehrheitswahlsystem, es entscheidet also schon eine Stimme.

Nach der Wahl besetzen die in den 299 Wahlkreisen gewählten Kandidaten genau die Hälfte der 598 Abgeordnetensitze (As) im Deutschen Bundestag. Das sind übrigens 29 weniger als bei der letzten Wahl 1998.

Zweitstimme = Verhältniswahlrecht

Die andere Hälfte wird über die Zweitstimme vergeben, die zudem bestimmt, wie viele der 598 Sitze einer Partei zustehen. Mit ihr wählt der Wahlberechtigte die Kandidaten der so genannten Landeslisten, die im Rahmen von Parteitagen erstellt wurden. So können Parteien auch Kandidaten als Abgeordnete in den Deutschen Bundestag entsenden, die auf Wahlkreisebene einem Konkurrenten unterlegen waren. Oder andersherum ausgedrückt: Mit einem sicheren Platz auf der Landesliste erringt ein Kandidat auch dann ein Mandat, wenn er auf Wahlkreisebene verliert.

Allerdings muss eine Partei, um Abgeordnete in den Bundestag entsenden zu können, mindestens fünf Prozent aller Zweitstimmen erhalten haben – es sei denn, sie hat drei Direktmandate gewonnen. Eine Partei, die im Bundesdurchschnitt weniger als fünf Prozent Zustimmung erhält, kann somit dennoch in den Bundestag einziehen, wenn sie mit ihren Kandidaten in mindestens drei Wahlkreisen die Konkurrenten der anderen Parteien aussticht.

Auszählung nach dem Hare-Niemeyer-System

Die Zahl der Sitze einer Partei (SP) im Bundestag wird mithilfe des Auszählverfahrens nach dem so genannten "Quotenverfahren mit Restausgleich nach größten Bruchteilen" nach Hare und Niemeyer bestimmt (Thomas Hare, 1806-1891, war Jurist aus London, Horst Niemeyer, geboren 1928, lehrte als Mathematiker in Aachen).

Dazu wird zunächst die Zahl der Abgeordnetensitze (As) mit der Anzahl der Zweitstimme (ZsP) für die jeweilige Partei (ZsP) multipliziert. Das Produkt wird schließlich durch die Gesamtzahl aller abgegebenen gültigen Zweitstimmen (Zs) dividiert:

SP = (As · ZsP) / Zs

Ein Beispiel:

Die Partei "A" hat ZsP = 12 233 756 von insgesamt Zs = 42 596 287 gültigen Zweitstimmen erhalten. Im Bundestag stehen 598 Abgeordnetensitze zur Verfügung.

Die Zahl der zustehenden Sitze (SP) ergibt sich also:

SP = (12 233 756 · 598) / 42 596 287 = 171,7470

SP wird dabei in der Regel keine ganze Zahl sein – übrig bleibt fast immer ein "Rest". Deshalb erhält jede Partei zunächst so viele Sitze, wie sie der Zahl vor dem Komma entsprechen. Ergo erhält die Partei "A" zunächst 171 Sitze.

Am Ende werden somit weniger Sitze verteilt sein als im Bundestag zu besetzen sind. Die Verteilung der Restsitze erfolgt in der Reihenfolge der höchsten Nachkommastellen: Die Partei mit dem höchsten Rest bekommt den ersten Sitz und so weiter. Die Partei "B" mit 63,9283 Sitzen erhielte ihren Sitz also vor Partei "A" mit 171,7470 Sitzen. Haben zwei Parteien mit ihren Resten Gleichstand, entscheidet das Los.

Überhangmandate

Doch damit ist die Sitzverteilung noch nicht abgeschlossen, denn da gibt es noch die Überhangmandate. Diese Mandate ergeben sich mitunter, weil der Wähler ja zwei Stimmen hat, die er nicht unbedingt ein und derselben Partei geben muss. So kann es passieren, dass eine Partei in einem Bundesland über die Erststimmen mehr Direktmandate erhält, als ihr nach der Zahl der Zweitstimmen zustehen würden. Diese Sitze gehen nicht verloren, sondern werden der jeweilige Partei als Überhangmandat gutgeschrieben.

Deshalb mussten zu Beginn der letzten Legislaturperiode 14 weiter Abgeordnetensitze installiert werden. Doch am Ende ist es ohne Belang, ob ein Kandidat über ein Direktmandat, als Listenkandidat oder mit einem Überhangmandat in den Bundestag eingezogen ist. Auf den Sitzen sind die Abgeordneten alle gleich.

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