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Bakterien ersinnen oftmals heimtückische Strategien, um ihren Wirt zu überlisten, so auch die Streptokokken der Gruppe A. Getarnt als "Wolf im Schafspelz" verschaffen sie sich Zutritt zu tieferliegenden Geweben im menschlichen Körper und lösen vor Ort mitunter lebensbedrohliche Krankheiten aus. Den Weg ebnet ihnen eine Hülle aus speziellen Molekülen, die einem natürlichen Signalgeber ähneln. Wie das Vorbild erteilen sie den Hautzellen Marschbefehle, worauf diese gehorsam auseinanderweichen.
Die Gruppe-A-Streptokokken (GAS) haben es in sich: Als bevorzugten Aufenthaltsort im menschlichen Körper haben sie sich den Hals und Rachen auserkoren und infizieren deren Innenauskleidung. Und von Zeit zu Zeit rufen sie neben vergleichsweise harmlosen Hals- und Mandelentzündungen auch lebensbedrohliche Krankheitsbilder wie die gewebezerstörende nekrotisierende Fasciitis hervor. Dazu müssen sich die Mikroorganismen jedoch erst einmal von der Oberfläche in tieferliegende Gewebeschichten vorarbeiten. Kein leichtes Unterfangen, denn immerhin halten die Zellen fest zusammen und verwehren Bakterien gewöhnlich standhaft den Zugang.

Um dieses Hindernis aus dem Weg zu räumen, haben Streptokokken jedoch ein raffiniertes Täuschungsmanöver entwickelt, wie Colette Cywes und Michael Wessels von der Harvard Medical School nun enthüllten. In Laborversuchen infizierten sie menschliche Hautzellen mit gewöhnlichen GAS und beobachteten anschließend, wie sich die Zellmembranen kräuselten – ein Hinweis darauf, dass sich die einzelnen Bausteine der Haut von ihren Nachbarn losgelöst hatten. Bei einer Streptokokken-Mutante mit einer veränderten Hüllschicht zeigte sich hingegen keine derartige Reaktion.

Doch wie vermögen die Bakterien nun die Hautzellen zum Auseinanderweichen zu bewegen? Des Rätsels Lösung liegt in der typischen Umhüllung der Streptokokken: Sie umgeben sich mit einem Mantel aus Molekülen, die der zelleigenen Hyaluronsäure zum Verwechseln ähneln. Normalerweise setzt der Körper jene natürliche Verbindung frei, um Zellen auf Wanderschaft zu schicken und sie neu anzuordnen – ein wichtiger Prozess, der beispielsweise die Wundheilung ermöglicht.

Und genau diesen chemischen Botenstoff ahmen die Mikroorganismen für ihre Zwecke nach: Wie die körpereigene Hyaluronsäure dockt das bakterielle Pendant an den CD44-Rezeptor auf der Zelloberfläche an, wodurch sich die Verbindungen zwischen den Zellen lösen. Nunmehr haben die Streptokokken freien Zutritt zu den tieferen Gewebeschichten, wo sie ungehindert ihr zerstörerisches Potential entfalten können. "Die Zellen wissen es nicht besser – sie nehmen an, dies sei ein Signal, sich aufzumachen und zu bewegen", erläutert Wessels.

Diese Erkenntnisse lassen Mikroorganismen in einem neuen Licht erscheinen: Gewöhnlich infizieren und zerstören eindringende Bakterien die einzelnen Zellen. Doch die Gruppe-A-Streptokokken haben zweifelsfrei eine wesentlich ausgeklügeltere Vorgehensweise entwickelt, wie Lukas Huber vom Molecular Pathology Research Institute in Wien hervorhebt. Indes erforschen Wessels und Cywes nun, ob sich der CD44-Rezeptor der Zellen möglicherweise blockieren lässt oder die Streptokokken gezielt gebunden werden können, um eine GAS-Infektion zu verhindern.

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