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Psychische Gesundheit: Erste Tablette gegen Wochenbettdepression in den USA zugelassen

Wirkt schnell und muss nur kurz eingenommen werden: Das Medikament Zuranolon lindert depressive Symptome nach der Geburt deutlich. Die Langzeitwirkung ist allerdings noch ungewiss.
Erschöpfte Mutter mit Neugeborenem
Viele Mütter erleben nach der Geburt ein Stimmungstief. Wenn dieses jedoch anhält und die Betroffenen immer weiter nach unten zieht, könnte eine behandlungsbedürftige postpartale Depression dahinterstecken. (Symbolbild)

Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) hat in den USA die erste Tablette zugelassen, die speziell für die Behandlung von Wochenbettdepressionen gedacht ist. Wird das Medikament mit dem Wirkstoff Zuranolon zwei Wochen lang einmal täglich eingenommen, bessern sich die depressiven Symptome deutlich. Darauf deutet eine klinische Studie mit rund 200 Teilnehmerinnen hin, die Forscherinnen und Forscher kürzlich im »American Journal for Psychiatry« veröffentlichten.

Viele Mütter erleben in der ersten Woche nach der Geburt ihres Kindes ein vorübergehendes Stimmungstief. Bei rund 10 bis 15 Prozent der Frauen entwickelt sich daraus allerdings eine lang anhaltende, behandlungsbedürftige depressive Erkrankung, die auch als postpartale Depression bezeichnet wird. In der Regel ist eine postpartale Depression gut behandelbar, meistens kommen dabei Psychotherapie und Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) zum Einsatz, die häufigste Klasse der Antidepressiva. Letztere brauchen allerdings oft lange, um anzuschlagen: Mitunter kann es bis zu drei Monate dauern, bis die Patientinnen spüren, dass sich ihre Symptome bessern. Bei manchen Betroffenen helfen sie auch gar nicht.

Das Medikament auf Zuranolon-Basis soll deutlich schneller wirken als bisherige Antidepressiva. In der klinischen Studie, bei der die Hälfte der 200 Mütter mit einer schweren postpartalen Depression eine Tablette mit dem Wirkstoff und die andere Hälfte eine Placebo-Pille verabreicht bekam, berichteten die Teilnehmerinnen im Schnitt bereits nach drei Tagen von einer Linderung ihrer Symptome. Nach 15 Tagen hatten sich die Beschwerden bei den Teilnehmerinnen aus der Zuranolon-Gruppe auf der Hamilton Depression Rating Scale (HDRS) fast um ein Drittel stärker verbessert als bei den Teilnehmerinnen der Placebo-Gruppe. Der Effekt hielt auch 45 Tage nach Behandlungsbeginn noch an.

Wirkung über die GABA-Rezeptoren im Gehirn

Zuranolon imitiert im menschlichen Körper Allopregnanolon. Das Neurosteroid ist ein Stoffwechselprodukt des Hormons Progesteron, das im Körper von Frauen während einer Schwangerschaft durchgängig in hohen Mengen gebildet wird. Allopregnanolon bindet im Gehirn an die Rezeptoren für den Neurotransmitter Gamma-Aminobuttersäure (GABA), der an der Stress- und Stimmungsregulierung beteiligt ist. Untersuchungen deuten darauf hin, dass Menschen mit einer Depression oder einer Posttraumatischen Belastungsstörung einen niedrigeren Allopregnanolon-Spiegel haben. Entsprechend vermuten Experten, dass der plötzliche Progesteron- beziehungsweise Allopregnanolon-Abfall nach der Schwangerschaft auch einer der Auslöser von postpartalen Depressionen sein könnte.

Zuranolon beruht damit auf einem ähnlichen Wirkmechanismus wie der Wirkstoff Brexanolon, der 2019 von der FDA ebenfalls zur Therapie von Wochenbettdepressionen zugelassen wurde. Allerdings muss Brexanolon per Infusion verabreicht werden, was die Behandlung sehr aufwändig und teuer macht.

Der Pharmakonzern Sage Therapeutics, der Zuranolon gemeinsam mit dem Unternehmen Biogen entwickelt hat, hatte ursprünglich auch einen Zulassungsantrag für die Behandlung von Patienten mit einer schweren Depression gestellt. Die Behörde lehnte diesen allerdings mit Verweis auf die unzureichende Studienlage bei dieser Patientengruppe ab.

Bei Müttern mit postpartaler Depression bleiben ebenfalls noch einige Fragen offen. So ist etwa unklar, ob der Effekt von Zuranolon auch über den Untersuchungszeitraum von 45 Tagen hinaus anhält und wenn ja, wie lange. Ebenso muss die Frage, ob die Patientinnen im Zweifelsfall ein zweites Mal mit dem Wirkstoff behandelt werden können und sollten, noch genauer untersucht werden. Schwere Nebenwirkungen wie Suizidgedanken, die zum Beispiel bei SSRI zu Beginn der Einnahme auftreten können, wurden in den Studien bislang zumindest nicht beobachtet.

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