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Evolution: Frühe Landwirbeltiere pufferten ihr Blut durch Hautknochen

Eryops, ein frühes, semi-aquatisches Amphibium

Als ein paar innovative Fische erstmals im Devon an Land gingen, hatten sie eine Reihe von Umstellungsschwierigkeiten zu bewältigen: Der fehlende Auftrieb des Wassers verlangte nach anderen, stärkeren Muskeln, Flossen sollten besser zu Beinen werden, und ein Mittel gegen Austrocknung war auch dringend nötig. Und dann die Landluft: In ihr sind die besten Kiemen zum Gasaustausch nutzlos. Aber selbst die ersten atemsackähnlichen Lungen zu erfinden, löste nicht alle Probleme, wie ein Forscherteam um Florian Witzmann von der Humboldt-Universität in Berlin nun nach einem genauen Blick auf die Anatomie einiger früher Landwirbeltiere spekuliert.

Eryops, ein früher Tetrapode | Eryops ist eine semiaquatische Amphibie aus dem Perm. An Land atmen war für das Tier noch recht schwer: Zwar besaß es Lungen, diese wurden aber nicht durch einen beweglichen Brustkasten ventiliert wie bei höher entwickelten Formen. Zudem war das Tier zu groß, um den Gasaustausch effektiv über die Haut abzuwickeln. Wahrscheinlich pumpte Eryops Luft aus und in den Lungensack mit der Hilfe des beweglichen Gaumens. Zudem pufferte das Tier sein Blut womöglich mit der Hilfe seiner auffallend mächtigen und reliefartig gezeichneten Knochenpartien: Die darin enthaltenen Mineralien entzogen dem Blut überschüssige Protonen, die beim Atmen ins Blut gelangten und abgeführt werden mussten.

Denn die Vorteile eines Lebens an der Luft – man kann schneller und mehr Sauerstoff aus der Luft als aus dem Wasser ziehen – bringen den Nachteil mit sich, das beim Atmen entstehende Kohlendioxid auch schnell wieder aus dem Kreislauf entfernen zu müssen. Geschieht das nicht, so versauert das Blut und schädigt den Organismus. Kleine Tiere haben es da noch recht leicht, sie atmen – oder besser, gasen wie heute noch einige Amphibien – auch über die Haut aus. Aber je größer das Tier ist, desto nachteiliger wird das Verhältnis von Oberfläche zu Körpervolumen und damit auch die Effizienz dieser Hautatmung. Und die heute moderne Lösung des Problems – dynamisch ventilierbare und damit hocheffizient auf den Gasaustausch ausgerichtete Lungen – war noch nicht erfunden. Was also tun als großes Pionier-Landtier?

Witzmann und seine Kollegen fanden Hinweise auf eine mögliche Lösung des Problems bei einigen der heute lebenden Schildkröten, Kaimanen und Fröschen: Sie sind in der Lage, pH-Schwankungen des Bluts mit einem Trick situationsangemessen abpuffern zu können. Dazu dient mineralisiertes Gewebe – etwa Knochensubstanz, die durchblutet wird, was zu einem passiven Ionenaustausch von Magnesium- oder Kalziumionen des Gewebe und überzähligen Protonen der sauren Körperflüssigkeit führt.

Ganz Ähnliches hatten offenbar auch die frühen Landwirbler auf dem Programm: Sie nutzen die starken, durch Reliefzeichnungen oberflächenvergrößerten Knochenpartien des Schädels und des Schultergürtels zu diesem Zweck, so die Idee der Forscher, die sie nach anatomischer Begutachtung früher Landwirbeltierfossilien bestätigt sehen. Der Puffertrick per Knochen war wohl gerade in einer Übergangszeit der Evolution bei größeren, noch eher semiaquatischen Organismen nötig, um den Tieren einen längeren Aufenthalt an Land zu ermöglichen als der Konkurrenz: Tatsächlich finden sich daher die auffälligen typischen Knochen auch eher in der Frühzeit des Wirbeltierlandlebewesens. Später – bei den höher entwickelten Wirbeltieren wie den Synapsida – verschwanden sie dann; offenbar, weil bessere Lungen das Provisorium ersetzten. Ganz auf die bizarre Knochenskulptur verzichten konnten dagegen die eher kleinen der frühen Formen – wohl, weil ihnen auch der Gasaustausch über die Hautoberfläche ausreicht, um nicht zu übersäuern.

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