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Epigenetik: Gene im Stress

Frühgeburtliche Traumata verändern das Erbgut.
Methylierungsmuster
Schlimme Erfahrungen in jungen Jahren erhöhen die Gefahr, später an einer Depression oder Angststörung zu erkranken. Diese Tatsache ist Forschern seit Langem bekannt. Bei der Aufklärung der molekularen Mechanismen, die diesem Phänomen zu Grunde liegen, kamen Wissenschaftler um Dietmar Spengler vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München nun einen Schritt weiter: Sie bewiesen in Tierexperimenten, dass frühe Stresserlebnisse die Erbsubstanz dauerhaft verändern können.

Die Forscher trennten eine Gruppe neugeborener Mäuse von ihren Muttertieren. Die Hirnzellen der kleinen Nager produzieren daraufhin im späteren Leben vermehrt Stresshormone, und die traumatisierten Tiere konnten mit belastenden Situationen schwer umgehen. Sie zeigten in neuer Umgebung schneller Stresssymptome; auch die Gedächtnisleistung und der Antrieb waren geschwächt.

Wie kam es zu diesem Effekt? Wie sich zeigte, ging der erhöhte Stresshormonpegel vor allem auf eine Überproduktion des Eiweißmoleküls Vasopressin zurück. Durch genaue DNA-Analysen stießen die Wissenschaftler schließlich auf die Wurzel des Übels – in Form eines Genabschnitts, der die Vasopressinherstellung reguliert. Dies geschieht durch Anlagerung von Methylgruppen, welche die Produktion des Botenmoleküls hemmt. In den gestressten Mäusen war dieser Genabschnitt deutlich weniger methyliert als in Vergleichstieren. Das Fehlen dieses Ausschalters führte offenbar zu einer lebenslangen Überproduktion des Botenstoffs.

Auf den DNA-Strängen fungieren die Methylgruppen als Signalflaggen. Das Tückische daran: Diese Markierungen sind überaus stabil. Selbst bei Teilung der Zellen bleiben sie erhalten. "Unsere Studie zeigt, wie sich Umwelteinflüsse über epigenetische Mechanismen auf das Genom niederschlagen", erklärt Florian Holsboer, Direktor des Max-Planck-Instituts in München. Früh erlittene Belastungen können auf diesem Weg die Regulation bestimmter Gene verändern. Beim Menschen erhöhe das sehr wahrscheinlich die Stressanfälligkeit sowie das Risiko, an einer psychischen Störung zu erkranken. (sa)


Murgatroyd, C. et al.: Dynamic DNA Methylation Programs Persistent Adverse Effects of Early-Life Stress. In: Nature Neuroscience 12, S. 1559-1566, 2009.

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