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Gesteine: Milliarden Jahre alte Mikroorganismen in 3-D erhalten

Die »Boring Billion« war bislang eine sehr fundarme Zeit. Nun aber sind Fachleute erstmals auf eine Vielfalt an Formen gestoßen, überzogen von einer Art Totenmaske aus Alu.
Ein Ur-Mikroorganismus in bisher nicht gekannter Form
Tentakelartige Formen wie bei diesem Fund hier kennt man von heutigen Mikroorganismen nicht. Hier haben sie sich bei einem Fossil aus der Volyn-Mine in der Ukraine erhalten.

Wissenschaftler haben bei Aufnahmen mit dem Rasterelektronenmikroskop die Überreste uralter Kleinstlebewesen entdeckt. Die Mikroorganismen lebten der Untersuchung zufolge vor 1,5 Milliarden Jahren. Das Zeitalter trägt unter Fossilienjägern auch den Spitznamen »Boring Billion«, die langweilige Milliarde, weil Lebewesen zu jener Zeit noch keine harten, skelettartigen Strukturen hatten, die ihre Form hätten konservieren können. Dass Forscher der TU Berlin nun doch einen Blick auf die Gestalt von Mikroorganismen aus genau jener Epoche werfen konnten, liegt an selten guten Erhaltungsbedingungen in den Gesteinen der ukrainischen Volyn-Quarzmine nahe der Stadt Schytomyr.

Wie die Forscher um den bereits emeritierten Geowissenschaftler Gerhard Franz von der TU Berlin schon im Mai 2023 in der Fachzeitschrift »Biogeosciences« berichteten, waren sie bei der Untersuchung von Beryll und Topas aus der Mine per Zufall auf die Organismen gestoßen. Den Fachleuten waren die fadenförmigen Strukturen im Elektronenmikroskop aufgefallen. Dass es sich dabei tatsächlich um versteinerte Lebewesen handelt, belegten sie mit Hilfe einer Isotopenuntersuchung des enthaltenen Kohlenstoffs. Organismen bevorzugen das Isotop C-13 gegenüber dem häufigeren C-12, so dass ein verschobenes Verhältnis der beiden auf biologische Vorgänge hinweist. Die Datierung stützt sich ebenfalls auf eine Isotopenuntersuchung.

In bestimmten fadenförmigen Objekten konnte das Team mit Hilfe von Infrarotspektroskopie den Stoff Chitosan nachweisen sowie die Elemente Wismut und Tellur mit dem Elektronenmikroskop. »Dies deutet alles auf einen pilzartigen Organismus hin«, wird Franz in einer Mitteilung der Universität zitiert. »Von den anderen fossilisierten Mikroorganismen können wir zumindest vermuten, dass es sich um Ein- oder Mehrzeller mit ausgeprägten Zellstrukturen gehandelt haben muss.« Wahrscheinlich lebten diese mit den Pilzen in einem gemeinsamen Ökosystem.

Die Formen und Gestalten der Kleinstlebewesen sind erstaunlich vielfältig und für heutige Verhältnisse teils untypisch. Bisher ganz unbekannte Formen von Mikroorganismen haben schalen- oder kugelförmige Strukturen oder verzweigte, tentakelartige Äste. Die Dicke der Objekte variiere zwischen 10 und 200 Mikrometern, die Länge betrage bis zu mehrere Millimeter, schreiben die Fachleute. Man könne die Ur-Mikroorganismen also auch schon mit bloßem Auge erkennen.

Fadenförmiger Organismus | Manche der Kleinstlebewesen haben Ähnlichkeiten zu heutigen Pilzen. Das schließt das Team unter anderem aus der Anwesenheit des Moleküls Chitosan.

Die fossilisierten Mikroorganismen lebten damals wohl unter der Erde in der Erdkruste, wie es auch heute noch manche Lebewesen tun. In bis zu drei Kilometer Tiefe im Gestein beruht ihr Stoffwechsel auf chemischen Prozessen an Mineralen. In den Granitkavernen der Volyn-Quarzmine waren nun offenbar schon vor anderthalb Milliarden Jahren solche Kolonien von Mikroorganismen nahe an der Erdoberfläche vorhanden. Fluor aus dem Granit habe auf dem Zwischenweg über stark ätzende Flusssäure viel Aluminium und Silizium aus dem Material gelöst. Wie bei einem Geysir schoss diese Lösung von Zeit zu Zeit in die Kavernen und überzog die Mikroorganismen mit einer nur mikrometerdicken Schicht aus Aluminium-Silikat. »Natürlich waren die Mikroorganismen danach tot – aber eben auch perfekt konserviert«, sagt Gerhard Franz.

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