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Schwangerschaft: Hat die Plazenta ein Mikrobiom?

Erhalten Babys ihre ersten Mikroben bei der Geburt – oder schon viel früher aus der Plazenta? Eine aktuelle Studie facht die Debatte um die »sterile Gebärmutter« erneut an.
Ungeborenes im Mutterleib

Schon bald nach Beginn einer Schwangerschaft wird die Plazenta zum wichtigen Bindeglied zwischen Mutter und Kind: Sie versorgt das Ungeborene etwa mit Sauerstoff und Nährstoffen und schützt es gleichzeitig vor Infektionen. Lange gingen Wissenschaftler davon aus, dass die Plazenta – wie auch die Gebärmutter selbst – im Normalfall steril ist. Vor einigen Jahren begannen sie auf Basis neuer Forschungsergebnisse diese Annahme jedoch in Zweifel zu ziehen: In Plazentaproben stießen Wissenschaftler auf bakterielle DNA, die auf das Vorhandensein eines Mikrobioms hinwies, das der Mikrobengemeinschaft im Mund ähnelt. Seitdem ist unter Medizinern eine heiße Debatte darüber entbrannt, wie und wann Babys denn nun ihre ersten Mikroben erhalten: beim Geburtsvorgang, so wie traditionell angenommen, oder vielleicht doch schon früher durch die Plazenta.

Die größte Studie, die Forscher bislang zu diesem Thema durchgeführt haben, scheint nun erneut die Hypothese von der sterilen Gebärmutter zu bekräftigen. Ein Team um Marcus De Goffau von der University of Cambridge in Großbritannien untersuchte dafür die Plazenta von mehr als 500 Frauen kurz nach der Entbindung. Die beiden verwendeten DNA-Sequenzierungsmethoden lieferten keinen Hinweis auf natürlich vorkommende Bakterien in einem gesunden Mutterkuchen, schreiben die Autoren im Fachmagazin »Nature«.

Die Wissenschaftler versuchten bei ihrem Verfahren falsch positive Ergebnisse so gut es geht auszuschließen. Manche der Mikroben, die sie in den Plazentaproben fanden, waren stärker vertreten, wenn die Frauen auf natürlichem Weg entbunden hatten und nicht per Kaiserschnitt. De Goffau und seine Kollegen schließen daraus, dass sie deshalb erst durch den Geburtsvorgang auf der Plazenta gelandet und nicht schon zuvor vorhanden gewesen waren. Nach Kontrolle aller möglichen Kontaminationsquellen blieb nur noch ein Bakterium im Mutterkuchen übrig, Streptococcus agalactiae, das die Forscher in fünf Prozent aller Proben vorfanden und das bei Neugeborenen eine Sepsis auslösen kann.

Den Streit um die Herkunft des kindlichen Mikrobioms wird die Studie vermutlich nicht schlichten können. Kjersti Aagaard vom Baylor College of Medicine, die 2014 mit ihrem Team als eine der Ersten auf bakterielle DNA in Plazentaproben stieß, ist nach wie vor davon überzeugt, dass es sich bei dem, was De Goffau und seine Kollegen als »Kontamination« bezeichnen, um vollwertige Plazentamikroben handelt. Sie will die Funktion der Bakterien im Mutterkuchen weiter erforschen, wie etwa »Science« berichtet.

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