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Quantencomputer: Kosmische Strahlung verursacht ein Sechstel der Quantenfehler

Dass außerirdische Teilchen die empfindlichen Qubits stören können, ist schon länger bekannt. Nun haben zwei Forschungsteams in Experimenten das enorme Ausmaß des Problems festgestellt.
Einsen und Nullen
Strahlen aus den Tiefen des Kosmos können empfindliche Quantenberechnungen stören.

Sekündlich prallen etwa 1000 außerirdische Teilchen auf einen Quadratmeter unserer Atmosphäre. Dort lösen sie eine ganze Kette von unterschiedlichen Reaktionen aus, deren wahrscheinlich beeindruckendste Folge nächtliche Polarlichter sind. Doch auf dem Erdboden haben sie ebenfalls Auswirkungen: Die kosmische Strahlung trägt nicht nur zur natürlichen Radioaktivität unserer Umgebung bei, sondern kann durch ihre ionisierende Wirkung auch elektronische Signale stören.

In gewöhnlichen Computern oder anderen technischen Geräten fallen solche Fehler kaum auf, da die Informationen in mehrfacher Kopie vorliegen und dadurch recht robust gegen äußere Einflüsse sind. Forschende mahnten aber schon vor einigen Jahren, dass Quantencomputer unter dem Einfluss der außerirdischen Strahlung leiden könnten. Das haben nun zwei Forschungsteams unabhängig voneinander überprüft und kamen zu dem Ergebnis, dass zwischen einem Fünftel und einem Sechstel aller in Quantenberechnungen auftauchenden Fehler von kosmischer Strahlung verursacht wurde.

Elektronische Geräte übermitteln Signale in der Regel über Ladungsträger wie Ionen oder Elektronen. Wenn ionisierende Strahlung auf ein solches Gerät trifft, kann sie daher ein Signal stören oder gespeicherte Daten beschädigen. In den 1990er Jahren erkannten Forschende von IBM, dass dadurch monatlich etwa ein Fehler pro 256 Megabyte Arbeitsspeicher entsteht. Doch herkömmliche Rechner und Signalübertragungen setzen auf Redundanz, um Fehler zu vermeiden: Anstatt nur ein einziges Bit mit Information loszuschicken, verwendet man möglichst viele Informationsträger. Damit lässt sich ein Fehler in einem einzelnen Bit schnell erkennen und beheben.

Bei Quantencomputern ist das allerdings schwieriger. Die Informationsträger sind in diesem Fall Quantenobjekte, so genannte Qubits, die sich in empfindlichen, überlagerten Zuständen befinden. Kleinste Störungen – von Temperaturschwankungen über Wechselwirkungen mit der Umgebung bis hin zu Erschütterungen – können eine Quantenberechnung zunichtemachen. Das Prinzip der Redundanz funktioniert in solchen Fällen nicht, weil sich Quanteninformation nicht vervielfältigen lässt. Nur mit Hilfe ausgeklügelter mathematischer Tricks gelingt eine so genannte Quantenfehlerkorrektur, die aktuell eine der größten Herausforderungen des Forschungsbereichs darstellt.

Das Universum stört Quantenberechnungen

Deshalb ist es wichtig zu erfahren, welche Fehlerquellen es gibt und wie groß ihr Einfluss ist. Nun haben Forschende um Patrick M. Harrington vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge und ein Team um Xue-Gang Li von der Beijing Academy of Quantum Information Sciences in Peking unabhängig voneinander untersucht, wie kosmische Strahlung die sensiblen Quantenberechnungen stört.

Die Fachleute vom MIT haben dazu einen Szintillationsdetektor, der kosmische Strahlung detektiert, neben zehn Qubits angebracht, die aus supraleitenden Schaltkreisen bestehen. Wie sie nach elf Tagen feststellten, ereigneten sich einige der Qubit-Fehler zeitgleich mit einer Messung von kosmischer Strahlung im Detektor. Etwa alle zehn Minuten traf kosmische Strahlung ihren Aufbau und schien dabei jedes Mal einen Fehler zu verursachen. Damit waren die außerirdischen Teilchen für etwa 16 bis 18 Prozent aller Fehler im Qubit-System verantwortlich.

In Peking hat das Forschungsteam ein ganz ähnliches Experiment mit einem größeren Aufbau durchgeführt: Die Forschenden haben 31 supraleitende Qubits untersucht und einen Szintillationsdetektor zur Erfassung der kosmischen Strahlung genutzt. Pro Quadratzentimeter ihres Systems ereigneten sich etwa alle zehn Minuten vier Fehler. Zwar lassen sich die Fehler durch geschickte Mechanismen korrigieren, doch die dafür benötigte Zeit reicht aktuell noch nicht aus, um aufwändige Quantenberechnungen durchzuführen.

»Der wirksamste Ansatz zur Schadensbegrenzung besteht darin, das Experiment tief unter der Erde durchzuführen. Ein solcher Ansatz würde jedoch zu erheblich höheren Kosten führen«, schreiben die Autoren um Li in ihrer Arbeit. Es müssen daher vor allem bessere Quantenfehlerkorrekturen her, argumentieren die zwei Arbeitsgruppen. Doch die Empfindlichkeit der Qubits habe auch etwas Positives: Man könnte sie künftig als ultrasensible Detektoren einsetzen.

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