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News: Liebespfeil bestimmt Fortpflanzungsglück

Im Leben eines Männchens ist zahlreicher Nachwuchs das höchste Ziel. Schnecken treiben ihr Bemühen dafür regelrecht auf die Spitze: Sie versetzen dem Partner einen kalkigen "Liebespfeil". Dahinter steckt keine raue Zärtlichkeit, sondern allein ein chemisches Signal. Denn wenn der Liebespfeil ordentlich sitzt, speichert der Getroffene mehr Spermien seines Begatters, als wenn der Pfeil daneben geht.
Für die Fortpflanzung gelten in der Natur vor allem zwei Regeln: Männchen versuchen, möglichst viele Weibchen zu begatten, um den eigenen Nachwuchs zu sichern. Weibchen hingegen legen eher Wert auf Qualität als Quantität – die besten Gene sind gerade gut genug für ihre Sprösslinge. Bei getrennt geschlechtlichen Organismen sind die Interessen damit klar verteilt. Doch wofür soll sich ein Zwitter entscheiden?

Auch die Gefleckte Weinbergschnecke (Helix aspersa) steht vor diesem Problem: Beim komplizierten Liebesspiel ist jeder Partner Männchen und Weibchen zugleich. Doch nur einer der beiden gibt kurz vor Ende der Paarung einen großen Sack voller Samenzellen – die Spermatophore – in den Körper der zukünftigen Mutter ab. Allerdings erreichen nur wenige Spermien ihr Ziel, der Sack und der größte Anteil seines Inhalts werden vorher im so genannten Receptaculum seminis verdaut.

Das ist nun nicht im Sinne der potenziellen Väter. Sie mussten sich also etwas einfallen lassen, damit ihr Partner mehr Spermien speichert, und griffen zu rauen Sitten: dem Liebespfeil, einer etwa einen Zentimeter lange Kalkspitze, die Mucopolysaccharide und ein Kontaktpheromon enthält, durch das sich die Enden der Genitalorgane ausstülpen. Diesen rammen sie ihrem Partner vorwiegend in den muskulösen Fuß.

Und das Trefferglück entscheidet über den Fortpflanzungserfolg. Denn wie David Rogers und seine Kollegen von der McGill University herausfanden, speichert eine getroffenen Schnecke doppelt soviel Samenzellen wie eine, die dem Pfeil entging. Die schlechten Schützen unternehmen zwar noch eine letzte Anstrengung und geben mehr Spermien ab, doch letztendlich haben sie die schlechteren Karten.

Verantwortlich für das größere Speichervermögen ist nach Ansicht der Forscher eine noch unbekannte Substanz in der Schleimhülle des Liebespfeils. So hatte eine frühere Studie an sezierten Schnecken gezeigt, dass dieser Schleim den weiblichen Genitaltrakt kontrahieren lässt – was die Öffnung des Receptaculum seminis verschließt und die Samenzellen in Richtung der Befruchtungstasche umleitet.

"Der männliche Aspekt evolviert, um den weiblichen Part zu übervorteilen, und der weibliche Part evolviert, um das zu verhindern", erklärt Rogers. Denn während es den Männchen nur um die Zahl der Nachkommen geht, wollen die Weibchen sicherstellen, dass die Eier von den Partnern befruchtet werden, die am sichersten treffen und deren Samenzellen die größten Hindernisse überleben können. Da beide Aspekte jedoch in einem Tier vereinigt sind, wird es nach Ansicht der Forscher wohl Grenzen dafür geben, bis zu welchen Extremen dieser innere Kampf gehen kann.

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  • Quellen
Journal of Behavioral Ecology and Sociobiology 10.1007/s002650100345 (4. Mai 2001), Abstract

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